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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1871

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April (Nr. 39 - 50)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30184#0157

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Samstag, 1. März 1871. » 39. Fünfter Jahrgang.


Amls-Merkündigungsökatl für den Bezirk Schwetzingen.

KadiIchr Hiipfrnreitnng.

Erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag. - Aüe Postanstalten nnd Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 48 ?r.
Inserate die dreigespaltene PetitzeÜe oder deren Raum A kr. Lokalanzeigen 2 kr.

^bonnemeni8-kin!ac!ung.
Mit dem 1, April beginnt ein neues ^
Abonnement auf das „Schwehinger Wo-i
chenblatt", Amtsverkündigungsblatt, (Ba-
dische Hopfenzeitung). Wir bitteu unsere
geehrten Abonnenten, mit der Erneuerung
des Abonrrements nicht zu zögern, dam'it
keine Störung in der Zusendung Antritt.
Alle Postanstalten, sowie die Taschenboten
nehmen Bestellungen an. Zugleich empfeh-
len wir das Blatt zum Jnseriren. Der
Raum der einspaltigen Petitzeile wird
mit 2 kr. berechnet.
Z)ie Kedaktion und Expedition.

Neber den Charakter der rotherr
Revolution in Paris
schreibt die Wes. Z.: Ein widerwärtigeres Schau-
spiel läßt sich schwer ersinnen, als diese „Haupt-
stadt der Civilisation", welche wehrlos einer Bande
von Demagogen erliegt, denen man zu viel Ehre
erweist, wenn man sie mit Catilina vergleicht.
Paris, welches sich einbildete, dem Menschen-
geschlechte das Panier der Freiheit und der Auf-
klärung voranzurrageu, ist in diesem Augenblicke
die Citadelle des brutalsten Despotismus und der
finsteren Barbarei, und die Republik, von welcher
es hieß, daß sie alle Wunden heilen, alles Böse
überwinden, alle Gefahren beschwören werde,
steht machtlos einem Haufen von Meuterern ge-
genüber. die nicht einmal eine wohlklingende Lüge
auf ihre Fahne zu schreiben wissen.
„Die Fütterung des hauptstädtischen Pöbels
durch die arbeitsame Bevölkerung der Provinz!"
Das ist das Programm der neuesten Regierung
im Stadthaus, und sie hält es nicht einmal für
nöthig mehr, der häßlichen Nacktheit den Flitter-
staat der Phrase umzuhängen.
Die Sache selbst ist ja nicht neu; im Jahre
1.793 wurde das Programm mit Hülfe des or-
ganisirten Massenmordes wirklich eine Zeit lang
durchgeführt; im Mai und im Juni 1848 wurde
in ^fruchtbaren Aufständen seine Verwirklichung i
versucht; aber beide Male verbarg sich noch der
rohe Zweck hinter allerlei tugendhaften Redens-
arten von Menschenrechten, Völkerverbrüderung,
Erlösung der weißen Sklaven Man sprach von
einem „Rechte auf Arbeit", wie man heute von
einem „Rechte auf 30 Sous täglich" redet; man
rief „nieder die Tyrannen!" wie man heute ruft:
»keine Hausmiethen mehr!"
Diese Frechheit, oder wenn man will, diese
Ehrlichkeit des Aufstandes ist ein neuer Zug; sonst
pflegten Bewegungen der Art mit einem idealisti-
schen Prologe zu beginnen und mit Plünderung
zu enden, dießmal ist schon der erste Tag des
Aufstands ein Sieg des ausgesprochensten Naub-
systems.

Die Besoldung der hauptstädtischen Massen
aus Staatsmitteln für bewaffneten Müßiggang
ist ja nichts anderes als eine systematische Be-
raubung ; es wird indeß nicht lange dauern, bis
man zur direkten Einziehung des Privateigenthums
übergehen wird. Wenn die Staatsmittel erschöpft
sind, wird man den Besitzenden einfach Alles das-
jenige nehmen, was die rothe Republik zur Sätti-
gung, Bekleidung und Beherbergung ihrer Garden
braucht — vielleicht gegen Bons oder Assignaten,
um alten Vorurtheilen eine letzte Konzession zu
machen.
Anfänge dieser Methode zeigen sich schon
jetzt; man „requirirt" Lebensmittel, Pferde, baares
Geld, und man wird sehr bald finden, daß diese
Art der Aneignung bei weitem d>e bequemste nnd
einfachste ist.
Die Pariser werden hart bestraft für die al-
berne Empfindlichkeit, mit welcher sie die Kapitu-
lation ihrer Stadt hinter einer bloßen Uebergabe
der Außenforts zu verstecken beflissen waren; hätten
sie damals den deutschen Truppen ihre Tyore
geöffnet, so wäre das Gesinde! entwaffnet wor-
den und nach dem Friedensschlüsse hätte eine
neudisziplinirte franzüs. Garnison und eine ans
seßhaften Bürgern gebildete Nationalgarde alle
strategisch wichtigen Gebäude und Stellungen
besetzt.

Zur Tagesgeschichte.
Wsrlm. Die Kommission zur Vereinbarung
des Adreßentwurfes besteht aus folgenden Abg. :
Miguel, Laster, v. Bennigsen, Kiefer (Baden),
Römer (Württemberg), Reichensperger, Probst
(Württemberg), Blank, v. Denzin, v. Seydewitz,
v. Oheimb, Graf Münster, Friedenthal, v. Haver-
beck, Hänel und Erard.
Der Bundesrath hat den Antrag Badens,
für den Schaden, welchen Kehl, Altbreisach und
Saarbrücken durch Beschießung erlitten, aus der
von Frankreich zu zahlenden Kriegsentschädigung
Ersatz zu leisten, dem betr. Ausschuß überwiesen.
Krel, 28. März. Die Korvetten Äugusta
und Arcona sind hier eingetroffen, erstere mit
französischer Prise.
Kreitzlittgerr, 26. März. Durch beson-
dere Umstände verspätet, machen wir erst heute
Mittheilung von einem kleinen Gegenstück zum
Züricher Skandal. In unserer Grenzstadt hatten
nämlich die dort wohnenden Deutschen und mehrere
deutschfreundlichen Schweizer beabsichtigt, die Frie-
densfeier in Konstanz am 4. März d: rch Beflag-
gung ihrer Häuser in deutschen und schweizerischen
Fahnen mitzufeiern Dagegen wurde nun in einer
Versammlung des dortigen Kreisverems protestirt,
die ganze Umgegend dagegen aufgehetzt und man
ging so weit, nicht bloß mit Fenstereinwerfen zu
drohen, sondern sogar, man werde die Fahnen
hrrabreißen, herabschießen, ja sogar Herabbrennen.
Eine Bekanntmachung des Statthalteramtes jedoch
verkündete in der Zeitung die gegebene Erlaubnis

zur Beflaggung uud drohte bei eventueller Störung
mit Anwendung des Strafgesetzes. Die angekün-
digten Rohheiten unterblieben daher uud beschränk-
ten sich auf Beschimpfung Deutscher auf der
Straße, sowie Ausführung von Katzenmusiken
mit Spottgedichten vor den betreffenden Häusern.
Von diesem Hohn blieb sogar der hochgeachtete
reformirte Geistliche in der dortigen Gemeinde nicht
verschont, weil er in der Sonniagspredigt gegen
diese Rohheit den verdienten Abscheu ausgesprochen
Hatte.
Paris, 28. Müz, Mrgs. Die Ämtsztg.
des Eentral-Komite's veröffentlicht das Ergebniß
der am Sonntag stattgehabten Abstimmung, ohne
die Zahl der Abstimmenden anzugeben. Dem
Soir zufolge beläuft sich die Zahl der Abstimmen-
den auf 180,000, halbmal so viel als bei der
Abstimmung vom November v. I.
Die Amtsztg. drückt ihr Erstaunen darüber
aus, daß der Herzog v. Aumale hat nach Frank-
reich kommen können, ohne daß sich ein Bürger
gefunden. der den Herzog getödtet hätte. Das
Blatt sagt: „Bormals wurde der Tyrannenmord
für eine gute Handlung gehalten, heutzutage nennt
eine sogenannte Moral diesen Akt der Gerechtigkeit
einen Meuchelmord."
Paris, 28. März Mittags Die Stadt ist
rukig. Die Nationalgarden des Komites halten
sich in der Devensive Ein aus dem Centralkomite
vortretendes Unterkomite beschloß dis Bildung von
25 MarfchregimenLern. Cri du peuble sagt: die
Abstimmung vom Sonntag bedeutet Absetzung der
Nationalversammlung. Das Blatt will keinen
General en chef an die Spitze der Nationalgarde
gestellt wissen.
Paris, 28. März Abends. Heute Nach-
mittags 4 Uhr wurde die Kommune auf dem Platz
vor dem Stadthause unter Artilleriesalven feierlich
proklamm. Mehrere Bürgermeister gaben ihre
Entlassung, mehrere nengewählte Munizipalräthe
verweigerten die Mandatsannahme, die Bank
machte dem Konnte einen neuen Vorschuß von ft,
Million. Soldaten der Regierung in Versailles
droben gestern die Schiffbrücke bei SevreZ ab.
Lyon, 26. März. Die Untersuchung wegen
des Aufstands ist im Gange, bereits sind mehrere
Anstifter in den Händen der Justiz.
EL. Etienne, 26. März. Die Parteigänger
der Kommune, welche seit 3 Tagen Anstrengungen
machten, haben den Sieg davongetragen. Der
Präfekr Lespec wurde geßern gefangen und diese
Nacht auf seine Weigerung, die Proklamation der
Kommune zu unterzeichnen, feige getödtet. Der
erste Schuß ertönte gestern 4 Uhr Abends. Ein
aufständisches Natwnalbataillon bemächtigte sich der
Waffenfabrik, nahm die Arbeiter gefangen auf das
Stadthaus, zog daun durch die Roannastraße, wo
ein Schuß von einem Eckyaus Signal zu einem
förmlichen Gewehrfeuer gab. Eine Anzahl ordnungs-
liebender Nationalgarden, welche das Stadthaus
besetzt hielten, wurden von den Aufständischen be-
schossen. Zwei Schildwachen auf dem Perron
wurden ergriffen, mißhandelt, doch heute freige-
 
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