Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1871

DOI Kapitel:
Juni (Nr. 64 - 76)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30184#0287

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Samstag, 17. Juni 1871.

Großh. Universitäts-Biblivthek
Fy. 71. (Pflicht-Exemplar.) Heidelberg. tNsttv JahrgllNg.


Amts-Merkündigungsötatt für den Bezirk Schwetzingen.


Badische Hapfcn) citung.

Erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag. — Alte Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 45 kr.
I n s e r a t e die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum 3 kr. Lokalanzeigen 2 kr.

Mundschau.
Schwetzingen, 16. Juni.
Im Deutschen Reiche beschäftigt man
sich eifrig mit den Feierlichkeiten des Truppsnein-
zugs. Nicht nur werden alle Fürsten Deutschlands
zu dem Feste sich nach Berlin begeben, auch die
andern europäischen Mächte werden daran Theil
nehmen durch eigens dazu abgesandte Vertreter.
Die Zugsordnung haben wir bereits mitgetheilt.
Es mag einen imposanten Anblick gewähren, diesen
6 Stunden dauernden aus ca. 42.000 Kriegern
bestehenden Zug vorbeidefiliren zu sehen. Alle
deutschen Regimenter werden je einen Vertreter
dazu abordnen. Mit diesem Feste wird die Kriegs-
periode 1870 und 71 einen definitiven, würdigen
Abschluß finden.
Der Papst wird zu seinem 25jährigen Re-
gierungsjubiläum von allen Seiten beglückwünscht.
Ueberallher kommen Ueberbringer von Gratulationen
und eine Deputation aus den Niederlanden wird
zugleich eine Summe von 100,000 fl. überreichen.
Ueber die Beraubung der Pariser Kirchen ist der
Papst sehr schmerzlich berührt und wird eine Menge
geweihter Gegenstände und Gewänder als Ersatz
den Pariser Kirchen zum Geschenk machen.
In England fanden in letzterer Zeit meh-
rere Arbeiterversammlungen statt zu Gunsten der
Pariser Kommune; hauptsächlich Irländer bethei-
ligten sich an diesen Versammlungen und es ist
wohl Werth, ihrer Erwähnung zu thun, weil sie
beweisen, daß das communistische Element seine
Zweige nach allen Ländern ausstreckt. In einer
dieser Versammlung sagte Hennesey, der Wortfüh-
rer der Irländer, man widme der auswärtigen
Politik zu viel Aufmerksamkeit, während man es
ungerügt geschehen lasse, daß z. B. demnächst wie-
der für einen Sohn der Königin eine jährliche

jAppanage von 180,000 fl. vorgeschlagen werde,
> hiegegen müsse man eher protestiren, als gegen das,
!was im Auslande vorgehe.
Die Zeitungen in England beschäftigen sich
viel mit der nächsten Zukunft Frankreichs und glau-
ben, eine Restauration der Bourbonen sei unver-
meidlich , obgleich aus ihr nicht viel Segen für
das Land hervorgehe.
Noch lange nicht erholt von den gewaltigen
Schlägen der Jahre 1870 und 71, macht sich in
Frankreich ein tolles Kriegsgeschrei geltend, als ob
die große Nation jetzt größer wäre, als nach Been-
digung des italienischen Feldzuges. Ein Korre-
spondent der Neuen Züricher Zeitung in Versailles
schreibt: Ich kann sie versichern, daß man heute
mit einer wahren Begeisterung und mit mehr En-
thusiasmus von dem neuen, im Kurzem schon be-
vorstehenden Krieg gegen Deutschland spricht, als
am 2. Juli vorigen Jahres. Nein, empörend ist
der Leichtsinn der sittlich faulen Pariser! Daneben
finden jetzt die Ausgrabungen der in aller Eile
eingescharrten Opfer der Maitage statt, um ver-
brannt oder in den Kirchhöfen beerdigt zu werden,
weil man ansteckende Krankheiten fürchtet. Im
Ganzen sind während des letzten Monats 70,000
Menschen umgekommen.
Die Feuerversicherungs-Gesellschaften befinden
sich in einer peinlichen Lage; für die durch den
Krieg verursachten Schäden sind sie nicht zu zahlen
verpflichtet, aber die Versailler Regierung hat der
Kommune nicht den Karakter Kriegführender zuer-
kannt. Die Nationalversammlung wird darüber
zu entscheiden haben.
InRumänren ist endlich ein wenig Ruhe
geworden. Nachdem schon die neugewählte Kam-
mer einen der Regierung freundlich gesinnten Prä-
sidenten gewählt, hat sie noch eine Adresse an den

Fürsten gerichtet, welche die Ergebenheit der Kam-
mer für den Thron ausspricht.
In Südamerika ist die Fieber-Epidemie
so stark aufgetreten, daß die Zeitungen nur in
halben Bogen erscheinen können, weil das Perso-
nal erkrankt ist; sämmtliche Gerichte, Notariate,
Zollhaus rc. sind geschlossen. Von 200,000 ist
die Einwohnerzahl auf 60 bis 70000 Seelen he-
rabgesunken allein durch Auswanderungen. In
12 Tagen starben am gelben Fieber in Buenos-
Ayres 4676 Personen. d.

Zur Tagesgeschichte.
Berlin, 14. Juni. Die Kommission für
das Dotationsgesetz genehmigte nach langer Debatte,
worin Bismarck wiederholt sprach, die Vorlage mit
der Abänderung, daß 4 Millionen Thaler dem
Kaiser zur Dotation an Heerführer und deutsche
Staatsmänner, welche bei den nationalen Erfolgen
des Krieges hervorragend mitgewirkt, zur Verfü-
gung gestellt werden.
Unter den 382 Reichstagsmitgliedern befinden
sich 20, die schon an der Nationalversammlung
zu Frankfurt theilgenommen. Es sind folgende
Namen: M. Barth (l. Rchsp.), Biedermann (Nat.
Lib.), Briegleb-Koburg (Nat.-Lib.), Bürgers (Lib),
v. Ende (d. Reichsp.), Edel (großdeutsch), Frisch
(Nat.Lib.), Grumbrecht (Nat.Liberal), Hausmann-
Westhavellond (Fortschr.), Bischof v. Ketteler (Kle-
rik.), v. Keyserling-Blankenburg (Konserv.), Löwe
(Fortschr.), Overweg (Liber. Reichsp.), Reichensper-
ger-Crefeld (Kler.) , Röben-Aurich (Nat.Liber.),
Roß-Hamburg (Lib. Reichsp.), Schaffrath (Fort-
schr.) , Simson (Nat.Lib.), Tellkampf Nat.-Lib.)
und Wigaro (Fortschr.)
Paris, 14. Juni., Abds. Ein Manifest
der Linken klagt die monarchischen Parteien an,

Die Wiedereröffnung
der Stadtthore von Paris
hat eine ungeheure Menschenmenge herbeigeführt.
Seit heute Vormittag sind die Polizeibeamten an
den nach Versailles führenden Thoren keinen Au-
genblick frei geworden, da der Nachweis eines
Legitimationspapieres noch immer verlangt wird.
Einer an den Straßenecken angeschlagenen Verord-
nung des Generals Cifsey zufolge sind die Thore
von Bas-Meudon, Sevres, Versailles, Vanvres,
Orleans, Gentilly, Italic und Jvry, also alle
Thore vom Point du Jour bis zur Marne, von
Morgens 6 bis Abends 9 Uhr dem Verkehre ge-
öffnet.
Außer sehr vielen Neugierigen und Parisern,
die hieher zurückkehren, pajsiren daselbst namentlich
auch viele Bauersleute, welche ihre Vorräthe in
der Stadt zu hohen Preisen absetzen, da die be-
deutenden Vorräthe in den Central- und Weinhal-
len ein Raub der Flammen geworden sind.
Mit dem Erscheinen der Fremden nimmt die
Stadt gleich ein anderes Aussehen an; die Bevöl-
kerung sieht von ihnen Verdienst und wird durch

diese Aussicht aus der Lethargie aufgerüttelt, in
welche sie die furchtbaren Ereignisse der letzten
Wochen versetzt hatten.
Natürlich sind es vor Allem die Ruinen, de-
ren Anblick Tausende nach Paris wallfahren läßt,
und industrielle Köpfe gibt es genug, welche durch
Photographien, Zeichnungen und Schilderungen
der Verwüstungen Geld zu verdienen suchen. Dann
sind es Bilder der erschossenen Geiseln, der Kom-
muneführer, die viel gekauft werden, und Photo-
graphien der bourbonischen Prinzen, welche in den
Schaubuden friedlich neben Thiers und Jules Favre
hängen, wenn gleich sie in ihrer politischen Thä-
tigkeit nicht neben einander, noch viel weniger mit
einander jemals auftreten werden.
Außer den Ruinen wurden heute die Made-
leinenkirche, wo die Leiche Deguerry's, und der erz-
bischöfliche Palast in der Straße Grenelle St. Ger-
main besucht, wo die Leiche des Erzbischofs im
Paradebett ausgestellt ist. Der Katafalk steht in
dem Eckzimmer, dessen große Bogenfenster nach dem
Boulevard des Invalides führen. Man tritt durch
den Hof und die Ehrentreppe ein, betritt das Erd-
geschoß, dessen Zimmer mit schwarzen Tapeten be-

hängt sind und sieht sich im dritten Zimmer dem
hohen Todtengerüst gegenüber, das, auf Säulen
stehend, von einem Baldachin überdacht wird. Al-
les ist schwarz behängt, die Ecken des Katafalks
sind mit Silber ausgeschlagen. Hier ruht die
Leiche des Erzbischofs. Angethan mit seinen Pon-
tificalgewändern, die Mitra über dem Haupte, den
Rosenkranz und das erzbischöfliche Kreuz zu Füßen
des Bettes, rechts und links knieende Priester oder
Nonnen, gleicht der noch nicht sehr bejahrte Todte,
dessen theilweise durch die Kugeln zerrissenes Ant-
litz mit dem großen weißen Vollbarte von dem
Scheine der Kerzen geisterhaft beleuchtet ist, den
Märtyrerbildern, wie sie uns von den italienischen
Malern dargestellt werden, schluchzende Frauen
drängen sich hinzu und küssen die herabhängende
linke Hand des Todten, die noch mit religiösen
Kleinodien und Erinnerungsmedaillen geschmückt
ist. Die Menge geht leise, schweigend und tief
bewegt längs der von Soldaten des 82. Linien-
regiments gebildeten Ehrenwache hin. Es war
mir ein erschütternder Anblick, als ich aus den
weihrauchgetränkten Zimmern an das frische Ta-
geslicht trat und die Trümmer des Palais Legis-
 
Annotationen