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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1872

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Juli (No. 78 - 90)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33306#0355

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No. 87.

Dienstag. 23. Juli 1872.


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Großh. Universitäts-Bibliothek
(Pflichtexpl.) Heidelberg.
Sechster Jahrgang.

AmtsverkündigungM'att für den Wezirk Schwetzingen.
Padischk H npscn; citnn g.

Preis
' § vierteljährlich 45 kr.
Inserate
die dreigsipultene
Pctitzeite oder veren
Raum 3 kr.
8 vka tan;eigen
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Alle im „Schwekinaer Wichcirbtatt (Amtsblatt) erscheinende» Ä»n»nee«'werbe»"in das wöchentlich 3 mal erscheinende, an 42 Plstize r, in
Schwetzingen, Hockenheim und Plankstadt angeschlagene ^Stratzen-Placat^ gratis ausgenommen.

.-.1815 und Ml.
(Fortsetziuig)
Die französische Naivität hatte damals schon keine
Grenzen, oder wie anders sollte man folgenden Satz be-
zeichnen, den wir dem Privatbriefe eines Parsers (u. I2.J">>
18 l5) entnehmen?:
Man behandelt uns diesmal, als wäre man i» einem er-
oberten Lande!
Ist das nicht geradezu töstlich? Nachdem die verbün- >
beten Mächic mitt-lst Waffengewalt bis Paris oargemungen, j
wundern sich die gute» Leute noch, daß ffc die Last des
Krieges, die Folgen einer feindlichen Occupatio», die sie
selbst nochmals heraufbeshworen, zu fühlen haben!
Doch weiter um einen Schritt! Me in unseren Tagen
das deutsche Reich seine Beamten, ohne Rücksicht auf deren
specielles Vaterland, zur Verwaltung der occupirten
Departements nach Frankreich entsandte, so sehen mir auch
anno 15 die Murten die Verwaltung der besetzten Provin-
zen in die Hand nehmen und meldet in dieser Hinsicht die
Postamts-Ztg. vom 22. Juli:
Seit einigen Tagen gehen unausgesetzt kaiserl. österreichische
Beamte zur Armee nach Frankreich ab, wo sie dem Vernehmen
nach bei der Civilverwaltung der eroberten Provinze» verwendet
werden sollen.

Einen Beweis dafür, wie wandelbar der Sinn
Sinn der Pariser damals schon war, gibt uns folgende
Nachricht:
(Paris, 13. Juli 18lS.)
Heute Morgen, in dem Augenblicke, wo die 11. Legion der
Pariser Nationalgarde die Posten im Schlosse der Tuillerien
ablöste, ließ man die verschiedenen Pelotons derselben einen
Kreis bilden und kündigte ihnen an, daß sich die Armee dem
König unterworfen habe. Diese Nachricht wurde mit dem
wiederholten Rufe : Es l c be d c r K ö nig! ausgenommen.
Kaum Ware» also die Rufe: Es lebe derK 0 iser !
verhallt, noch befand sich Napoleon als Flüchtling auf fran-
zösischer Erde, alz die Pariser Nationalgarde schon wieder
Ludwig XVIII. — den sic drei Monate früher hatte ver-
jagen helfen - ihre Huldigung darbrachte. Ei» wahrhaft
schauerlicher Zug französischer Charakterlosigkeit!
Wie schnell auch die Pariser Presse nach der Versa-
gung Napoleons das Mäntelchen nach dem Winde hing,
geht aus einem Artikel hervor, den die P -A -Ag, „» Aus-
züge znm Abdruck bringt. Derselbe bespricht die schlimme
Lage jener Festungen, die sich den Verbündeten noch nicht
ergehen hatten und fährt dann fort:
All dieses Elend und alle diese Zerstörungen kommen ledig-
lich aus dem freien Willen und der schlechten (!) Denkungsart
der Commandanien und deren Generalstabe in Len Festungen >
her. Haben diese Menschen wohl daran gedacht, weicher trüge- >
hcuren Verbrechen sie sich in ihrem Rebcvwnszustande schuldig

machen und wie außerordentlich groß die Verantwortlichkeit ist,
die sie dadurch auf sich laden?
Man sieht, die Franzosen gaben damals verteufelt
wenig auf ihr militärisches Prestique; Friede um jeden
Preis war die Losang, die durch die Pariser Presse ging,
als die Alliirten in Paris standen und „Mvsisurtp (der
König) wieder den Thron bestiegen hatte.
Der Abfall von Napoleon scheint mit den Erfolgen der
Verbündeten überhaupt gleichen Schritt gehalten z» haben,
denn unterm 15. Juli meldet man auch aus Amiens:
Am 10. hat die Stadt Amiens di- weiße Fahne ausge-
pflanzt. Eine Stunde daraus versammelten sich zahlreiche Hau-
sen der Einwohner auf dem Königsplatz und riesen: Es lebe
der König!
— Alle Truppen der i4. und 15. Mililärdivision haben
die weiße Kokarde (die Farbe der Bourbonen) aufgestcckt.
Wie schnell man in Paris bereit war. die Spuren
napoleonischer Herrlichkeit zu vertilgen, geht aus einer Notiz
der P.-A.-Ztg. hervor, welche meldet :
Aus dem Saale der Marschälle in den Tuillerien ist nebst
dem Portrait Neh's auch jenes des Davoust hinweg genommen
worden.
Als könnte man durch das Aufstecken weißer Kokarden
und die Wegnahme einiger Bilder das Geschehene ung<-
schehen machen oder die Erinnerung daran verwischen!

Wer sich der unermeßlichen Zahl vop unabsehbaren
Militärzügen erinnert, die in den Jahren 1870 und 71
zwischen Frankreich und Deutschland liefen, wer da weiß,
wie die zerstörten Strecken in Frankreich binnen wenigen
Tagen stets wieder fahrbar gemacht wurden und endlose
Wagenreihen immer weiter und weiter in das Herz Frank-
reichs drangen, dem mag die Mittheilung der PostamtS-Zig.
vom 24. Juli 1815 beinahe lächerlich erscheinen, welche besagt:
Die Postkutschen gehen bereit? wieder direct zwischen Paris
, und Nancy.
Daß aber auch iu jenen Tagen, wo sich die Franzosen
so zahm gegen ihre Ueberwinder bewiesen, einzelne Züge der
bestialischen, tückischen Grausamkeit nicht fehlten, die sie nn
jüngsten Kriege an den Tag legten, erhellt aus einer Notiz
vn», 24 Juli, die berichtet:
Heute ist ein Wagen durch Paris gefahren, ,n welchem sich
ein todter Preuße b.sand, hinter diesem folgten einige mit
Stricken gebundene Bauern.
Auch an dem hochpreislichen Institute d^r FrancureurS
fehlte es anno 15 nicht. Die Kerle führten auch damals den
Krieg auf eigene Faust und ihre Feinde waren die feind-
l'chcn Truppen nicht allein, denn ein Pariser Blatt berichtet
über diese zweifelhaften Helden (am 15. J»li):
Alle Arten von Verbrechen begehen Räuberbanden, welche
sich Freikorps nennen, die ungestraft Döeser, M-icrhöfe
und Landsitze plündern. Sie ziehen zum Jammer friedlicher
Einwohner in großen Haufen umher und lhr ganzes Thun
besteht nur in Ausübung oller Arten von Banditenstr-lche.
(Fortsetzung folgt.)

Hagesüöerstchl.
Schwetzingen, 22 Juli
Der dießjährige deutsche Iuristen - ag iu Frnn !-
snrt a. M. wird sich namentlich mit einer zeitgemäßen
Umbildung der Geschworenengerichte beschäftigen. Der Ge-
richtshof soll aus Juristen und Laien zusammengesetzt wer-
den und zwar in dem Vcrhältniß: 8 Laien und 3 Juristen.
Man glaubt damit die Mängel der Schwurgerichte besei-
tigen zu können.
Aus München schreibt man der „A. Abdztg.":
Wie hier verlautet, wurde Herr Reichsrath Dr. v. Pözl
als Kul uSminister in Aussicht genommen und ist an ihn
schon die Anfrage, ob er das Portefeuille anzunehmen ge-
neigt sei, ergangen. (Darnach wäre wohl Herrn v. Lutz
das Ministerium de? Acußern zugcdacht.)
AuS Berlin, 18 Juli, meldet ein Telegramm
der „Augs. Allg. Zig": In Betreff der Stellung der
Regierungen zur Frage c>er Pap st wähl verlautet) daß
von den deutscherseits diejerhalb angoguigenen Cabineiten
zwei ablehnend, zwei zustimmcnd zu den diesseitigen Ab-
sichten sich ausgesprochen haben, mit den übrigen sind keines-
wegs aussichtslose Verhandlungen cüigeleitet.
In B a hAf/ ist endlich der Raupmhelm beim Mili-
tär abgeschaffiMM durch die preußische Spitze ersitzt wor-
den. Dgmil zW. aber die guten Bayern doch noch erken-
nen kann, ist Ms übrige Beschläg beibehalien worden und
hat man es Mbesondere vermieden, den deutschen Doppel-
adler anzubringen, dem man nachsagt, daß er mit seinen
Krallen so gerne nach den „berechtigten Eigenthümlichsiilen"
greift
Wie auf allen anderen militärischen Gebieten, so sind
auch betreffs der M i t r a i l l eu s e n in der Zeck nach Sem
Friedensschluffe umfangreiche Prüfungen unternommen wor-
den Dieselben haben aber Resultate ergeben, welche we-
sentlich von denen abweichen, die man während de? Krieges
gemacht zu haben glaubte. Bekanntlich sind schon zu
jener Zeit, namentlich vor Paris, französische Mitrailleusen
deutscherseits benutzt worden, welche damals theilweise recht
günstige Erfolge zu erzielen schienen. Nach sorgfäuigen,
nunmehr im Frieden angestellien Prüfungen haben sich aber
alle beiheiligten Autoritäten und Behörden, namenckich die
Arüllerie-Pküfungscommission, endgültig dafür en'schleden,
die Mitrailleusi gänzlich zu verwerfen und die Umarbeitung
der betreffenden errobcrten Kanonenart nicht zu b.snrworien.
Die „N. Fr. Pr." meldet aus Wien: Erzicrzog
Wilhelm habe dem Czaren ein kaiserl. Hand-
schreiben überbracht, in Folge dessen Kaiser A>x,n»er
den Besuch eines russischen Prinzen in Wien in Aussicht
stellte.
Der „Pester Lloyd" verweist die Gerüchte von einem
Jesuite n-Uebcrwachu n gs-Gesetze, das

Livingstone KXpedition
(Schluß)
Dann ging Livingstone im Juni 1869 von Uvsihidschi
aus kine andere Forschungsreise aus, und nach 15 Tage-
reisen kam rr nach Mamgena. einem Lande, dessen Inneres
von keincm Menschen je besucht worden zu sei» schieb Aber
er wurde von weiterem Vorgehen durch gefährliche F»ßge-
schwüre abgehalten, die ihn zu sechsmonatlichem Warten
nöthigten. Sobald er wieder hergestellt war, ging er nord-
wärts vor, und kam an einen breiten Strom, den Lualeha,
welcher in nördlicher, westlicher und südlicher Richtung floß.
Muthmaßend, daß dies nur eine Verlängerung des Cham-
bezi sei, welcher in die Seen Banguereolo, Luapula und
Muero fließt, kehrte er nach dem Kamolundosee zurück, ar-
beitete sich von dort bis zum 4. Grad südlicher Breite durch,
bis er endlich den Punkt fand, wo der Lualula und Cham-
bezi sich vereinigen, und sonach den Beweis führle, daß beide
ein und der nämliche Fluß sind. Er verfolgte das Bett
des letzteren Flusses mehrere hundert Meilen weit, bis etwa
180 Meilen von dem bereits erforschten Theil deZ Nils, als
die Leute, die ihn begleiteten, meuterten und ihn verließen.
Ohne Vorräthe und ohne Gefolge mußle er nach Udschidschi
zurückkehren. Er traf dort am 16. Oktober 1871 ein und
am 8. November 187l traf Stanlay dar! mit ihm zu-
sammen.
Am 20. November machten Beide eine 28läg!ge Reise i
nach dem nordöstlichen Ende des Tanganyila, dann kehrten l

> sie nach Udschidschi zurück, und am 26. Dezember gingen
i sie nach Unyanyembc, wo sie bis zum 14. Mär; beisammen
blieben. Dann reiste Stanley mit Briefen von Livingstone
nach der Küste ab, während dieser noch z vej Probleme lösen
will — erstens die Erforschung der 180 Meilen des N l.
zwischen der bereits erforsch«-» Strecke und dem Punkte, wo
er zuletz! »mkehren mußte, und zm.'itens die Erforschung
von vier Quellen, welche dem Lualaba bedeutende Wnsser-
inasseii zusühren sollen. Livmgstane g^iibt dies in 16 vis
' 18 Monaten thn» zu können, wohingegen Stanley diese
Züt für kaum hinreichend hält.
(Die Geschichte eines gelungenen Witzes.)
Die „Gegenwart" schreibt: Einer der geistreichsten deut-
schen Schriftsteller, dessen Namen wir leider niht verrathen
dürfen, befand sich vor kurzem in,Wien. Die Bayreuther
Festlichkeilen fülllen gerade mit dem Widerhall ihres lär-
menden Enthusiasmus die Feuilletons aller Blätter, und so
kam unserem witzigen Anonymus per gute Einsall, einen
Brief Vicior Hugo's an Richard Wagner zu schreiben. Da
er der französischen Sprache vollständig mächtig ist, so faßte
er den Brief, welcher die prätentiöse und vertrackte Schreib-
weise V clor Hngd's meisterlich copirte, aber den Siempel
der Pcrffflagge an der Stirn trug, in französischer Sprache
ab. Dieser angebliche Victor Hugo ermunterte unter An-
drem Richard Wagner, die Gulden des Königs Ludwig
ruhig in Empfang zu nehmen, denn wenn auch der preußi-
sche Thaler ein barbarischer Gesell sei, der Galden sei ein
Ehrenmann. Dleser Brief erschien in französischer Sprache

und in der Uebersetznng im Feuilleton der (allen) Wiener
„Presse." Aus dieser Zeilung wurde er voa mehreren Pa-
riser Blättern, unter Andern „La Liber s" , nachz druckt
und zwar ohne Bemerkung. Offenbar hieUen die Pariser
die Persiflag-ze für ein wiikliches Schreiben P c-
toc Hugo's. Aber damit nicht genug. Der Purster Coere-
sponvent eines anderen Wiener Blattes liest den Brief,
hält ihn ebenfalls für echt und telegr.iphirt an sein Blatt,
daß die Pariser Blätter einen in den übers.h väaglichsten
Ausdrücken abgesagten Brief V ctor Hugo's an R chard
Wagner enthüllen. Das W euer Blatt drnckr dies Tele-
gramm auch richtig ab und signalisirt ans telegraphischem
Wege via Paris den Brief, der vier Tags vorder in der
Nebenstraße erschienen war. Aber auch damit nicht genug
Der Brief kommt aus Paris nach Wien zurück, w rd dort
wiederum abgedruckt, resp. übersetzt und erst recht für echt
gehalten. Ein Mener Mtzblatk, „Der Figaro", P.irod rt
die Parodie; kurz, die Verwirrung wird eine so heillose,
daß schließlich kein Mensch mch'' weiß, woran er ist, und
daß Richard Wagner, der Geheiligte, selbst zur Feder grei-
fen und erklären muß. daß er einen derartigen Brief nicht
erhalten habe. Es möchte schwer sein, in der Geschichte der
Witze einen ziveiten aufzufinden. der so vollständig gelungen
wäre, wie dieser. -
(Sehr bezeichnend) für den spanischen Ciaraktcr
ist folgende Notiz: Als die internirten Carlisten in einem
wahrhaft kläglichen Zustande nach Man» kamen, war ihre
erste Sorge, von dem Gelbe, das ihnen zukam. nicht etwa
Kleider oder Nahrungsmittet sondern Visitenkarten zu bestellen.
 
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