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Kunsthistorische Bilderbogen: für den Gebrauch bei akademischen und öffentlichen Vorlesungen, sowie beim Unterricht in der Geschichte und Geschmackslehre an Gymnasien, Real- und höheren Töchterschulen zusammengestellt: Textbuch zu Seemann's kunsthistorischen Bilderbogen — Leipzig, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.1298#0155
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Goldfchmiedarbeiten. 151

Kaifer Heinrich geftiftet hatte (No. 148, 5), an den altchriftlichen
Ambo erinnert und wefentlich Goldfchmiedarbeit ift. Sie befteht
aus einem mittleren Halbkreife, dem fich rechts und links kleinere
Viertelkreife anfchließen. Der Holzkern ift mit vergoldeten Kupfer-
blechen überzogen, durch Bänder in Felder getheilt, die theils in
getriebener Arbeit Evangeliftenbilder, theils in Elfenbein gefchnitzte
(von einem fpätrömifchen Werke herübergenommene) Reliefs ent-
halten. Den Goldfchmieden danken wir auch die Reliquienfchreine
(No. 150, 12; 153, i u. 2), welche häufig hinter den Altären auf-
geftellt waren (No. 152, 3). Sie haben in der romanifchen Periode
gewöhnlich die Form einer länglichen Lade mit einem Giebeldeckel.
An ihnen vor allem verfuchten die Goldfchmiede alle ihre Künfte
zu erproben. Diefe aber waren gar mannigfacher Art. Der Gold-
lchmied des tieferen Mittelalters verftand fich nicht allein auf ge-
triebene Arbeit, auf den Metallguß und das FafTen von Edelfteinen,
er kannte auch die Filigranarbeit, er gravirte Figuren und Ornamente,
und füllte die vertieften Linien mit fchwarzem Schmelze (Niello)
aus und übte die Emailmalerei. Die reiche Anwendung des Emails
ift für die frühmittelalterlichen Goldfchmiedwerke geradezu charak-
teriftifch geworden. Die Kenntniß des Emails war fchon den galli-
fchen Stämmen nicht fremd, in Byzanz gehörte die Emailmalerei
zu den eifrigft betriebenen, gewinnreichften Künften. Die Byzan-
tiner wählten Goldplatten, auf welchen fie die Umritte der Zeich-
nung mit dünnen Goldftreifen oder Lamellen auflötheten. Die fo
gewonnenen Kärtchen füllten fie mit bunten Schmelzfarben, welche
im Feuer erhärteten. Im Gegenfatz zu diefem Zellenemail (email
cloisonne) benutzten die abendländifchen Goldfchmiede vergoldete
Kupferplatten, vertieften die Stellen, welche die Farbe aufnehmen
tollten und fchufen fo das Grubenemail (email champleve), welches
zu decorativen Zwecken vollftändig genügte. Köln und etwas fpäter
Limoges im füdlichen Frankreich fcheinen Hauptfitze der Gold-
fchmiedekünft gewefen zu fein; aus Köln flammen wahrscheinlich
auch die prächtigen in Aachen bewahrten Reliquienfchreine.

Eine genaue ftiliftifche Unterfuchung würde lehren, daß die
von den Goldfchmieden geübte Technik des Treibens auf die in
der frühmittelalterlichen Sculptur herrfchende Modellirung der Ge-
feiten nicht geringen Einfluß übte. So müfTen z. B. die großen
rundlichen Flächen, die von kleinen Falten umgeben find, am
Unterleibe zahlreicher romanifcher Figuren darauf zurückgeführt
werden.

Wenden wir uns zur großen Plaftik, fo gebührt hier den Erz-
arbeiten wieder der Vorrang vor den Steinfculpturen. Namentlich
m Deutfchland hat der Erzguß, wie die Metallarbeit überhaupt,
nach allen ZeugnifTen fich rafch aus dürftigen Anfängen heraus-
 
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