Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Bilderbogen: für den Gebrauch bei akademischen und öffentlichen Vorlesungen, sowie beim Unterricht in der Geschichte und Geschmackslehre an Gymnasien, Real- und höheren Töchterschulen zusammengestellt: Textbuch zu Seemann's kunsthistorischen Bilderbogen — Leipzig, 1879

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1298#0357
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36o X. Der Barock- und Zopffiil.

10; 186, 12) auf. Den Wandel und Wechfel des Gefchmackes
geben auch die an der Stelle der Tapeten üblichen Wandverklei-
dungen oder panneaux kund. Leicht zierlich und duftig heben lieh
in den älteren bemalten Wandfeldern Claude Gillot's und in jenen
in Watteau's Stil entworfenen (No. 186, 5) die Figuren und das
Rankenwerk von dem hellen Grunde ab, die geraden Linien, die
Säulen, die mageren Guirlanden herrfchen im Zeitalter Ludwig's XVI.
vor (No. 183, 1).

Man würde den Charakter des 18. Jahrhunderts fälfehen, wenn
man an den Schluß deffelben nur die Ernüchterung und Ermattung
der Phantafie als wefentliches Merkmal fetzte. Die Anrufung der
Antike und der einfachen wahren Natur follte zunächft nur der
Kritik der bis dahin herrfchenden Kunftweifen dienen und die Oppo-
fition gegen diefeiben rechtfertigen. Es blieb aber nicht bei einem
unfruchtbaren Protefte; gleichzeitig mit diefem wurden auch die
Keime zur Neubelebung einer fchöpferifchen Phantafie in den Bo-
den gelegt. Schon die Thatfache muß zu Gunften der produetiven
Kraft des 18. Jahrhunderts fprechen, daß in der fpäteren Zeit des-
felben der Kreis der kunftpflegenden Völker fich namhaft erweitert.
England, bisher im Kreife der Malerei und Plaftik ungenügend ver-
treten, tritt jetzt in den Vordergrund. Mag auch William Hogarth's
künftlerifche Bedeutung überfchätzt worden fein, in feinen Allegorien
und in Kupfer geftochenen, moralifirenden Erzählungen (Rakes
progress, Mariage ä la mode, Harlots progress u. f. w.), das Üeber-
maß des witzigen und fatirifchen Details die malerifche Wirkung
zerftören, unleugbar bleiben die großen Verdienfte der englifchen
Porträt-, Landfchafts- und Genremaler, wie Jofuah Reynolds, Th.
Gainsborough, Th. Lawrence, Morland, Opie (No. 245, 1—5), wel-
chen man zu ihrer Zeit auf dem Feftlande nur wenige ebenbürtige
Maler zur Seite ftellen konnte. Auf dem Continente aber hat die
Vertiefung in die antiken Studien nicht bloß eine augenblickliche
Ablenkung vom Schwulfte und von der conventioneilen Natur bewirkt,
fondern einen feilen und dauernden Grund zu einer neuen Kunft-
anfehauung gelegt. Die Männer, welche am Schluffe des vorigen
Jahrhunderts dem antiken Ideale huldigten oder zu einfach natür-
lichen Schilderungen des Lebens zurückkehrten, find entweder wie
Raphael Mengs, Canova und Daniel Chodotviecki die Vorläufer der
modernen Kunft gewefen oder haben fich wie Asmus Jacob Carflens
und Jacques Louis David (No. 246, 1—5) als Reformatoren an die
Spitze derfelben gefetzt. Sie finden ihre volle Würdigung, wenn
die Schickfale der Kunft in dem gegenwärtigen Zeitalter erzählt
werden.
 
Annotationen