Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Seidlitz, Woldemar von [Hrsg.]
Allgemeines historisches Porträtwerk: eine Sammlung von 600 Porträts der berühmtesten Personen aller Völker und Stände seit 1300 : mit biographischen Daten (Serie 8/9): Künstler und Musiker — München: Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, 1888

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.67413#0105
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Diego Rodriguez de Silva y Velazquez.
Getauft 6. Juni 1599; gest. 6. August 1660.

Velazquez, getauft zu Sevilla am 6. Juni 1599, war der Sohn des Rechtsgelehrten Juan Rodriguez de Silva und der
Geronima Velazquez, so daß sein voller Name Diego Rodriguez de Silva y Velazquez lautet. Gewöhnlich nannte er sich jedoch
nach der Mutter und zeichnete in den meisten Fällen »Diego de Silva Velazquez«. Da er ursprünglich zum Gelehrten bestimmt
war, erhielt er eine vorzügliche Schulbildung. Als sich jedoch seine Anlagen zum Maler herausstellten, wurde er bei Francisco
Herrera dem älteren in die Lehre geschickt, der einen entschiedenen Einfluß auf seine Kunst gewann, ihn aber durch seine Hef-
tigkeit und Barschheit bald wieder vertrieb. Velazquez wandte sich hierauf zu Francisco Pacheco, einem feingebildeten Mann und
Lobredner der florentinisch-römischen Kunst. Bei ihm gewann er die mannigfachsten Anregungen in wissenschaftlicher und litte-
rarischer Hinsicht und eignete sich ein sicheres weltmännisches Auftreten an, da er in dem Hause des Künstlers mit den vor-
nehmsten Persönlichkeiten der Stadt in Verkehr trat. Am 23. April 1618 vermählte er sich mit Donna Juana, der Tochter
Pachecos, und fand an ihr eine getreue Gefährtin für sein ganzes weiteres Leben. Dagegen war von Pacheco dem Maler nicht
viel zu lernen. Velazquez hielt sich daher in der Hauptsache an das Studium der Natur und nahm einen Bauernknaben in seine
Dienste, um jeder Zeit ein Modell in Bereitschaft zu haben. Eine Probe dieser Modellstudien, von denen sich nur wenige erhalten
haben, besitzen wir in dem »Lachenden Bauernburschen« im Wiener Belvedere, der aller Wahrscheinlichkeit nach in die Frühzeit
des Meisters gehört. Aus derselben stammt auch eines seiner berühmtesten Bilder: »Der Wasserträger von Sevilla« bei Lord
Wellington in London, ein Werk von schärfster Charakteristik und derb naturalistischer Auffassung, wie man sie von Riberas
Gemälden kennt. Noch mehr an Ribera erinnern die »Anbetung der Könige« vom Jahre 1619 im Museo del Prado zu Madrid
und die ungefähr gleichzeitige »Anbetung der Hirten« in der Londoner Nationalgalerie.
Velazquez war bereits 23 Jahre alt, als er sich im April 1622, versehen mit Empfehlungsschreiben Pachecos, nach
Madrid begab, um die reichen königlichen Gemäldesammlungen kennen zu lernen. Nachdem er dort das Porträt des Dichters
Gongora, heute im Museo del Prado, gemalt hatte, kehrte er nach Sevilla zurück, um schon im nächsten Jahre auf Veranlassung
des Herzogs von Olivares seinen Wohnsitz ganz nach der Hauptstadt zu verlegen. Ein Porträt des Kanonikus Juan de Fonseca
y Figueroa, das gleich nach seiner Ankunft in Madrid entstand, gefiel dem König Philipp IV. so sehr, daß er den Maler vom
23. April 1623 ab in seine Dienste nahm und bald darauf sein eigenes Bildnis bei ihm bestellte. Als dasselbe vollendet war,
wurde es an einem Festtage auf dem Platz vor der Kirche San Felice el Real öffentlich ausgestellt und von den Zeitgenossen in
überschwänglicher Weise gepriesen. Da es leider untergegangen ist, können wir ihr Urteil nicht nachprüfen, doch bewahrt das
Museo del Prado unter den sieben von Velazquez herrührenden Bildnissen des Königs eines, das kurz nach jenem entstanden ist
und den Eindruck vollendeter Objektivität gewährt. Weitere Bildnisse aus der ersten Madrider Zeit des Velazquez sind das
Brustbild seiner Gattin, das des Infanten Don Carlos, beide im Museo del Prado, und die sogenannte »Reunion de porträts« im
Louvre zu Paris. Bei der im Jahre 1627 von Philipp IV. ausgeschriebenen Konkurrenz für ein Historienbild, das die Vertrei-
bung der Mauren aus Spanien verherrlichen sollte, erhielt Velazquez den ersten Preis und wurde deshalb zum königlichen Cere-
monienmeister ernannt. Wahrscheinlich beim Brande des königlichen Schlosses im Jahre 1735 zerstört, ist auch dieses Gemälde
der historischen Beurteilung entzogen. Um so wertvoller erscheint das um 1629 entstandene Gemälde »Der Trinker« (»Los
Borrachos«), welches, unter der Bezeichnung »Baco« berühmt geworden, eine lustige Gesellschaft darstellt, die sich unter dem
Vorsitze eines halbnackten Burschen zu einem Zechgelage zusammen gefunden hat. »Die Trinker« bezeichnen den Höhepunkt
der von dem Meister vor seiner ersten italienischen Reise erreichten Leistungsfähigkeit.
Im Sommer 1628 kam Rubens nach Madrid. Er trat zu Velazquez in nahe Beziehungen und bestärkte ihn in dem
Entschlüsse, eine Reise nach Italien zu unternehmen, gewann aber auf die zur vollen Selbständigkeit entwickelte Kunstübung des
Spaniers keine tiefer greifende Einwirkung. Am 28. Juli begab sich Velazquez, der vom König einen zweijährigen Urlaub erhalten
hatte, über Barcelona zu Schiff nach Venedig, wo er in dem Hause des spanischen Gesandten Aufnahme fand. Er hielt sich
hier einige Monate auf, studierte vor allem die Werke Tizians, Veroneses und Tintorettos und ging dann über Ferrara, Bologna
und Loretto nach Rom, um dort Kopien nach Raffaels und Michelangelos Fresken anzufertigen. In Rom schuf er ferner äusser
einem Selbstbildnis die für Philipp IV. bestimmte »Schmiede des Vulkans« (Museo del Prado) und die »Söhne Jakobs«, welche
ihrem Vater das blutige Gewand Josephs überbringen (Escorial). Die Rückkehr nach Spanien erfolgte von Neapel aus, wohin sich
der Künstler zu Ende des Jahres 1630 begab, und wo ihn der Umgang mit Ribera bis zum Frühjahr 1631 festhielt.
Die italienische Reise hatte, abgesehen von einer größeren Sicherheit und Leichtigkeit in der technischen Behandlung,
keine Folge für das Schaffen des Künstlers. Wieder in Madrid, erhielt er auf Befehl Philipps IV. sein Atelier in der nördlichen
Galerie des Alcazar angewiesen und widmete sich nun zunächst fast ausschließlich der Porträtmalerei. Zuerst entstand das Bildnis
des Infanten Don Carlos, dann das Reiterporträt des Königs, welches Pietro Tacca in Florenz als Vorbild zu einer Bronzestatue
dienen sollte, ein zweites Bildnis Philipps IV. im Jagdanzug, seines Bruders, des Kardinal-Infanten Ferdinand, der Königin Isabella,
der Infantin Maria Theresia, der späteren Königin von Frankreich, und mehrere Bildnisse des Herzogs Olivares, unter denen das
Reiterbildnis vom Jahre 1643 das bedeutendste ist.
Als Philipp IV. im Jahre 1642 eine Reise nach Saragossa unternahm, um durch seine Gegenwart die Aufständigen
in Catalonien zu beruhigen, mußte ihn sein Hofmaler begleiten. Ebenso folgte er ihm im Jahre 1644 zur Belagerung von Leuda
und schilderte dann in einem großen Bild den Einzug des Königs in die eroberte Stadt. Etwa aus dem Jahre 1647 stammt die
»Übergabe von Breda durch Justin von Nassau an den Marquis von Spinola«, im Auftrage Philipps für das Lustschloß ,Buen
Retiro gemalt, ein Werk von großer historischer Treue und schlichtester Natürlichkeit.
Im November 1648 begab sich Velazquez zum zweitenmal nach Italien und zwar auf Befehl des Königs, der in Madrid
eine Akademie der Künste zu gründen beabsichtigte und seinen Günstling den Ankauf von Statuen und Gemälden für dieselbe
überlassen hatte. Wo er hinkam, wurde er mit Ehren überhäuft. In Rom ließ sich der Papst Innocenz X. von ihm malen und
zeichnete ihn auf jede Weise aus, die Akademie von S. Luca aber ernannte ihn zu- ihrem Mitglied. Er führte seinen Auftrag zur
vollen Zufriedenheit des Königs aus und wurde nach seiner Rückkehr nach Madrid im Jahre 1651 zum Aposentador-Mayor, d. h.
zum Haus- und Reisemarschall, befördert und am 12. Juni 1658 zum Ritter des Ordens von St. Jago erhoben. Trotz der zeit-
raubenden Thätigkeit in seiner Hofstellung und der ihm gleichfalls zufallenden Oberaufsicht über die königlichen Sammlungen
fuhr Velazquez fort, die hervorragenden Personen am Hofe zu malen. Im Jahre 1656 vollendete er das bedeutendste dieser Porträts
aus seiner letzten Periode: die sog. »Las Meninas«, die jugendlichen Ehrenfräulein, welche sich um die kleine Infantin Margarita
Maria, die Hauptperson des Gemäldes, gruppieren. Nach dem Abschluß des pyrenäischen Friedens empfing Velazquez die Weisung,
sich nach Bidassga zu begeben, um auf der Fasaneninsel die Einrichtung des Pavillons zu besorgen, in welchem die Verlobung
Ludwigs XIV. von Frankreich mit der Infantin Maria Theresia gefeiert werden sollte. Diese Reise und die damit verbundenen
Aufregungen erschöpften ihn so, daß er nach der Rückkehr nach Madrid erkrankte und am 6. August 1660 starb.
Velazquez gehört neben Murillo nicht nur zu den größten Künstlern, die Spanien hervorgebracht hat, sondern über-
haupt zu den bedeutendsten Porträt- und Figurenmalern aller Zeiten. Dies erkannt zu haben, ist zum größten Teil das Verdienst
der Maler aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, auf welche sein Beispiel eingewirkt hat wie das keines andern älteren
Meisters. Wer ihn in Deutschland kennen lernen will, kann das am besten im Wiener Belvedere thun, da die übrigen deutschen
Galerien auffallend arm an Werken von seiner Hand sind.
--

Selbstporträt
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen