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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0108
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Drittes TTauptstück.

halb oder ausserhalb des Saumes und seiner Naht und parallel
mit beiden fortlaufen. Diese Bordüre ist in der Regel nicht be-
sonders begrenzt, das heisst mit einer Linie, die wieder mit dem
Saume parallel geht, abgeschlossen, sondern läuft frei aus, indem
sie Franzen bildet, die bei der ersten der beiden angeführten
Möglichkeiten nach Innen weisen; bei der zweiten Möglichkeit
weisen sie im entgegengesetzten Sinne nach Aussen. Oft sind
diese Bordüren statt der Franzen aus vegetabilischen Formen, Blät-
terkränzen, Blumenkelchen 'und dergl. gebildet, die dann immer
entschieden und ohne Abwechslung ihre Spitzen nach derjenigen
Richtung zu wenden haben, wohin der Raum endigt, oder wohin
der Anfang des Raumes führt.
Die beiden Symbole, der fc^um und die Bordüre, lassen sich
auch in eines verbinden, indem man dem Bande seine ostensible
Resistenz und Umfassungsfähigkeit nach der Richtung seiner Län-
genentwicklung lässt, es aber zugleich aus dem Zustande der In-
differenz in Beziehung auf die Versinnlichung der Begriffe des
Endigens und Beginnens herausreisst, und dem auf ihm sich ent-
wickelnden linearischen, vegetabilischen oder componirten Flecht-
werke eine Richtung von Aussen nach Innen oder von Innen nach
Aussen gibt, so dass die Formen, wenn man sie von der entge-
gengesetzten Seite ansieht, überkopfs erscheinen müssen. Bei
Fig. 1 und 2 der Tab. IV. so wie bei Fig. 2 der Tab. X. sind
die Bordüren indifferent und entwickeln sich uns ihrer Länge nach,
bei Fig. 1 derselben Tafel X. hat die äussere Bordüre durch die
Inschrift eine Richtung von Aussen nach Innen. Kaum bedarf es
wohl der Erwähnung, dass diese Symbole nach Umständen ihre
besondere Stimmung erhalten und dass ihre Wirkungen verstärkt
werden können, theils qualitativ durch intensivere und kräftigere
Charakteristik, theils quantitativ durch Wiederholung gleicher oder
ähnlicher Motive neben einander.
Nach dem Umstande, ob der Saum nach einwärts, das heisst
nach dem Teppiche zu oder nach auswärts gerichtet sei, ordnet
sich nun auch die gesammte übrige Ornamentation des letzteren
in Bezug auf die ihr zu gebende Beziehung zwischen Oben und
Unten. Denkt man sich z. B. die ganze Quadratfläche innerhalb
des Saumes durch Linien in 4 quadratische und 4 längliche Vier-
ecke getheilt, die ein mittleres Viereck umgeben, und sind alle
diese Felder mit Arabesken auszufüllen, in w’elchen vegetabilische
 
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