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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0193
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Textile Kunst. Stoffe. Wolle.

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und Baumwollenstoffe dagegen sich durch helle Färbung und
kälteres Kolorit, in welchen das Blau, das Grün und das Violett
vorwiegt, charakterisiren.
Das Weitere darüber und Anderes über die orientalische alte
und neue Polychromie in dem Folgenden.
Der- Norden und Westen Europas produzirte schon zur klassi-
schen Zeit des Alterthums mancherlei textile Produkte aus Wolle,
die als Handelsartikel auf die Märkte des Südens kamen und
sehr geschätzt wurden. Die Kelten und Iberier lieferten die
glatten, bombassinartigen, gewürfelten Plaids , das nördliche Gal-
lien, Deutschland und Skandinavien producirten den Zottelsammt
und andere den Pelz nachahmende oder gefilzte Wollenzeuge
(gausape, villosa ventralia, amphimalla), den Fries (Togae crebrae
papaveratae) und den Kamelott. Karl, der Grosse beschenkte
jährlich seine Leute mit Friesmänteln, die fortwährend auch im
Auslande Werth behielten, so dass sie an die orientalischen
Höfe als kostbare Gaben verehrt wurden.
Bei den Sachsen und Skandinaviern war das Wadmal, das
grobe, hausgemachte Wollenzeug das gewöhnlichste Tauschmittel
und diente statt des Geldes. Man unterschied verschiedene Sor-
ten, gewöhnliche und feinere, darunter auch gestreifte Stoffe. Sehr
stark und dick war der Loden, dem ähnlich, wovon Plinius sagt,
dass es dem Eisen und selbst dem Feuer Widerstand leiste. Er
diente geradezu als Rüstung und wenn einer im Ringkampfe in
das Feuer der Halle fiel, so schützte ihn der Lodenrock vor Brand-
wunden. Noch derber war der Flockenzeug oder der Filz. Die
Strickwolle wurde in diesen baltischen und Nordseeländern seit
frühesten Zeiten zum Stricken der meistens blauen grossen Strümpfe
oder Hasen (Hosen), der gemeinen Tracht für Frauen und Männer,
benützt. (S. Altnordisches Leben von Dr. K. Weinhold. Berlin,
1856.)
Seit dem zehnten Jahrhunderte wurden die deutschen Wollen-
manufakturen berühmt und lieferten die Modestoffe. Von Deutsch-
land aus zog sich die feinere Wollenweberei mehr nach Flandern
und wurde durch den Schutz, den ihr Balduin HL zu Theil wer-
den liess, besonders gepflegt. Er berief deutsche Weber und
Spinnei- in seine Staaten, welche die Bereitung der feinsten
Tuche und vorzüglich der fast eben so hoch wie die Purpurseide
 
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