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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0355
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Textile Kunst. Exkurs. Tapezierwesen der Alten. 305
Ein auffallender und wiederum für die Geschichte des ent-
wickelten Stiles sehr folgewichtiger Umstand, nämlich das dem
höchsten Alterthum bereits angehörige Verfahren selbst so edlen
Stoff wie das Gold und das Metall überhaupt, wo es als Ueber-
zug einer Fläche oder eines Strukturtheiles dient, nochmals seiner-
seits wieder mit einem andern durchsichtigen Stoffe zu über-
ziehen, so dass die Goldfläche, unerachtet der eigenen noblen
Pracht ihres sonnigen Glanzes, doch nur als Grund für darauf
auszuführende bunte Emailmalerei galt, mag schon hier Erwäh-
nung finden. Ein sicheres und bemerkenswerthes Zeugniss über
dieses Verfahren und die genaue Angabe des Stoffs der dabei
in Anwendung kam liefert uns Flavius Josephus, der im 17ten
Buche seiner jüdischen Alterthümer von einem Aufstande der
Juden gegen die römische Besatzung der Burg von Jerusalem be-
richtet, der bald nach dem Tode Herodes des Grossen (2 Jahre
n. Ohr.) ausbrach und wobei die Stoa des Tempelhofes in Brand
gerieth. Das Holzwerk der Decke, woran sich viel Harz und
Wachs befand und dessen Goldbekleidung mit Wachs
überzogen war, wurde von der Flamme ergriffen, die so rasch
sich verbreitete dass das grosse und bewunderungswürdige Werk
des genannten prachtliebenden Königes der Juden mit denen die
sich auf dem Dache desselben vertheidigten in kürzester Zeit
vernichtet war.
Dass aber dieser Gebrauch des Ueberziehens der Metalle mit
einer deckenden und die Poren verschliessenden Emailkruste nicht
Erfindung der Spätzeit sondern ursprünglich sei, ergibt sich aus
den ältesten Metallwerken Aegyptens, deren merkwürdig gute
Erhaltung dem ihm gegebenen Ueberzuge zugeschrieben wird.
Diese Gegenstände behalten selbst in den feuchten Museen des
Nordens, wo sie jetzt aufbewahrt werden, ihre Glätte und ihren
milden Glanz. Andere scheinen durch einen künstlichen Oxy-
dationsprozess preparirt und dann überzogen worden zu sein. 1
Wie dieser Prozess des Emaillirens der Goldoberflächen mit
durchsichtigen bunten Farben auch bei den Griechen, und zwar
zu Phidias Zeit und von ihm, geübt wurde, wie die höchste Kunst
sich dieses Mittels zu der Erreichung der ausgesuchtesten Wir-
kungen bediente, darüber wird später noch Einiges zu bemerken
1 Wilkinson manners and custpms of the a. Egyptians. Vol. III. p. 253.
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