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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0387
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Textile Kunst. Assyrien.

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greift. Natürlich ist diess eine tertiäre oder noch mehr abgeleitete
Stilmetamorphose. — Von Holz- und Metallinkrustationen haben
sich meines Wissens, äusser einigen Goldplättchen, die kaum
eine andere Bestimmung gehabt haben konnten als diejenige,
irgend einen Stoff, wahrscheinlich Holz, zu bekleiden, keine
Spuren erhalten; wir wissen aber, dass sie in sehr früher Zeit
in Anwendung kamen und dürfen sie auch hier voraussetzen.
Von den tektonischen Theilen des altchaldäischen Stiles, ich
meine von der Säule und dem Dache, dessen Stütze sie ist, wissen
wir direkt gai- nichts, wir müssen darüber alle unsere Vermuthun-
gen auf die späteren gleichfalls sehr ungewissen Daten die der
assyrische, neubabylonische und persische Stil uns bieten be-
gründen. Immerhin ist die Auffindung eines korinthisirenden
Gebälks mit zugehörigem Säulenwerk aus Stuck in Mitten eines
alten chaldäischen Ruinenhaufens eine auffallende Thatsache.
§. 68.
Assyrien.
Eine Reform und ein neues Kraftcentrum erhält der chal-
däische Kulturgedanke an den Ufern des oberen Tigris, dort
wo sich der obere Zab von den Gebirgen des Arrapachitis herab,
das Medien von Assyrien trennt, mit ihm vereinigt. Des neuen
Reichs Begründung knüpft sich an die mythischen Namen des
Asshur und Ninus. Nach einer von Diodor uns erhaltenen Nach-
richt oder Sage soll letzterer, wahrscheinlich ein Lehnsmann des
alten chaldäischen Reiches, mit den wandernden semitischen
Stämmen eine Allianz geschlossen und mit Hülfe dieser kriegeri-
schen Araber die südlichen Städte und das ganze westliche Asien,
mit Ausnahme Indiens und Baktriens, unterjocht haben. Nach der
Befestigung seiner Herrschaft gründete er die Stadt Ninive,
unter deren neue Bewohner er die umliegenden Ländereien ver-
theilte. Nach seinem Tode wird ihm ein Grabmal von unge-
heurer Grösse (nach Ktesias neun Stadien hoch und zehn Stadien
im unteren Durchmesser breit) errichtet.
Die Ueberreste der Werke dieses Stadtbegründers und seiner
Nachfolger (das Reich dauerte nach Rawlinson vom 13. bis in
das 7. Jahrhundert vor Christus) sind es nun die, erst kürzlich
wieder an. das Licht gebracht, uns über die Form der Gesell-
schaft und den Stand der bildenden Künste, wie sie mit geringen
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