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Sieglin, Ernst von; Schreiber, Theodor [Hrsg.]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 1,1): Die Nekropole von Kôm-esch-Schukâfa — Leipzig, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.27160#0184
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KAPITEL XV

162

Katakombe von Souk-el-Wardana4, vermutlich auch jene weitläufige Anlage in Gabbari,
von der Botti noch einen Teil sehen und nach Noacks Photographie bekannt machen
konnte5, in einer späteren Epoche der stolze Gräberbau von Köm-esch-Schukäfa, bei
welchem die möglichst stattliche Entwicklung des Treppenhauses den Grundriss be-
dingte. Wir würden vielleicht eine lehrreiche Parallele zu dieser letzteren Katakombe
in dem dreistöckigen, ebenfalls mit einer breiten, sich gabelnden Treppe versehenen
Grabe der Nekropole von Montaza“ besitzen, wenn dessen Räume genauer erforscht
wären. Aber vor allem zeigen die einst in glänzendem Stuck und in lebhaftesten Farben
prangenden Wände des Grabes von Sidi Gaber7 und die im letzten pompejanischen Stil
dekorierten Grabkammern, welche von den Mitgliedern der Sieglin-Expedition unter-
sucht werden konnten8, wie sehr die griechische Kunst in Alexandrien die Ruhestätten
der Toten zu schmücken liebte.

Völlig verschieden von den Anschauungen des Griechen waren diejenigen des
hellenistischen Aegypters9, für den nicht die Wohnlichkeit der Grabkammer, sondern
die Erhaltung und fortdauernde Pflege des Leichnams, die Sorge für die Mumie und für
den Doppelgänger der Seele (kä) die Hauptsache ist. Diesen Grundgedanken verkündigen
die Grabinschriften an den Wänden und auf den kleinen Räucheraltären, wenn sie dem
Toten wünschen, dass ihm Osiris frisches Wasser geben möge, wenn die Wandbilder
(wie auf der N’ischenplatte im Nebensaal des sogenannten Caracallagrabes Tafel LXIV)
vorführen, wie die im Lebensbaum sitzende Göttin Nut den Verstorbenen durch einen
Wasserstrahl erquickt.10 Die erste Pflicht der Hinterbliebenen ist regelmässige Versorgung
des Toten, das heisst seiner Mumie, mit Speise oder wenigstens mit Trank, mag diese
Ernährung symbolisch in Bild und Inschrift, in stellvertretenden Weihegaben und Wasser-
spenden oder (was nur dem Reichen regelmässig zu wiederholen möglich ist) in wirk-
lichen Speisen erfolgen. Um die Pflichten gegen die Toten zu erfüllen, auch die Gebete
und Rauchopfer angesichts der Mumie darbringen zu können, muss ein Teil des Grabes
nach hellenistischer Anschauung zugänglich bleiben, ja es wird in vielen Fällen ein be-
sonderer Saal freigehalten, der für die Zusammenkunft der Sippe des Toten und der
Totenpriester zur Begehung der Totenfeier an besonderen Tagen des Jahres bestimmt
ist. Dieser Saal nennen wir ihn der Kürze halber den Klagesaal - muss ausreichend
Licht und Luft erhalten und durch eine Treppe zugänglich sein. Drei wesentliche Be-
standteile eines vollständigen, nach ägyptischem Ritus eingerichteten alexandrinischen
Grabes sind damit gegeben: Der Klagesaal, der Lichtschacht und die in denselben ein-
mündende Treppe. Da dies auch die Grundmotive der Gräber im Gebiet von Köm-
esch-Schukäfa sind, so untersuchen wir zunächst:

1. DIE BEDEUTUNG DES LICHTSCHACHTES UND DES KLAGESAALES IM ALEXANDRINISCHEN
GRÄBERBAU.

Wie wir uns eine solche Anlage in einfachster Form zu denken haben, zeigt jetzt
das 1901 an der Anfuschibucht entdeckte, nachstehend abgebildete Grab (Typus a),
 
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