SIMPL IN DRUCK
/ch bemühe mich ja sehr, aber es will mit der Klug-
heit nicht werden.
Politisch will ich werden.
Und schon hakt es aus. Was ist das: politisch, Po-
litik ? Vielleicht gibt es das gar nicht in uns Deutschen,
sonst hätte für diese Sache die deutsche Sprache sicher
einmal ein Wort gefunden.
Die nicht „teutonischen" Völkerstämme haben das
anscheinend eher. Dort muß es eine Art Zusammen-
arbeiten sein. In ehemalig Deutschland merkt man
nur, da will die eine Partei immer die andere mög-
lichst, wenn nicht überhaupt, ganz beseitigt sehen;
dann bliebe eben wieder eine Partei, also ... das
kenne ich zur Genüge.
Ich komme bei so vielem nicht mit. Wenn ein Stadt-
oberhaupt alle zum Eintrittin seine Partei auffordert,
als das einzig beste, was macht er mit denen, die nicht
kommen? Ist er mit denen böse? Bekommen die
keine Brötchen?
Ja, und dann .. . Unitarismus, Separatismus, Föde-
ralismus, Marxismus, Liberalismus, Zentralismus,
Radikalismus, Partikularismus, Anarchismus! Merkt
man den Worten an, es geht ums Volk? Politisch
zu werden ist ungemein schwer. Besonders, da bei
der Bücherknappheit kein küchenlatein-griechisches
Wörterbuch zu erhalten ist.
Manchmal wird Nachsicht geübt und erklärt: Union
heißt, wie schon das Wort sagt, Vereinigung ! Warum
dann nicht gleich Vereinigung? Aber kann man seine
Meinung jemandem aufoktroyieren? Man muß das
Seine dafür neu-renovieren.
Was mache ich nur? Ich komme da nicht mit. Mo-
mentan kocht auch das nasse Holz im Ofen, raucht
und benimmt mein Hirn. Vielleicht gründe ich eine
Partei der Kann-nicht-Mitisten, oder besser Mitizi-
sten, auf ein paar Silben kommt es nicht an, klin-
geln muß es.
Ich bin zu einfältig, ich meine, wenn jeder Mensch
aus innerem Herzen heraus das Rechte tut, so gibt
es doch keine Zersplitterung, sondern Hand-in-Hand-
Arbeiten.
Und was das „Rechte" ist, weiß jeder genau, er mag
es sich nur oft um Vorteile willen nicht eingestehen.
Jede Kaste für sich, aber miteinander, nicht gegen-
einander oder untereinander, denn alle sind nötig,
damit das Werk läuft.
Ich gründe doch eine Partei, eine Partei der Ein-
fältigen: Die Menschheits-Partei! Mit dem Pro-
gramm: Wir wollen wahrhafte Menschen sein.
(Aber da macht ja doch wieder keiner mit.)
Der Simpl
KÄSTNERS VORSCHAU 1931
Wie ihr s euch träumt...
Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärts drehen
und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf.
Dreht an der Uhr. Die Zeit hält niemand auf.
Nur eure Uhr wird nicht mehr richtig gehen.
Wie ihr's euch träumt, wird Deutschland
nicht erwachen.
Denn ihr seid dumm und seid
nicht auserwählt.
Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:
Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen.
Wir gehen dazu über, billigere Ausstellungswärter
anzustellen.
AUS DEM TAGEBUCH
EINES HITLERJUNGEN
Schon zwölf Jahre alt, und noch nichts für die
Unsterblichkeit getan! Daß ich noch keinen Ju-
den umgelegt habe, macht mich oft traurig.
Heute habe ich die Fähnleinsführerin sexuell
aufgeklärt. Sie war starr und konnte nicht
glauben. Und ein so dummes Weib will Kin-
der bekommen!
Unser Klassenprofessor ist ein Rindvieh. Ein
Bursche, der nicht einmal die Abzeichen eines
Obersturmführers kennt, will Lehrer der Ju-
gend sein! Er gehört in ein Schulungslager!
Wenn ich ein schlechtes Schulzeugnis nach
Hause bringe, ziehe ich immer Uniform an.
Vater wird sich hüten, mein Ehrenkleid zu ver-
hauen!
91
Mein höchster Gedanke wäre es, für den Füh-
rer zu sterben. Aber wie macht man das?
Mein Freund Wolfgang hat mir heute gestan-
den, daß er durch seine Urgroßmutter jüdisch
versippt ist. Schade — habe das Schwein im-
mer für einen anständigen Kerl gehalten!
Ich habe in meiner Schulklasse eine Gestapo
gegründet. Dem Kommunisten Haselberger
haben wir bereits das Nasenbein zertrümmert.
Ich habe im Konversationslexikon nachge-
schlagen, was „Pubertät" ist. Durch unseren
Führer bin ich es schon drei Jahre früher. Heil!
*
Vater hat heute gesagt, gegen Göbbels Maul
sei ein Maschinengewehr ein Kinderspielzeug.
Jetzt habe ich den alten Trottel in der Hand!
Er soll mir nur einmal eine Maulschelle geben!
*
Ich habe immer den Verdacht, daß unser Re-
ligionslehrer an den lieben Gott glaubt. Ob ich
den sturen Ochsen nicht doch endlich einmal
aufklären soll? A.W.
BAGATELLEN DES ALLTAGES
„Was gibt's denn da, Frau Kranabichler? Steh'n ja
scho' hundert Menschen Schlange!"
„Was werd's geb'n? Salzhäring' gibt's auf Marke
sicmazwanzig."
„Oh mei', Salzhäring', so a G'lump, so a greislich's!
Aber sehn S', so is: für d' Suppen fehlt's Salz, aber für
die Häring' is zentnerweis' da. Das ist keine Organi-
sation nicht, wia ma so sagt. Und Überhaupts, wia vui
Kalorien werd so a Fisch scho' hab'n? I schätz' auf
drei. Auf mehr net. Und wissen S', wia vui a Kalbs-
haxen g'habt hat? Dreihundert! Dazu kommt noch das
Folgende: Früher hast halt auf so an' Häring zwoa
Maß Vollbier trunka. War'n aa wieder so fuchz'g Kalo-
rien. Und was is heut'? An die Wasserleitung darfst
di hi'schraub'n, balst net verdurschten willst. Und im
Wasser san koane Kalorien nicht d'rin."
„Jawoi, und ein ungesundes Essen is so a Häring.
Hab einen Herrn gekannt, der hat fünf Stück 'gessen.
Steinmeisel hat er si g'schrieb'n, der Herr, oder na,
daß i net lüag, Kronseder hat er g'hoaßen. Auf oamoi
werd er ganz blaß, und auf dem Weg zur Wasserlei-
tung trifft ihn der Schlag. Das Salz hat ihm siebenund-
zwanzig Löcher durch den Magen gebrannt. Könna a
achtundzwan'g g'wen sei, dös woaß i net so genau.
Sechsadacht'g Jahr' erseht alt, und hat an Salzhäring'
sterb'n müassen. Ein trauriger Fall!"
„Und nicht der einzige. Möcht' net wissen, wia vui
Menschen an Salzhäring' scho' g'schtorb'n san. Aber
darüber macht der Staat keine Statistik nicht. Warum?
Weil nicht Unruhe in die Bevölkerung getragen wer-
den soll. Ein Schwammerlweib, wo einen giftigen Pilz
verkauft, kriagt G'fängnis, der Fischhändler aber, der
mit seine Salzbrocka unzählige Menschenleben vernich-
tet, geht frei aus."
„So is. Aber ich kenne ein Rezept, das den Salz-
häring unschädlich macht: Nachdem man den Häring
enthäutet und ausgenommen hat, wässere man ihn zwei
Wochen lang in Schwefelsäure. Sodann vergrabe man
den Fisch zwei Meter tief und bedecke ihn mit Chlor-
kalk!"
„A guat's Rezept, aber so a Viech riacht ja no' aus
der Gruab'n 'raus, den G'ruch bringst net o. Ein Fall:
Zwoa Wocha nachdem i Salzhäring' zuag'richt' hab,
sagt mei Mann zu mir: „I woaß net", sagt er, „der
Apfelstrudel schmeckt nach Salzhäring'!" Müßtast je-
desmoi in das städtische Brausebad geh'n, balst einen
Salzhäring zuag'richt' hast.
„Hilft aa nix. Am besten is, balst di mit Putzsand
bis zu die Füaß 'runter abschrubbst und's Kleid, wo'st
ang'habt hast, verbrennst.--Werd scho' kürzer, die
Schlange. Zwoa Stund no', nacha san ma drin im La-
den. Steh'n scho' wieder fuchz'g Menschen hinter
uns o."
„Und wia vui davo' werd'n am Leb'n bleib'n? Mehr
net, als die Hälfte. Von die andern kannst sag'n, sie
wurden das Opfer einer falschen Wirtschaftspolitik.
Denn, wo san die Karpfen, die Hecht', die Forell'n?
Wo san die Schleien, die Renken, die Barsch? Aus-
g'roast sans aus Bayern. Wohi'? Dös woaß koa Mensch
net. Dös hoaßt, i woaß scho', aber i sag's net. Nach
Norden san's ganga. Die Bayern san ja guat gnua da-
für, daß sie sich mit Salzhäring' vergiften lassen."
„Wia lang steh'n ma jetzt scho' da?"
„Drei Stunden san's bald. No ja, acht Menschen nur
mehr vor uns, nacha harn ma's dapackt. Papier hab' i
aa zum Einwickeln, jetzt kann nix mehr passier'n. —
Was — was schreit die Frau da aus dem Laden 'raus?
Ausverkauft? Die Salzhäring san ausverkauft? ja gibt's
denn so was aa?"
„Jawoi, dös gibt's, und mir san die Ausg'schmierten.
Man soll's nicht glaub'n. Sie, das schreib' ich dem
Herrn Ministerpräsadenten. „Herr Präsadent", schreib'
ich, „indem, daß ich keinen Salzhäring nicht bekom-
men habe, lege ich Beschwerde ein. Ich bestehe auf dem
Bezug der mir zustehenden Kalorien. So kann das nicht
weitergehen, bal nicht Unruhe in weite Kreise des
Volkes getragen werden soll." Da könnten S' aber
sehg'n, wia der Herr Ministerpräsadent auf'n Tisch
'nei haut! Oans — zwoa — drei — is er beim Fisch-
händler, der Högner, und sagt: „Da habe ich den Brief
einer gewissen Frau Kranabichler erhalten!" Sie, der
Fischhändler hat nix zu lachen!"
„Wenn ma' so denkt — a Salzhäring, guat g'wässert,
über Nacht in Milli g'legt und mit Zwiefi ang'macht,
dazua a Majannäs und Erdäpfi — das ist eine Delika-
tesse, wia ma sagt."
„Und ein kräftiges Essen, indem der Fisch Phosphor
enthält, wissen S' dös Zeug, wo auf die Zündhölzeln
ob'n d'rauf is. Und das macht starke Knochen. — Das
nächste Moi stell' i mi scho' um drei Uhr in der Früh
o, denn für so a guat's Essen muaß der Mensch a Opfer
bringa." A. Wisbeck
/ch bemühe mich ja sehr, aber es will mit der Klug-
heit nicht werden.
Politisch will ich werden.
Und schon hakt es aus. Was ist das: politisch, Po-
litik ? Vielleicht gibt es das gar nicht in uns Deutschen,
sonst hätte für diese Sache die deutsche Sprache sicher
einmal ein Wort gefunden.
Die nicht „teutonischen" Völkerstämme haben das
anscheinend eher. Dort muß es eine Art Zusammen-
arbeiten sein. In ehemalig Deutschland merkt man
nur, da will die eine Partei immer die andere mög-
lichst, wenn nicht überhaupt, ganz beseitigt sehen;
dann bliebe eben wieder eine Partei, also ... das
kenne ich zur Genüge.
Ich komme bei so vielem nicht mit. Wenn ein Stadt-
oberhaupt alle zum Eintrittin seine Partei auffordert,
als das einzig beste, was macht er mit denen, die nicht
kommen? Ist er mit denen böse? Bekommen die
keine Brötchen?
Ja, und dann .. . Unitarismus, Separatismus, Föde-
ralismus, Marxismus, Liberalismus, Zentralismus,
Radikalismus, Partikularismus, Anarchismus! Merkt
man den Worten an, es geht ums Volk? Politisch
zu werden ist ungemein schwer. Besonders, da bei
der Bücherknappheit kein küchenlatein-griechisches
Wörterbuch zu erhalten ist.
Manchmal wird Nachsicht geübt und erklärt: Union
heißt, wie schon das Wort sagt, Vereinigung ! Warum
dann nicht gleich Vereinigung? Aber kann man seine
Meinung jemandem aufoktroyieren? Man muß das
Seine dafür neu-renovieren.
Was mache ich nur? Ich komme da nicht mit. Mo-
mentan kocht auch das nasse Holz im Ofen, raucht
und benimmt mein Hirn. Vielleicht gründe ich eine
Partei der Kann-nicht-Mitisten, oder besser Mitizi-
sten, auf ein paar Silben kommt es nicht an, klin-
geln muß es.
Ich bin zu einfältig, ich meine, wenn jeder Mensch
aus innerem Herzen heraus das Rechte tut, so gibt
es doch keine Zersplitterung, sondern Hand-in-Hand-
Arbeiten.
Und was das „Rechte" ist, weiß jeder genau, er mag
es sich nur oft um Vorteile willen nicht eingestehen.
Jede Kaste für sich, aber miteinander, nicht gegen-
einander oder untereinander, denn alle sind nötig,
damit das Werk läuft.
Ich gründe doch eine Partei, eine Partei der Ein-
fältigen: Die Menschheits-Partei! Mit dem Pro-
gramm: Wir wollen wahrhafte Menschen sein.
(Aber da macht ja doch wieder keiner mit.)
Der Simpl
KÄSTNERS VORSCHAU 1931
Wie ihr s euch träumt...
Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärts drehen
und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf.
Dreht an der Uhr. Die Zeit hält niemand auf.
Nur eure Uhr wird nicht mehr richtig gehen.
Wie ihr's euch träumt, wird Deutschland
nicht erwachen.
Denn ihr seid dumm und seid
nicht auserwählt.
Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:
Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen.
Wir gehen dazu über, billigere Ausstellungswärter
anzustellen.
AUS DEM TAGEBUCH
EINES HITLERJUNGEN
Schon zwölf Jahre alt, und noch nichts für die
Unsterblichkeit getan! Daß ich noch keinen Ju-
den umgelegt habe, macht mich oft traurig.
Heute habe ich die Fähnleinsführerin sexuell
aufgeklärt. Sie war starr und konnte nicht
glauben. Und ein so dummes Weib will Kin-
der bekommen!
Unser Klassenprofessor ist ein Rindvieh. Ein
Bursche, der nicht einmal die Abzeichen eines
Obersturmführers kennt, will Lehrer der Ju-
gend sein! Er gehört in ein Schulungslager!
Wenn ich ein schlechtes Schulzeugnis nach
Hause bringe, ziehe ich immer Uniform an.
Vater wird sich hüten, mein Ehrenkleid zu ver-
hauen!
91
Mein höchster Gedanke wäre es, für den Füh-
rer zu sterben. Aber wie macht man das?
Mein Freund Wolfgang hat mir heute gestan-
den, daß er durch seine Urgroßmutter jüdisch
versippt ist. Schade — habe das Schwein im-
mer für einen anständigen Kerl gehalten!
Ich habe in meiner Schulklasse eine Gestapo
gegründet. Dem Kommunisten Haselberger
haben wir bereits das Nasenbein zertrümmert.
Ich habe im Konversationslexikon nachge-
schlagen, was „Pubertät" ist. Durch unseren
Führer bin ich es schon drei Jahre früher. Heil!
*
Vater hat heute gesagt, gegen Göbbels Maul
sei ein Maschinengewehr ein Kinderspielzeug.
Jetzt habe ich den alten Trottel in der Hand!
Er soll mir nur einmal eine Maulschelle geben!
*
Ich habe immer den Verdacht, daß unser Re-
ligionslehrer an den lieben Gott glaubt. Ob ich
den sturen Ochsen nicht doch endlich einmal
aufklären soll? A.W.
BAGATELLEN DES ALLTAGES
„Was gibt's denn da, Frau Kranabichler? Steh'n ja
scho' hundert Menschen Schlange!"
„Was werd's geb'n? Salzhäring' gibt's auf Marke
sicmazwanzig."
„Oh mei', Salzhäring', so a G'lump, so a greislich's!
Aber sehn S', so is: für d' Suppen fehlt's Salz, aber für
die Häring' is zentnerweis' da. Das ist keine Organi-
sation nicht, wia ma so sagt. Und Überhaupts, wia vui
Kalorien werd so a Fisch scho' hab'n? I schätz' auf
drei. Auf mehr net. Und wissen S', wia vui a Kalbs-
haxen g'habt hat? Dreihundert! Dazu kommt noch das
Folgende: Früher hast halt auf so an' Häring zwoa
Maß Vollbier trunka. War'n aa wieder so fuchz'g Kalo-
rien. Und was is heut'? An die Wasserleitung darfst
di hi'schraub'n, balst net verdurschten willst. Und im
Wasser san koane Kalorien nicht d'rin."
„Jawoi, und ein ungesundes Essen is so a Häring.
Hab einen Herrn gekannt, der hat fünf Stück 'gessen.
Steinmeisel hat er si g'schrieb'n, der Herr, oder na,
daß i net lüag, Kronseder hat er g'hoaßen. Auf oamoi
werd er ganz blaß, und auf dem Weg zur Wasserlei-
tung trifft ihn der Schlag. Das Salz hat ihm siebenund-
zwanzig Löcher durch den Magen gebrannt. Könna a
achtundzwan'g g'wen sei, dös woaß i net so genau.
Sechsadacht'g Jahr' erseht alt, und hat an Salzhäring'
sterb'n müassen. Ein trauriger Fall!"
„Und nicht der einzige. Möcht' net wissen, wia vui
Menschen an Salzhäring' scho' g'schtorb'n san. Aber
darüber macht der Staat keine Statistik nicht. Warum?
Weil nicht Unruhe in die Bevölkerung getragen wer-
den soll. Ein Schwammerlweib, wo einen giftigen Pilz
verkauft, kriagt G'fängnis, der Fischhändler aber, der
mit seine Salzbrocka unzählige Menschenleben vernich-
tet, geht frei aus."
„So is. Aber ich kenne ein Rezept, das den Salz-
häring unschädlich macht: Nachdem man den Häring
enthäutet und ausgenommen hat, wässere man ihn zwei
Wochen lang in Schwefelsäure. Sodann vergrabe man
den Fisch zwei Meter tief und bedecke ihn mit Chlor-
kalk!"
„A guat's Rezept, aber so a Viech riacht ja no' aus
der Gruab'n 'raus, den G'ruch bringst net o. Ein Fall:
Zwoa Wocha nachdem i Salzhäring' zuag'richt' hab,
sagt mei Mann zu mir: „I woaß net", sagt er, „der
Apfelstrudel schmeckt nach Salzhäring'!" Müßtast je-
desmoi in das städtische Brausebad geh'n, balst einen
Salzhäring zuag'richt' hast.
„Hilft aa nix. Am besten is, balst di mit Putzsand
bis zu die Füaß 'runter abschrubbst und's Kleid, wo'st
ang'habt hast, verbrennst.--Werd scho' kürzer, die
Schlange. Zwoa Stund no', nacha san ma drin im La-
den. Steh'n scho' wieder fuchz'g Menschen hinter
uns o."
„Und wia vui davo' werd'n am Leb'n bleib'n? Mehr
net, als die Hälfte. Von die andern kannst sag'n, sie
wurden das Opfer einer falschen Wirtschaftspolitik.
Denn, wo san die Karpfen, die Hecht', die Forell'n?
Wo san die Schleien, die Renken, die Barsch? Aus-
g'roast sans aus Bayern. Wohi'? Dös woaß koa Mensch
net. Dös hoaßt, i woaß scho', aber i sag's net. Nach
Norden san's ganga. Die Bayern san ja guat gnua da-
für, daß sie sich mit Salzhäring' vergiften lassen."
„Wia lang steh'n ma jetzt scho' da?"
„Drei Stunden san's bald. No ja, acht Menschen nur
mehr vor uns, nacha harn ma's dapackt. Papier hab' i
aa zum Einwickeln, jetzt kann nix mehr passier'n. —
Was — was schreit die Frau da aus dem Laden 'raus?
Ausverkauft? Die Salzhäring san ausverkauft? ja gibt's
denn so was aa?"
„Jawoi, dös gibt's, und mir san die Ausg'schmierten.
Man soll's nicht glaub'n. Sie, das schreib' ich dem
Herrn Ministerpräsadenten. „Herr Präsadent", schreib'
ich, „indem, daß ich keinen Salzhäring nicht bekom-
men habe, lege ich Beschwerde ein. Ich bestehe auf dem
Bezug der mir zustehenden Kalorien. So kann das nicht
weitergehen, bal nicht Unruhe in weite Kreise des
Volkes getragen werden soll." Da könnten S' aber
sehg'n, wia der Herr Ministerpräsadent auf'n Tisch
'nei haut! Oans — zwoa — drei — is er beim Fisch-
händler, der Högner, und sagt: „Da habe ich den Brief
einer gewissen Frau Kranabichler erhalten!" Sie, der
Fischhändler hat nix zu lachen!"
„Wenn ma' so denkt — a Salzhäring, guat g'wässert,
über Nacht in Milli g'legt und mit Zwiefi ang'macht,
dazua a Majannäs und Erdäpfi — das ist eine Delika-
tesse, wia ma sagt."
„Und ein kräftiges Essen, indem der Fisch Phosphor
enthält, wissen S' dös Zeug, wo auf die Zündhölzeln
ob'n d'rauf is. Und das macht starke Knochen. — Das
nächste Moi stell' i mi scho' um drei Uhr in der Früh
o, denn für so a guat's Essen muaß der Mensch a Opfer
bringa." A. Wisbeck
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Ein alter Scherben"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 1, S. 8.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg