MÜNCHENER KÜNSTLE Ii SORGEN
Es heißt, das Leben sei ernst und heiter die Kunst.
Mag das nun zutreffen, oder mag es sich umgekehrt
verhalten, eines ist jedenfalls gewiß: Das Kunst-
Leben ist eine Tragikomödie. Nun, da wir Maler, ein-
mal wieder arbeiten könnten, wie wir wollen, da wir
wieder ausstellen könnten, was wir wollen, — jetzt
sind uns unsere Bilder verbrannt und unsere Arbeits-
stätten verwüstet, jetzt liegen unsere Farben und
Pinsel unter den Trümmern und unsere Ausstel-
lungsgebäude sind ohne Dächer. Freilichtausstellun-
„trööstlicher Gedanke!" —gezeigt wurde, ist ja un-
sere Sache sowieso nicht. Nur-große Zeiten bringen
solche Kunst hervor; damit müssen wir uns abfinden.
Triptychen wird man in Zukunft nicht mehr malen
können; dazu reicht das Malmaterial nicht aus. Auch
die „Vier Elemente" auf einmal beherrschen zu wol-
len, ist unzulässig. Es ist auch besser, man befaß t sich
nacheinander mit den einzelnen Grundelementen
der Kunst.
Unter den Münchener Künstlern herrscht z. Z. einige
Meinungsverschiedenheit: Soll man eine Dachorga-
nisation für alle Kulturschaffenden bilden oder soll
man zunächst einmal ein Dach errichten unter dem
die Maler und Bildhauer ihre Werke zeigen können ?
Letzteres scheint tatsächlich vorläufig die dring-
lichere Sorge.
Die Kollegen der anderen Fakultäten fanden ja vor-
erst im Kellergeschoß des Künstlerhauses notdürftig
Berufenen ihren Auftrag von oben erhalten, thronen
sie ganz in den Wolken, die ihre Heimat sind. Ach,
brauchten sie nur nicht manchmal einen Material-
bezugschein oder einen anderen Ausweis!
Farben und Leinwand, Ton und Gips sind rar
geworden. Aber es gilt vorerst, sich mit dem wenigen
zu behelfen, Mit dem Farbenbeschaffen ist es übri-
gens so schlimm nicht, weil man sich ziemlich auf
zwei Farben beschränken kann, die als ausgespro-
chene Modefarben gelten können. Die eine ist das
Schwarz, sie ist die dankbarste und man kommt damit
am weitesten, die andere ist das Rot. Es wird sich
auch bald zeigen, in welcher Verteilung diese künftig
am vorteilhaftesten verwendet werden. Auf alle Fälle
aber vermeide man dabei die Vermischung zu Braun,
einen Ton, der gänzlich aus der Mode gekommen
ist, ja, unser heutiges Auge geradezu beleidigt.
Eine gesonderte Behandlung verdienen jene Künst-
ler, die aus der großen Ära herüberkommen und sich
nun in dieser kleinen Zeit geradezu verlassen und
heimatlos fühlen. Ihnen sollte geholfen werden, und
zwar rasch. Für sie — an große Aufträge gewöhnt —
wurden die Kirchen und andere Kulturbauten von
dem überalterten Kram befreit. Nun handelt es sich
darum, daß sie von den einzelnen Stellen die not-
wendigen Befürwortungen und NachweiseTür Ma-
terialscheine bekommen, daß sie für ihre großen Auf-
gaben freigestellt werden und nicht etwa Holz fällen
müssen usw. Sie haben zur Genüge ihre monumen-
tale Gesinnungund Kraft bewiesen, und ihnenmüssen
auch in Zukunft die großen Aufträge — sobald es
solche wieder geben kann — verbleiben. Haben
gen und Freiluftateliers stünden allenfalls noch zur
Verfügung, eignen sich aber wenig für unser baye-
risches Klima.
Das kärgliche Material zwingt uns zum Kleinstformat,
— wie sollen wir da mit den verflossenen Großmei-
stern wetteifern können! Sollen wir bitten: Laßt uns
soundsoviel Jahre Zeit ? Nein, wir müssen uns räum-
lich beschränken, aber auch im bescheidenen For-
mat unser Können beweisen. Übrigens sind auch
einige der Großmeister der stolzen Vorzeit etwas
kleiner geworden. Es geht ja schließlich nichtum das
Format der Bilder, sondern um das Format des
Künstlers. So große Kunst, wie vormals in dem heute
noch erhaltenen einzigen Haus der Kunst — ein
Unterschlupf. Dort regte sich übrigens schon wieder
allerlei in den Ruinen; es machte sich dort erfreu-
licherweise schon wieder allerhand breit. Sogar die
Kameraden von Bühne und Film, die doch für ge-
wöhnlich etwas scheu und zurückhaltend sind, ließen
sich gelegentlich sehen. Übrigens waren in fried-
lichem Vereine Vertreter aller Richtungen hier zu
treffen, besonders aber Vertreter der nördlichen Rich-
tung. Doch leider war es nur ein kurzer Traum.
Man hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
andere darauf eine Anwartschaft als jene mutigen
Kämpfer, die jenseits aller Parteien — und ihrer
Gliederungen — in treuester Gefolgschaft den gera-
den Weg marschierten hinter der Standarte der ein-
zig ewigen Kunst ?
Dem gewöhnlichen Handwerker der Kunst geziemt
Bescheidenheit; seine Devise sei: Edle Einfalt und
stille Größe.
Am regsten im Organisieren sind aber doch — wie
sich das für München gehört — die Maler und Bild-
hauer, und sie haben auch als erste einen Berufsver-
band geschaffen. Es ist nur schade, daß die wirklich
Berufenen oft noch abseits stehen. Aber gerade sie
haben ja bekanntlich eine gewisse Scheu vor solchen
banausischen Bindungen und den kleinlichen Fragen
des Lebens; solche Fragen lassen sie am liebsten
unbeantwortet. Da sie als die Auserwählten und
Text: Fritz Burkhardt
Zeichnungen: Max Radler
Es heißt, das Leben sei ernst und heiter die Kunst.
Mag das nun zutreffen, oder mag es sich umgekehrt
verhalten, eines ist jedenfalls gewiß: Das Kunst-
Leben ist eine Tragikomödie. Nun, da wir Maler, ein-
mal wieder arbeiten könnten, wie wir wollen, da wir
wieder ausstellen könnten, was wir wollen, — jetzt
sind uns unsere Bilder verbrannt und unsere Arbeits-
stätten verwüstet, jetzt liegen unsere Farben und
Pinsel unter den Trümmern und unsere Ausstel-
lungsgebäude sind ohne Dächer. Freilichtausstellun-
„trööstlicher Gedanke!" —gezeigt wurde, ist ja un-
sere Sache sowieso nicht. Nur-große Zeiten bringen
solche Kunst hervor; damit müssen wir uns abfinden.
Triptychen wird man in Zukunft nicht mehr malen
können; dazu reicht das Malmaterial nicht aus. Auch
die „Vier Elemente" auf einmal beherrschen zu wol-
len, ist unzulässig. Es ist auch besser, man befaß t sich
nacheinander mit den einzelnen Grundelementen
der Kunst.
Unter den Münchener Künstlern herrscht z. Z. einige
Meinungsverschiedenheit: Soll man eine Dachorga-
nisation für alle Kulturschaffenden bilden oder soll
man zunächst einmal ein Dach errichten unter dem
die Maler und Bildhauer ihre Werke zeigen können ?
Letzteres scheint tatsächlich vorläufig die dring-
lichere Sorge.
Die Kollegen der anderen Fakultäten fanden ja vor-
erst im Kellergeschoß des Künstlerhauses notdürftig
Berufenen ihren Auftrag von oben erhalten, thronen
sie ganz in den Wolken, die ihre Heimat sind. Ach,
brauchten sie nur nicht manchmal einen Material-
bezugschein oder einen anderen Ausweis!
Farben und Leinwand, Ton und Gips sind rar
geworden. Aber es gilt vorerst, sich mit dem wenigen
zu behelfen, Mit dem Farbenbeschaffen ist es übri-
gens so schlimm nicht, weil man sich ziemlich auf
zwei Farben beschränken kann, die als ausgespro-
chene Modefarben gelten können. Die eine ist das
Schwarz, sie ist die dankbarste und man kommt damit
am weitesten, die andere ist das Rot. Es wird sich
auch bald zeigen, in welcher Verteilung diese künftig
am vorteilhaftesten verwendet werden. Auf alle Fälle
aber vermeide man dabei die Vermischung zu Braun,
einen Ton, der gänzlich aus der Mode gekommen
ist, ja, unser heutiges Auge geradezu beleidigt.
Eine gesonderte Behandlung verdienen jene Künst-
ler, die aus der großen Ära herüberkommen und sich
nun in dieser kleinen Zeit geradezu verlassen und
heimatlos fühlen. Ihnen sollte geholfen werden, und
zwar rasch. Für sie — an große Aufträge gewöhnt —
wurden die Kirchen und andere Kulturbauten von
dem überalterten Kram befreit. Nun handelt es sich
darum, daß sie von den einzelnen Stellen die not-
wendigen Befürwortungen und NachweiseTür Ma-
terialscheine bekommen, daß sie für ihre großen Auf-
gaben freigestellt werden und nicht etwa Holz fällen
müssen usw. Sie haben zur Genüge ihre monumen-
tale Gesinnungund Kraft bewiesen, und ihnenmüssen
auch in Zukunft die großen Aufträge — sobald es
solche wieder geben kann — verbleiben. Haben
gen und Freiluftateliers stünden allenfalls noch zur
Verfügung, eignen sich aber wenig für unser baye-
risches Klima.
Das kärgliche Material zwingt uns zum Kleinstformat,
— wie sollen wir da mit den verflossenen Großmei-
stern wetteifern können! Sollen wir bitten: Laßt uns
soundsoviel Jahre Zeit ? Nein, wir müssen uns räum-
lich beschränken, aber auch im bescheidenen For-
mat unser Können beweisen. Übrigens sind auch
einige der Großmeister der stolzen Vorzeit etwas
kleiner geworden. Es geht ja schließlich nichtum das
Format der Bilder, sondern um das Format des
Künstlers. So große Kunst, wie vormals in dem heute
noch erhaltenen einzigen Haus der Kunst — ein
Unterschlupf. Dort regte sich übrigens schon wieder
allerlei in den Ruinen; es machte sich dort erfreu-
licherweise schon wieder allerhand breit. Sogar die
Kameraden von Bühne und Film, die doch für ge-
wöhnlich etwas scheu und zurückhaltend sind, ließen
sich gelegentlich sehen. Übrigens waren in fried-
lichem Vereine Vertreter aller Richtungen hier zu
treffen, besonders aber Vertreter der nördlichen Rich-
tung. Doch leider war es nur ein kurzer Traum.
Man hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
andere darauf eine Anwartschaft als jene mutigen
Kämpfer, die jenseits aller Parteien — und ihrer
Gliederungen — in treuester Gefolgschaft den gera-
den Weg marschierten hinter der Standarte der ein-
zig ewigen Kunst ?
Dem gewöhnlichen Handwerker der Kunst geziemt
Bescheidenheit; seine Devise sei: Edle Einfalt und
stille Größe.
Am regsten im Organisieren sind aber doch — wie
sich das für München gehört — die Maler und Bild-
hauer, und sie haben auch als erste einen Berufsver-
band geschaffen. Es ist nur schade, daß die wirklich
Berufenen oft noch abseits stehen. Aber gerade sie
haben ja bekanntlich eine gewisse Scheu vor solchen
banausischen Bindungen und den kleinlichen Fragen
des Lebens; solche Fragen lassen sie am liebsten
unbeantwortet. Da sie als die Auserwählten und
Text: Fritz Burkhardt
Zeichnungen: Max Radler
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Münchner Künstlersorgen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 1, S. 10.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg