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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0014
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DAS HEILIGE GLEICHGEWICHT

Es gibt Begriffe, die meist nicht als richtig feststehendes
Bild in uns leben, die vielmehr ewig von einer Schicht
halbdunklen Nebels umhüllt scheinen. Begriffe, wie Geist,
Verstand, Gefühl, Empfindung, stehen seit wahrscheinlich
sehr langer Zeit fest, doch in jedem Menschen haben sie
einen besonderen Nachklang oder Beiklang. Es sind wohl
nur Schattierungen, aber es geht um die Grundbegriffe des
Lebens und wie soll man einander verstehen, wenn gerade
die Grundbegriffe nicht klar und eindeutig sind.
Noch schlimmer ist es, wenn Begriffe aus einer gewissen
Tendenz künstlich vernebelt, „umgewertet" werden. Die
Wahrheit ist klar und eindeutig, die Lüge dunkel und
zweifelhaft. Die größten Verbrechen werden nicht durch
gerade und klare Taten, sondern durch hinterhältige Halb-
liigcn und künstlichen Nebel verübt, bis die arme Kreatur
Mensch nicht mehr weiß, wo aus und ein, wo Wahrheit
und Lüge. Wenn er nun so halbverdunkelt dasteht und
nicht den richtigen, klaren Weg weiß, ist die Sache leicht,
er ist offen für alles Üble.

In den letzten Jahren geschah auf diesem Wege auch
Einiges. Es wurde nicht gesagt, der Geist wird ausgerottet.
Nein, das wäre zu gerade gewesen und dagegen hätten
einige doch Einspruch erhoben. Man hat nur so lange den
Begriff Geist für eine rein körperliche, nervliche Ange-
legenheit angewandt, daß man unter geistiger Tat nur eine
Tat, die bloß in den Windungen des menschlichen Gehirns
ihren Ursprung hatte, verstand. Der befruchtende Strahl
von oben, der eigentliche Kern, wurde langsam „aus-
geschaltet" und unter Geist verstand man nicht viel mehr
als unter Verstand.

So geschah es auch mit der Empfindung. Man war über-
haupt nicht mehr klar, was Gefühl und was Empfindung
ist. Man ließ etwas gelten, was weder als Gefühl, das
aus einem gesunden Menschenkörper einfach und ehrlich
hervorbricht, noch als Empfindung, als Resonanz des Jen-
seitigen, bezeichnet werden konnte. Es war ein pathetisch
betontes, durch Schlagworte großgeblasenes Etwas, was
weder das eine noch das andere, noch eine Mischung von
beiden war, sondern etwas ganz Leeres und wenn man es
näher angeschaut hatte, blieb nichts anderes als Bitterkeit.
Jetzt nun, nach der traurigen Lehre muß man versuchen,
vor allem die Überreste des Gewesenen, die entweder als
Trümmer herumliegen oder noch an den Sachen haften,
wegzuräumen. Wir müssen unsere schönen deutschen
Worte in ihrer ursprünglichen Bedeutung als Begriffe
gelten lassen.

Der Geist ist der Kern, befruchtet durch den Funken
von oben, Empfindung ist Regung des Kernes,

Verstand ist das materielle Werkzeug, abhängig vom
Körper und Nervensystem, Gefühl ist Regung des
Verstandes.

Bei einer Tat nun, die wir auf ihren Ursprung untersuchen
wollen, werden wir noch immer genug zu tun haben, die
Begriffe auseinanderzuhalten, denn die Grenzen sind in
uns verwischt. Aber wenn wir Geist als Geist und Verstand
als Verstand gelten lassen, sind wir bestimmt einen Schritt
weiter. Man hat auch den ehrlichen Willen, das Richtige zu
tun. Aber man muß vorsichtig vorgehen. Es würde falsch
sein, weil das eine Extrem nicht geklappt hat, jetzt in das
andere zu fallen, es wird nicht genügen, das Gegenteil vom
Schlechten zu tun. Hat man das Jenseitige, das Geistige,
bis jetzt auszuschalten versucht und nur den Verstand
gelten lassen, würde man ganz fehl gehen, wenn man jetzt
danach streben würde, das Diesseitige, das Verstandes-
mäßige zu verdrängen.

Jenseits — Diesseits, Gut und Böse, Wohl und Übel, Ja
und Nein — und wie die vielen Gegenpole des Lebens
heißen, die stetig und ständig, überall und jederzeit mit-
einander in Kampf stehen, müssen in diesem Kampfe
bleiben. Denn mit dem Kampf kommt der Mensch weiter
und das Leben ist nur so lange Leben, als es Kampf gibt.
Die Ruhe wäre der Tod, das Nihil, das Nichts. Und das
gibt es nicht. Man müßte versuchen, den goldenen Mittel-
weg zu gehen, doch ist es wohl unvermeidlich, daß der
Mensch fällt, aufsteht und weitergeht und wieder fällt
und wieder von neuem beginnt. Das einzige, was wir tun
können, ist nur, die Waage in möglichstem Gleichgewicht
zu halten, daß sie nicht zu sehr umkippt. Ganz umkippen
kann sie ja nicht, denn das wäre gegen die Gesetze der
Welt, doch bei einem zu heftigen Umschwung gehen Mil-
lionen von Menschenleben darauf.

Das heilige Gleichgewicht. Es heißt nicht, daß die kleine
Zunge der Waage still in der Mitte stehen bleiben soll. Es
schwingt wohl rechts und links, es kämpft der linke Teil
mit dem rechten, das Gute mit dem Bösen, das Negative
mit dem Positiven. Unser Wandeln wäre ein Tappen im
Dunklen mit verbundenen Augen über Klüften, wenn wir
nicht unseren Geist, den lichten Funken hätten, der durch
die Empfindung Gut und Böse erkennen läßt und unseren
freien Willen, um auch durchzusetzen, was wir als richtig
erkannt haben, wozu uns Verstand und Gefühl irdisches
Werkzeug sind. S. Ernst

Chor der Winnie

Wir sitzen nicht auf Thronen. Wir haben dennoch Kronen,
Uns schmeichelt nur der Wind. die schöner als eure sind.

#

Notwendige Antwort auf überflüssig» Fragen

Ich hin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen.
Mich läßt die Heimat nicht fort.
Ich hin wie ein Baum» der ■ in Deutschland gewachsen •
wenn*» sein muß, in Deutschland verdorrt.

*

Mitleid und Perspektive oder: Die Ansicht eines ltaumes

Hier, wo ich stehe, sind wir Winnie,
die Straße und die Zwischenräume
so unvergleichlich groß und breit.
Mein tiott, mir tun die kleinen Bäume
am Ende der Allee entsetzlieh leid !

II. Meyer-Brockmann

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Baum-Epigramm von Erich Kästner"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Meyer-Brockmann, Henry
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 2, S. 14.
 
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