OPFERGANG
M. Radler
Im grünen Wald, im grünen Wald zur Holzaktion
MIT ÜBERWÄLTIGENDER
«STIMMENMEHRHEIT
„Heil Hitler! Darf ich fragen: sind Sie Frau Becker?
Die verwitwete Frau Karoline Becker?"
„Ach, du mein lieber Gott, nun habe ich gehofft, daß
es der Herr Doktor wäre, der mich besucht! Ja, ich
bin Frau Becker und sterbenskrank, wie Sie sehen."
„Ich bemerke es mit schmerzlichem Bedauern, glaube
aber, eine Botschaft an Ihr Krankenlager zu brin-
gen, die Sie aufrichten wird: die nationalsozia-
listische Arbeiterpartei gibt Ihnen durch mich Ge-
legenheit, Ihrer staatsbürgerlichen Pflicht nachzu-
kommen, das heißt, Ihre Stimme in freier, geheimer
Wahl für Adolf Hitler abzugeben. Ein Pfund besten
Ceylon-Kaffees, ein Gesundheitskuchen und ein-
hundert Mark in bar mögen Sie davon überzeugen,
welchen Wert die Partei Ihrer Stimme beimißt. Als
weiteren Beweis parteiamtlicher Anerkennung darf
ich Ihnen eine staatliche Anstellung mit dem Anrecht
auf hinlängliche Altersversorgung in Aussicht stellen."
„Ach, lieber Herr, ich bin schon zu schwach, um
zur Wahl zu gehen. Kann nicht mehr aufstehen . . .
wo nur der Herr Doktor so lange bleibt?"
„Der Gang zur Wahlurne soll Ihnen selbstver-
ständlich erspart werden, liebe Frau. Wir sind doch
keine Barbaren, wie die Sozialdemokraten und Kom-
munisten! Menschliche Barmherzigkeit ist das erste
Gebot unserer Partei. Und alte Frauen sind unserem
Adolf Hitler besonders an das Herz gewachsen. Sehen
Sie hier, in diesem Buch, Seite fünf: ,Adolf Hitler
am Grabe seiner Mutter.' Ergreifend, nicht wahr?"
„Ja — ja — aber, daß er sich dabei photographie-
ren läßt? — Lieber Herr, ich muß bald sterben, es
geht zu Ende mit mir."
„Gut, ich sehe, daß Sie den Gang zur Wahlurne
nicht mehr antreten können. Für diesen Fall habe
ich Ihren Stimmzettel mitgebracht. Ein Kreuzchen in
diesen Kreis eingetragen, und Sie haben damit Ihren
unverbrüchlichen Willen kundgetan, das Reich vor
dem bolschewistischen Chaos zu retten. An Ihnen
liegt es, Frau Becker, dies in letzter Minute zu tun,
denn schon klopft Stalins bluttriefende Faust an
die Pforten des Reiches." — „Werde es nicht mehr
erleben, denn bis dahin bin ich schon im Himmel."
,,Im Himmel? Sind Sie dessen so sicher, gute Frau? '
Wäre es nicht möglich, daß Ihnen der liebe Gott
den Eintritt in den Himmel versagt, weil Sie dem
tapferen Verfechter des christlichen Glaubens, weil
Sie Adolf Hitler Ihre Stimme vorenthalten haben?"
„Hab' mir immer sagen lassen, daß der Hitler an
keinen Gott glaubt und daß er nur den Allmächtigen
anruft, wenn er ihn braucht."
„Gemeine Verleumdung! Hitler ungläubig! Sehen
Sie hier das Bild, Seite acht: ,Hitler verläßt nach
seiner täglichen Morgenandacht die Ludwigskirche1.
Bemerken Sie, wie noch tiefe Andacht über seinen
ernsten Zügen liegt? Das ist Adolf Hitler!"
„Wie er nur immer einen Photographen zur Hand hat?
— Ach lieber Herr, ich werde immer schwächer. Wenn
GOTTFRIED KELLER:
Wenngleich unbemerkt und langsam, so
trägt) eder einzelne Mann durch sein Weg-
bleiben zur allmählichen Abnahme des
Allgemeinen bei und jedenfalls möchte
ich nicht mit Gewalt der sein, auf wel-
chen nichts anhommt!
*
Der festeste Grund für ein Regiment ist die
lebendige Teilnahme des Volkes.
Einem der lügt, und wenn es auch für
die gute Sache wäre, gib niemals deine
Stimme.
Hus „Der IVaMlag" 4866.
der Herr Doktor nicht bald kommt, ist's aus mit mir."
„Mehr Willenskraft, Frau Becker! Zum Sterben ist
noch immer Zeit, wenn Sie das Kreuzchen in den
Kreis gezeichnet haben. Erst dann können Sie mit
dem tröstlichen Gedanken von dieser Welt scheiden,
daß auch Sie Ihr Scherflein für Deutschlands Macht
und Größe beigetragen haben. Ihre Kinder und
Kindeskinder werden es Ihnen dereinst danken."
„Hab' keine Kinder, lieber Herr, hab' nur einen
Hund, meinen alten Buzi."
„Gut, dann wird es Ihnen der Buzi dereinst danken,
denn Hitlers weiches Herz schlägt nicht nur für die
Menschen, sondern auch für die Tiere. Sehen Sie
Bild elf in diesem Buch: ,Hitler spielt mit seinem
Hund.' Wie rührend, nicht wahr? Es ist Hitlers
unverbrüchlicher Wille, ein Altersheim für verwaiste
Hunde zu errichten, sobald es ihm die Wahl er-
möglicht. Und Hitler hält sein Wort!" — „So —
so — das tut er? Ah--ich bin bald hinüber."
„Deshalb rasch zur Stimmabgabe! Hier liegt der
Zettel. Sie brauchen nur in diesen Kreis, auf den
ich deute, ein Kreuz einzutragen."
„Ich sterbe — — sterbe--"
„Zum Donnerwetter, raffen Sie sich auf! Ich werde
dafür Sorge tragen, daß Sie als ,Heldin des Wahl-
tages' eine Beerdigung II. Klasse mit Gesang und
Orgelspiel erhalten, und alljährlich, an Ihrem Sterbe-
tag soll ein Kranz Hitlers auf Ihrem Grab liegen."
„Das Herz läßt aus---"
„Ach was, Sie können noch minutenlange leben,
wenn Sie wollen. Ich habe für alle Fälle eine
Kampferspritze mitgebracht. Eine kleine Injektion,
das rappelt auf.--So--so ■--ist schon
gemacht. Und nun drücke ich Ihnen den Bleistift
zwischen die Finger und führe Ihnen die Hand —"
„Ah---ah---"
„Verdammt, die Spritze hat nicht mehr gewirkt.
Tot! Na ja, ich glaube damit nur den letzten Willen
der Verstorbenen zu erfüllen, wenn ich an ihrer
Stelle das Kreuz selber eintrage.--Fertig! Ruhe
in Frieden! Heil Hitler!" A. W.
IG
M. Radler
Im grünen Wald, im grünen Wald zur Holzaktion
MIT ÜBERWÄLTIGENDER
«STIMMENMEHRHEIT
„Heil Hitler! Darf ich fragen: sind Sie Frau Becker?
Die verwitwete Frau Karoline Becker?"
„Ach, du mein lieber Gott, nun habe ich gehofft, daß
es der Herr Doktor wäre, der mich besucht! Ja, ich
bin Frau Becker und sterbenskrank, wie Sie sehen."
„Ich bemerke es mit schmerzlichem Bedauern, glaube
aber, eine Botschaft an Ihr Krankenlager zu brin-
gen, die Sie aufrichten wird: die nationalsozia-
listische Arbeiterpartei gibt Ihnen durch mich Ge-
legenheit, Ihrer staatsbürgerlichen Pflicht nachzu-
kommen, das heißt, Ihre Stimme in freier, geheimer
Wahl für Adolf Hitler abzugeben. Ein Pfund besten
Ceylon-Kaffees, ein Gesundheitskuchen und ein-
hundert Mark in bar mögen Sie davon überzeugen,
welchen Wert die Partei Ihrer Stimme beimißt. Als
weiteren Beweis parteiamtlicher Anerkennung darf
ich Ihnen eine staatliche Anstellung mit dem Anrecht
auf hinlängliche Altersversorgung in Aussicht stellen."
„Ach, lieber Herr, ich bin schon zu schwach, um
zur Wahl zu gehen. Kann nicht mehr aufstehen . . .
wo nur der Herr Doktor so lange bleibt?"
„Der Gang zur Wahlurne soll Ihnen selbstver-
ständlich erspart werden, liebe Frau. Wir sind doch
keine Barbaren, wie die Sozialdemokraten und Kom-
munisten! Menschliche Barmherzigkeit ist das erste
Gebot unserer Partei. Und alte Frauen sind unserem
Adolf Hitler besonders an das Herz gewachsen. Sehen
Sie hier, in diesem Buch, Seite fünf: ,Adolf Hitler
am Grabe seiner Mutter.' Ergreifend, nicht wahr?"
„Ja — ja — aber, daß er sich dabei photographie-
ren läßt? — Lieber Herr, ich muß bald sterben, es
geht zu Ende mit mir."
„Gut, ich sehe, daß Sie den Gang zur Wahlurne
nicht mehr antreten können. Für diesen Fall habe
ich Ihren Stimmzettel mitgebracht. Ein Kreuzchen in
diesen Kreis eingetragen, und Sie haben damit Ihren
unverbrüchlichen Willen kundgetan, das Reich vor
dem bolschewistischen Chaos zu retten. An Ihnen
liegt es, Frau Becker, dies in letzter Minute zu tun,
denn schon klopft Stalins bluttriefende Faust an
die Pforten des Reiches." — „Werde es nicht mehr
erleben, denn bis dahin bin ich schon im Himmel."
,,Im Himmel? Sind Sie dessen so sicher, gute Frau? '
Wäre es nicht möglich, daß Ihnen der liebe Gott
den Eintritt in den Himmel versagt, weil Sie dem
tapferen Verfechter des christlichen Glaubens, weil
Sie Adolf Hitler Ihre Stimme vorenthalten haben?"
„Hab' mir immer sagen lassen, daß der Hitler an
keinen Gott glaubt und daß er nur den Allmächtigen
anruft, wenn er ihn braucht."
„Gemeine Verleumdung! Hitler ungläubig! Sehen
Sie hier das Bild, Seite acht: ,Hitler verläßt nach
seiner täglichen Morgenandacht die Ludwigskirche1.
Bemerken Sie, wie noch tiefe Andacht über seinen
ernsten Zügen liegt? Das ist Adolf Hitler!"
„Wie er nur immer einen Photographen zur Hand hat?
— Ach lieber Herr, ich werde immer schwächer. Wenn
GOTTFRIED KELLER:
Wenngleich unbemerkt und langsam, so
trägt) eder einzelne Mann durch sein Weg-
bleiben zur allmählichen Abnahme des
Allgemeinen bei und jedenfalls möchte
ich nicht mit Gewalt der sein, auf wel-
chen nichts anhommt!
*
Der festeste Grund für ein Regiment ist die
lebendige Teilnahme des Volkes.
Einem der lügt, und wenn es auch für
die gute Sache wäre, gib niemals deine
Stimme.
Hus „Der IVaMlag" 4866.
der Herr Doktor nicht bald kommt, ist's aus mit mir."
„Mehr Willenskraft, Frau Becker! Zum Sterben ist
noch immer Zeit, wenn Sie das Kreuzchen in den
Kreis gezeichnet haben. Erst dann können Sie mit
dem tröstlichen Gedanken von dieser Welt scheiden,
daß auch Sie Ihr Scherflein für Deutschlands Macht
und Größe beigetragen haben. Ihre Kinder und
Kindeskinder werden es Ihnen dereinst danken."
„Hab' keine Kinder, lieber Herr, hab' nur einen
Hund, meinen alten Buzi."
„Gut, dann wird es Ihnen der Buzi dereinst danken,
denn Hitlers weiches Herz schlägt nicht nur für die
Menschen, sondern auch für die Tiere. Sehen Sie
Bild elf in diesem Buch: ,Hitler spielt mit seinem
Hund.' Wie rührend, nicht wahr? Es ist Hitlers
unverbrüchlicher Wille, ein Altersheim für verwaiste
Hunde zu errichten, sobald es ihm die Wahl er-
möglicht. Und Hitler hält sein Wort!" — „So —
so — das tut er? Ah--ich bin bald hinüber."
„Deshalb rasch zur Stimmabgabe! Hier liegt der
Zettel. Sie brauchen nur in diesen Kreis, auf den
ich deute, ein Kreuz einzutragen."
„Ich sterbe — — sterbe--"
„Zum Donnerwetter, raffen Sie sich auf! Ich werde
dafür Sorge tragen, daß Sie als ,Heldin des Wahl-
tages' eine Beerdigung II. Klasse mit Gesang und
Orgelspiel erhalten, und alljährlich, an Ihrem Sterbe-
tag soll ein Kranz Hitlers auf Ihrem Grab liegen."
„Das Herz läßt aus---"
„Ach was, Sie können noch minutenlange leben,
wenn Sie wollen. Ich habe für alle Fälle eine
Kampferspritze mitgebracht. Eine kleine Injektion,
das rappelt auf.--So--so ■--ist schon
gemacht. Und nun drücke ich Ihnen den Bleistift
zwischen die Finger und führe Ihnen die Hand —"
„Ah---ah---"
„Verdammt, die Spritze hat nicht mehr gewirkt.
Tot! Na ja, ich glaube damit nur den letzten Willen
der Verstorbenen zu erfüllen, wenn ich an ihrer
Stelle das Kreuz selber eintrage.--Fertig! Ruhe
in Frieden! Heil Hitler!" A. W.
IG
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Opfergang"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Im grünen Wald, im grünen Wald zur Holzaktion ..."
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)