WENDUNG ZUM BESSEREN
Jörg Wisbecik
„Dank der vielfachen, übersichtlich angebrachten Hinweise spielt sich nunmehr der Verkehr mit der Behörde reibungslos ab."
DIE BEHORDE
Eine Behörde ist, wenn man nacheinander in fünf ver-
schiedenen Zimmern erfährt, daß man nicht an der zu-
ständigen Stelle ist.
Den Sitz einer Behörde erkennt man meist daran, daß
einem bereits auf der Treppe zornerfüllte Leute entgegen-
kommen, Das ist das Publikum.
Das Publikum dient dazu, die Korridore der Behörde zu
füllen und ihr den Anschein starker Beschäftigung zu
geben. Es verzehrt sich in "Ungeduld und teilweise mit-
gebrachte Brötchen. Schwarze Brötchen. Trocken. Wenn
man weiße Brötchen mit etwas drauf sieht, stammen ihre
Besitzer entweder vom Lande oder sie sprechen eine orts-
unbekannte Sprache.
Manchmal gelingt es einem T:il des Publikums, in da?
gewünschte Zimmer hercinzugelangcn, Ganz wenige er-
wischen sogar auf das erste Mal den richtigen Beamten.
Die Plötzlichkeit dieser unerwarteten Gnade erregt sie
dann meist so, daß sie zu stottern beginnen.
Die Gesetze, nach denen ein Teil des Publikums nach kur-
zem Warten hereinkommt, während der andere Teil nach
langer Wartezeit erfolglos wieder nach Hause wandert, sind
wissenschaftlich noch nicht voll erforscht.
Behörden liegen selten im Parterre. Meist muß man zwei
bis drei Treppen erklimmen, um zu ihnen zu gelangen. Das
ist aas psychologischen Gründen so. Treppensteigen nagt
an Körper und Geist. Im dritten Stock flimmert es einem
vor den Augen und die geistige Spannkraft ist armselig
zusammengeschrumpft.
Oben angelangt, ergeben sich die berühmten zwei Möglich-
keiten.
Entweder wartet man nur kurze Zeit (Gesetze siehe oben),
dann liegt man noch in hartem Kampf mit der Atemnot.
Dadurch ist man dem in geregeltem Gleichmaß atmenden
Behördenangestelltcn in dem erforderlichen Nachteil. Ein
Mensch, der nach Luft ringt, ist in seinem Redefluß pein-
lich gehemmt. Er beschränkt sich daher auf das Sachliche
und vermeidet in der Regel Injurien, um seine Gesund-
heit zu schonen. Wenn er endlich über ordnungsgemäße
Luftzufuhr verfügt, ist er bereits wieder auf dem Korridor.
Oder man wartet lange. Man kommt dann zwar wieder
zu Atem, dafür zittern einem jedoch bald die Knie vom
Stehen. Außctdcm wälzt man abgründige Gedanken über
das Warten an sich und den, der einen warten läßt, im
hesondeicn. Darüber vergißt man seine zugkräftigsten
Argumente.
In beiden Fällen beginnt einem erst auf dem Flur wieder
einzufallen, was man eigentlich sagen wollte. So kommt
es, daß man auf der Treppe viele murmelnde Leute sieht.
Sie holen nach. Es ist dann zwar eine einseitige Unter-
haltung, aber sie erleichtert trotzdem.
Der Beginn einer Unterhaltung zwischen einem Behörden-
angestelltcn und einem Besucher ist stets der gleiche. Er
ist sozusagen rituell. Der Besucher teilt sein Anliegen
dem Beamten mit. Darauf sagt dieser: „Das geht nicht."
Hierauf beginnt der Besucher von neuem mit erhöhter
Beredsamkeit. Nun antwortet der Beamte: ,,Das dauert
aber sehr lange," Das ist für den Besucher das Zeichen,
daß er sich noch mehr zu ereifern hat. Er tut es. Worauf
der Beamte entgegnet: „Bedauere, aber wir machen keine
Ausnahmen." Das ist so ähnlich wie in d:r Kirche. Wech-
sclgesang zwischen Pastor und Gemeinde.
Nach Erledigung dieser einführenden Formalitäten be-
ginnt die Verhandlung wirklich.
Es gibt sanfte Verhandlungspartner und es gibt unsanfte.
Die Unsanften sind manchmal etwas jähen Temperamen-
tes und voll plastischer Beredsamkeit. Daher befindet sich
zwischen den beiden Verhandlungspartnern immer ein Tisch.
Ganz früher lagen alle Behörden im Rathaus. Damals
pflegte man zu sagen: „Wer vom Rathaus kommt, ist
klüger". Klaus Wolff
1')
Jörg Wisbecik
„Dank der vielfachen, übersichtlich angebrachten Hinweise spielt sich nunmehr der Verkehr mit der Behörde reibungslos ab."
DIE BEHORDE
Eine Behörde ist, wenn man nacheinander in fünf ver-
schiedenen Zimmern erfährt, daß man nicht an der zu-
ständigen Stelle ist.
Den Sitz einer Behörde erkennt man meist daran, daß
einem bereits auf der Treppe zornerfüllte Leute entgegen-
kommen, Das ist das Publikum.
Das Publikum dient dazu, die Korridore der Behörde zu
füllen und ihr den Anschein starker Beschäftigung zu
geben. Es verzehrt sich in "Ungeduld und teilweise mit-
gebrachte Brötchen. Schwarze Brötchen. Trocken. Wenn
man weiße Brötchen mit etwas drauf sieht, stammen ihre
Besitzer entweder vom Lande oder sie sprechen eine orts-
unbekannte Sprache.
Manchmal gelingt es einem T:il des Publikums, in da?
gewünschte Zimmer hercinzugelangcn, Ganz wenige er-
wischen sogar auf das erste Mal den richtigen Beamten.
Die Plötzlichkeit dieser unerwarteten Gnade erregt sie
dann meist so, daß sie zu stottern beginnen.
Die Gesetze, nach denen ein Teil des Publikums nach kur-
zem Warten hereinkommt, während der andere Teil nach
langer Wartezeit erfolglos wieder nach Hause wandert, sind
wissenschaftlich noch nicht voll erforscht.
Behörden liegen selten im Parterre. Meist muß man zwei
bis drei Treppen erklimmen, um zu ihnen zu gelangen. Das
ist aas psychologischen Gründen so. Treppensteigen nagt
an Körper und Geist. Im dritten Stock flimmert es einem
vor den Augen und die geistige Spannkraft ist armselig
zusammengeschrumpft.
Oben angelangt, ergeben sich die berühmten zwei Möglich-
keiten.
Entweder wartet man nur kurze Zeit (Gesetze siehe oben),
dann liegt man noch in hartem Kampf mit der Atemnot.
Dadurch ist man dem in geregeltem Gleichmaß atmenden
Behördenangestelltcn in dem erforderlichen Nachteil. Ein
Mensch, der nach Luft ringt, ist in seinem Redefluß pein-
lich gehemmt. Er beschränkt sich daher auf das Sachliche
und vermeidet in der Regel Injurien, um seine Gesund-
heit zu schonen. Wenn er endlich über ordnungsgemäße
Luftzufuhr verfügt, ist er bereits wieder auf dem Korridor.
Oder man wartet lange. Man kommt dann zwar wieder
zu Atem, dafür zittern einem jedoch bald die Knie vom
Stehen. Außctdcm wälzt man abgründige Gedanken über
das Warten an sich und den, der einen warten läßt, im
hesondeicn. Darüber vergißt man seine zugkräftigsten
Argumente.
In beiden Fällen beginnt einem erst auf dem Flur wieder
einzufallen, was man eigentlich sagen wollte. So kommt
es, daß man auf der Treppe viele murmelnde Leute sieht.
Sie holen nach. Es ist dann zwar eine einseitige Unter-
haltung, aber sie erleichtert trotzdem.
Der Beginn einer Unterhaltung zwischen einem Behörden-
angestelltcn und einem Besucher ist stets der gleiche. Er
ist sozusagen rituell. Der Besucher teilt sein Anliegen
dem Beamten mit. Darauf sagt dieser: „Das geht nicht."
Hierauf beginnt der Besucher von neuem mit erhöhter
Beredsamkeit. Nun antwortet der Beamte: ,,Das dauert
aber sehr lange," Das ist für den Besucher das Zeichen,
daß er sich noch mehr zu ereifern hat. Er tut es. Worauf
der Beamte entgegnet: „Bedauere, aber wir machen keine
Ausnahmen." Das ist so ähnlich wie in d:r Kirche. Wech-
sclgesang zwischen Pastor und Gemeinde.
Nach Erledigung dieser einführenden Formalitäten be-
ginnt die Verhandlung wirklich.
Es gibt sanfte Verhandlungspartner und es gibt unsanfte.
Die Unsanften sind manchmal etwas jähen Temperamen-
tes und voll plastischer Beredsamkeit. Daher befindet sich
zwischen den beiden Verhandlungspartnern immer ein Tisch.
Ganz früher lagen alle Behörden im Rathaus. Damals
pflegte man zu sagen: „Wer vom Rathaus kommt, ist
klüger". Klaus Wolff
1')
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Wendung zum Besseren"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Signatur: Jörg Wisbeck
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 2, S. 19.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg