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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0020
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SIMPL IN DRUCK

Es fehlt mir noch viel, was einen gebildeten
Mittelemopäer ausmacht, lieber die simpelsten
Dinge stolpere ich, die einfachste Zeitungsnotiz
fasse ich nicht.

„Ein anständiger Bauer braucht weder einen
Gendarm, noch ein Ernährungsamt, noch eine
Kontrollkommission, noch irgendeinen Druck von
oben, um seiner Ablieferungspflicht nachzu-
kommen."

Anstand ist also, wenn ich das tue, was die zur
Zeit machthabende Behörde sagt.
Da es aber nun Gendarmen und Kontrollkom-
missionen gibt, sind also die Bauern alle unan-
ständig, sonst gäbe es ja nicht solche Einrich-
tungen. Und das fasse ich nicht. Ich dachte,
Anstand sei die Eigenschaft eines sauberen
Charakters. Denken ist Glücksache, besonders
bei mir, der ich nur mit dem Herzen denke.
Ob der Redner nicht etwas anderes gemeint hat?
Denn wenn man jemanden sein Eigentum zur
Ablieferung abfordert, das er sich erarbeitet hat
und der tut das nicht, so ist das ein „Gesetzes-
verbrechen", aber unanständig? Da hätte jedes
Land seinen besonderen Anstand, weil die Lan-
desgesetze verschieden sind.
Ob es nicht Grundwahrheiten gibt, die im In-
nern des Menschen eingebrannt sind, wie bei
Serienware das Gütezeichen?
Wie ist das denn? Wir sind durch die blöd-
sinnigste Regierung, die es je gegeben hat, nicht
mehr ganz „auf dem Teppich geblieben". Im
Grunde soll wohl der Staat zum Schutze seiner
Bürger und ihres Eigentums da sein. Nun hat
die letzte Regierung, die betrügerischen Bank-
rott machte, nur immer aus den Taschen seiner
Bürger gelebt und wenn das nicht gehen wollte,
mit ein wenig Kopfabhacken und Brausebädern
nachgeholfen.

Nach der großen Pleite müssen wir nun die
Suppe ausessen und da erweist es sich, daß wir
nichts zu essen haben. Und weil wir nichts zu
essen haben, sagt der Konkursverwalter, her mit
Eurem Kram, sonst kippt der ganze Karren um.
Also — so weit, sehe ich noch klar. Das ist eine
zwingende Notwendigkeit, die, wenn wir wirk-
lich einmal wieder freien Handel mit unserem

Eigentum haben wollen, erfüllen müs-
sen. Wenn es auch weh tut, denn wer bezahlt
schon gern die Schulden eines früheren Chefs,
nur weil er in dieser Pleitegeierfirma angestellt
war. Wenn wir das jetzt tun müxen, so ,,stinkt
er uns furchtbar", aber unanständig sind wir
deswegen nicht. Der Mann müßte auch noch ge-
boren werden, der es nicht erwarten kann, die
neue Einkommensteuer zu bezahlen, um eine
Anständigkeit zu beweisen. Da er nie geboren
werden wird, ist also das ganze deutsche Volk
unanständig.

Ich meine, man sollte aufhören, diese mensch-
lichen Grundbegriffe, die seit Bestehen der Welt
im Herzen der Menschheit verankert sind, mit
Tagesnotwendigkeiten und juristischen Zwangs-
maßnahmen zu verkuppeln. Es geht im Grunde
doch bloß um unser Sach', die man haben will
und die geben zu müssen wir auch einsehen. In
solch einer Konkursabrechnung brauchen wir
kein Gefühlsklavier zu spielen. Es hat in den
vergangenen Jahren schon so viel Magendrücken
gemacht. Wollen wir die edlen Begriffe, die zu
Sonderzwecken so lange vergewaltigt wurden,
nicht wieder an ihren Platz stellen?
Weiß nicht jeder im Innern, was Anstand ist?
Und kennt nicht jeder die Gesetzesvorschriften?
Aber nicht die Verbrämung zwingender Not-
stände mit solchen Vorzeichen. Wir wollen eine
freie Demokratie, also packen wir's, räumen
wir auf. Und das besorgen wir anständig.
Wie ich einmal versuchte, chemische Experimente
zu machen, klappte keines, es ging alles schief.
Ein kluger Kopf erklärte mir, ich hätte die che-
mischen Gesetze nicht beachtet.
Ob unsere Handlungen nicht auch Gesetzen
unterworfen sind? Die erfüllt sein müssen, da-
mit das „Experiment" klappt? Die Bauern haben
einen Satz: Was der Mensch sät, das muß er
ernten. Er ist nicht so einfach, ich legte die Be-
tonung auf „das", ich legte sie auf „muß", ich
legte sie auf „er" und ich legte sie auf „ernten",
und jedesmal schien mir ein neuer Sinn darin.
Das gibt Ausblicke! Wenn man sich da so um-
sieht ....

(Aber lassen wir es lieber, wir könnten an-
fangen zu denken, und da macht doch wieder
keiner mit.) Der Simpl

K. H. Bücher

DER REICHSMARSCHALL KAUFT

„Ich komme im Auftrag des Herrn Reichsmarschalls zu
Ihnen, Herr — — — wie heißen Sie doch gleich?"
„Bernsteiner, Alfred Bernsteiner."

„Hm —. Also, Herr Bernsteiner, der Herr Reichsmarschall
hat mich beauftragt, in Ihrem Antiquitätenhaus einen
Kauf zu tätigen. Sie werden es verstehen, Herr Bern-
steiner, daß es Wunsch und Wille des Herrn Reichsmar-
schalls ist, als Käufer nicht genannt zu werden. Sollten
Sie diesem Verbot zuwider handeln, so dürften Sie sich
über die Folgen klar sein. Ich verweise in diesem Zu-
sammenhang auf das Bestehen von Konzentrationslagern.
Auf der anderen Seite, Herr Alfred Bernsteiner, werden
Sie sich der Auszeichnung wohl bewußt sein, die Ihnen
damit zuteil wird, daß der Herr Reichsmarschall geson-
nen ist, in Ihrem Haus zu kaufen."
„Selbstverständlich weiß ich diese Auszeichnung gebührend
zu schätzen, würde mich aber auch nicht zurückgesetzt
fühlen, wenn der Herr Reichsmarschall den Kauf in einem
anderen Geschäft tätigen würde."

„Dies geschähe auch sicherlich, Herr Bernsteiner, wenn

es sich nicht um ein Objekt handeln würde, das gerade

Sie besitzen. Ich meine damit, beziehungsweise, der Herr

Reichsmarschall meint damit einen Perserteppich, der

kürzlich in einem ihrer Schaufenster auslag. Saphirblauer

Grund — Sie werden sich erinnern."

„Gewiß, ich weiß, um welchen Teppich es sich handelt.

Es ist ein außerordentlich wertvolles Stück, und ich hatte

es deshalb ausgestellt."

„Wie hoch soll der Preis sein?"

„Zehntausend Mark wären dem Wert des Teppichs durch-
aus angemessen, doch ist es mir um einen Verkauf nicht
zu tun."

„Zehntausend Mark? Ein schönes Stück Geld, Herr Bern-
steiner! Das will verdient sein, und ob der Herr Reichs-
marschall --das dumme Volk glaubt, er schwimme in

Gold und ahnt gar nicht, welche Summen der Unterhalt
von Schlössern und Jagden alljährlich verschlingt. Ich
spreche das offen aus, weil der geforderte Preis keines-
falls in Frage käme. Dabei mache ich Sie nochmals
darauf aufmerksam, Herr Bernsteiner, daß Sie die Ihnen
angebotene Bevorzugung nicht unterschätzen, sondern in
den Preis einkalkulieren sollten. Es liegt mir, beziehungs-
weise dem Herrn Reichsmarschall selbstverständlich ferne,
Sie nötigen zu wollen, doch gebe ich Ihnen den guten
Rat, den Teppich für einen Preis zu veräußern, der den
wirtschaftlichen Verhältnissen des Herrn Reichsmarschalls
entspricht."

„Welchen Preis denken Sie sich?"

„Nun, einhundert Mark würde der Herr Reichsmarschall
ohne Zögern für den Teppich bezahlen. Ein Kraftwagen
hält vor der Türe, die Kosten des Transportes gingen also
zu unseren Lasten."

„Einhundert Mark? Das ist ausgeschlossen, mein Herr!
Dafür bekommen Sie eine Bettvorlage, aber keinen Perser-
teppich. Es tut mir außerordentlich leid, in diesem Falle
dem Herrn Reichsmarschall nicht dienlich sein zu kön-
nen, vielleicht darf ich aber ein anderes Geschäft emp-
fehlen. Es gibt deren verschiedene mit vorzüglicher Ware."
„Aber es gibt nur diesen einen Teppich! Herr Alfred
Bernsteiner, entschließen Sie sich rasch! Ich nahm zufällig
in eine Liste Einblick, die neben vielen anderen auch
Ihren Namen enthielt. Wie ich höre, sollen die betreffen-
den Personen zu einer Reise nach Polen aufgefordeit
werden. Für die Rückkehr ist ein Datum nicht vor-
gesehen."

„Für einhundert Mark verkaufe ich den Teppich keines-
falls, doch habe ich einen anderen Vorschlag zu machen:
Ich gestatte mir, den Teppich dem Herrn Reichsmarschall
als Geschenk anzubieten."

„Als Geschenk? Herr Alfred Bernsteiner, ich möchte die-
sen Vorschlag lieber überhört haben. Der Herr Reichs-
marschall würde es mit Entrüstung zurückweisen, sich von
Ihnen beschenken zu lassen. Er will kaufen, auf reellem
Wege kaufen, verstehen Sie? Der Betrag von einhundert
Reichsmark wird Ihnen spätestens im Laufe eines Jah-
res unter Anrechnung der Zinsen aus dem Fond des
Winterhilfswerkes überwiesen werden. Und nun noch eine
Frage: als Vermittler des Kaufgeschäftes darf ich wohl
auf die übliche Gegenleistung Ihrerseits rechnen? Der
Barock-Schrank im zweiten Ihrer Schaufenster gefiele mir
nicht übel."

„Gut, er soll mit dem Teppich verladen werden."
„Es freut mich, verehrter Herr Bernsteiner, daß wir uns
so rasch und zur beiderseitigen Zufriedenheit über den
Kauf geeinigt haben. Dies versetzt mich auch in die an-
genehme Lage, Ihnen eine Ueberraschung zu bereiten.
Auf Veranlassung und im Auftrage des Herrn Reichs-
marschalls Hermann Göring sind Sie mit dem Datum vom
Heutigen zum Arier ernannt. Hiermit überreiche ich Ihnen
die Urkunde. Heil Hitler!"

„Ich danke." A. W

(Daß Göring auf diese Weise „Einkäufe" bei Bernheimer
machte, dürfte allgemein bekannt sein.)

2 mal 1000 Jahre

20
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"2 mal 1000 Jahre"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Böcher, K. H.
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Satirische Zeitschrift
Karikatur

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
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Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 2, S. 20.

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