DER RÜCKKEHRER
Jörg Wisbeck
„Selber nicht ausgebombt, vier Jahre in Garmisch verbracht
Am Stammtisch „Zur Fröhlichkeit"
nun freut man sich erst recht darüber, wie fleißig zuhause geschafft wird!'
„Guten Abend, Herr Moosbichler! Noch ganz allein?"
„Jawoi, immer kloaner werd er, inser Stammtisch ,Zur
Fröhlichkeit'. Is ja a koa Wunder nicht, bei diesen trost-
losen Verhältnissen."
.„Verhältnisse' hoaßen Sie dös? Das sind keine Verhält-
nisse nicht mehr, das sind bereits Zustände. Und zwar
ganz traurige. Ich entziehe mich nicht der Erkenntnis,
daß die Zeit schwer ist, aber dös oane sag' i Ehana, in a
oanzigen Weißwurscht war'n mehr Kalorien drinna, als
wia dö Lumpen heut' auf a ganze Lebensmittelkarten
d'raufdrucka! Ein trostloses Dasein ohne Hoffnung auf
Besserung."
„Sehr richtig beobachtet, Herr Luckinger, der Tod hat
seine Schrecken für ins verloren, und Senf gibt's aa koan
mehr. Ein freudloses Dahinvegatier'n. No, 'j Wetter is
wenigstens guat."
„Heut' ichon no', aber wia werd's morg'n sei? Nach
meiner metearlogischen Erfahrung sag' 1 a so: a schön's
Wetter zoagt nur o, daß bald wieder schlecht werd.
Kriag'n einen verregneten Sommer, und was is nacha?
Das Getreide werd net höher, als wia mein Daumen,
aber bals höher werd, schlagt's der Hagel 'zamm, die
Erdäpfi verfaul'n und das Vieh steht um, indem daß
sich der Mangel an Grünfutter ungünstig auswirkt. Am
Schluß bist verhungert, fällst beim Schlangasteh'n um
und stehst nimmer auf. Ein trauriges Lebensende!"
„Und balst Glück hast und kommst mit dem Leben da-
von, haut dich eine Atombombe ausananda, daß ma
nix mehr find' vo dir, als wia einen Faden aus deiner
Kravatten. Denn i sag' bloß dös oane: der Ruß — der
Ruß! Vo Persien hint' ko der Weg auf Bayern 'rei nim-
mer so arg sei'."
„Ah wo, in so ara drei Tag' kunnt der seil Stalin an
Münchens Pforten rütteln, wia ma so sagt. Sie, nacha
is aus mit inserem Stammtisch ,Zur Fröhlichkeit'! Nacha
gibt's koan Tarock mehr."
„Ja, was is denn überhaupt's mit inserm Haferitarock?
Wo bleibt denn der Eichinger Pepi so lang?"
„Werd g'schtorb'n sei'. Wer kann das heut' genau wis-
sen?"
„Naa, tot is er net, indem daß ich ihn heut' Früah be-
gegnet hab! "
„Guat, in der Früah' sagn S', aber ob ihn nicht schon
zur Mittagszeit die Straßenbahn dapatzt hat, wissen
Sö aa net genau. Sind ja trostlose Zustände!"
„Traurig, traurig, und stirbst du nicht an einem Un-
glücksfall, so reißt dich die Unterernährung vorzeitig
in das Grab. Sehgn S' vor einem Jahr hab 'i no' zwoa
Zentner achtazwanz'g g'wog'n, und heut' bin i bereits
auf zwoa Zentner siebnazwanz'g 'zammg'schnurrt."
„Jawoi, und schaugn S' mein Hemdkrag'n o! Bring scho
fast mein' kloana Finga nimmer zwischen den Krag'n
und mein' Kropf nei. So dünn is mei' Hals word'n.
Ist ja kein Dasein mehr!"
„Naa, is koa Leb'n nimma. Ich habe damit abgeschlos-
sen. No ja, mein' Beitrag beim Einäscherungsverein
,Wabernde Lohe' hab' i pünktlich bezahlt, und nun
werden halt meine sterblichen Reste bald in einer Urne
sein."
„Sie, Herr Moosbichler, daß Sie Ehna da net täuschen,
indem daß Sie auf den Brennstoffmangel vergessen. Bis
Ehana Wampen abschmilzt bräuchat ma ja alloa fünf
Zentner Brikett."
„Sie, Herr Luckinger, werden Sie nicht anzüglich! Ich
habe meinen Bauch in Ehren erworben. Da sind mir
aber andere bekannt, die immer mit einem vollen Ruck-
sack vom Bahnhof kommen, und auf einem dieser Ruck-
säcke habe ich einen Fettflecken bemerkt. Gehört der
Rucksack vielleicht zufällig Ihnen, Herr Luckinger?"
„Eine solche Gemeinheit! Was geht Ehana mei' Ruck-
sack o? Aber, wia's in Ehanara Küch' nach Schweiner-
nem riacht, das ist eiri öffentlicher Skandal und wird
das Gericht beschäftigen müssen."
„A oanzig's Wort no', und i hau' Ehana unter'n Tisch
' nei, daß Ehana die Henna 'zammpicka müassen, Sie
Denunziant, Sie ganz miserabler! Ah, da is er ja endli,
der Eichinger Pepi! Grüaß di God, oider Bazi! Warten
scho' lang' mit'm Tarock auf di. No ja, hab'n uns da-
wei' ganz guat unterhalten. Auf geht's, Sie geb'n Herr
Luckinger!" A.W.
Jörg Wisbeck
„Selber nicht ausgebombt, vier Jahre in Garmisch verbracht
Am Stammtisch „Zur Fröhlichkeit"
nun freut man sich erst recht darüber, wie fleißig zuhause geschafft wird!'
„Guten Abend, Herr Moosbichler! Noch ganz allein?"
„Jawoi, immer kloaner werd er, inser Stammtisch ,Zur
Fröhlichkeit'. Is ja a koa Wunder nicht, bei diesen trost-
losen Verhältnissen."
.„Verhältnisse' hoaßen Sie dös? Das sind keine Verhält-
nisse nicht mehr, das sind bereits Zustände. Und zwar
ganz traurige. Ich entziehe mich nicht der Erkenntnis,
daß die Zeit schwer ist, aber dös oane sag' i Ehana, in a
oanzigen Weißwurscht war'n mehr Kalorien drinna, als
wia dö Lumpen heut' auf a ganze Lebensmittelkarten
d'raufdrucka! Ein trostloses Dasein ohne Hoffnung auf
Besserung."
„Sehr richtig beobachtet, Herr Luckinger, der Tod hat
seine Schrecken für ins verloren, und Senf gibt's aa koan
mehr. Ein freudloses Dahinvegatier'n. No, 'j Wetter is
wenigstens guat."
„Heut' ichon no', aber wia werd's morg'n sei? Nach
meiner metearlogischen Erfahrung sag' 1 a so: a schön's
Wetter zoagt nur o, daß bald wieder schlecht werd.
Kriag'n einen verregneten Sommer, und was is nacha?
Das Getreide werd net höher, als wia mein Daumen,
aber bals höher werd, schlagt's der Hagel 'zamm, die
Erdäpfi verfaul'n und das Vieh steht um, indem daß
sich der Mangel an Grünfutter ungünstig auswirkt. Am
Schluß bist verhungert, fällst beim Schlangasteh'n um
und stehst nimmer auf. Ein trauriges Lebensende!"
„Und balst Glück hast und kommst mit dem Leben da-
von, haut dich eine Atombombe ausananda, daß ma
nix mehr find' vo dir, als wia einen Faden aus deiner
Kravatten. Denn i sag' bloß dös oane: der Ruß — der
Ruß! Vo Persien hint' ko der Weg auf Bayern 'rei nim-
mer so arg sei'."
„Ah wo, in so ara drei Tag' kunnt der seil Stalin an
Münchens Pforten rütteln, wia ma so sagt. Sie, nacha
is aus mit inserem Stammtisch ,Zur Fröhlichkeit'! Nacha
gibt's koan Tarock mehr."
„Ja, was is denn überhaupt's mit inserm Haferitarock?
Wo bleibt denn der Eichinger Pepi so lang?"
„Werd g'schtorb'n sei'. Wer kann das heut' genau wis-
sen?"
„Naa, tot is er net, indem daß ich ihn heut' Früah be-
gegnet hab! "
„Guat, in der Früah' sagn S', aber ob ihn nicht schon
zur Mittagszeit die Straßenbahn dapatzt hat, wissen
Sö aa net genau. Sind ja trostlose Zustände!"
„Traurig, traurig, und stirbst du nicht an einem Un-
glücksfall, so reißt dich die Unterernährung vorzeitig
in das Grab. Sehgn S' vor einem Jahr hab 'i no' zwoa
Zentner achtazwanz'g g'wog'n, und heut' bin i bereits
auf zwoa Zentner siebnazwanz'g 'zammg'schnurrt."
„Jawoi, und schaugn S' mein Hemdkrag'n o! Bring scho
fast mein' kloana Finga nimmer zwischen den Krag'n
und mein' Kropf nei. So dünn is mei' Hals word'n.
Ist ja kein Dasein mehr!"
„Naa, is koa Leb'n nimma. Ich habe damit abgeschlos-
sen. No ja, mein' Beitrag beim Einäscherungsverein
,Wabernde Lohe' hab' i pünktlich bezahlt, und nun
werden halt meine sterblichen Reste bald in einer Urne
sein."
„Sie, Herr Moosbichler, daß Sie Ehna da net täuschen,
indem daß Sie auf den Brennstoffmangel vergessen. Bis
Ehana Wampen abschmilzt bräuchat ma ja alloa fünf
Zentner Brikett."
„Sie, Herr Luckinger, werden Sie nicht anzüglich! Ich
habe meinen Bauch in Ehren erworben. Da sind mir
aber andere bekannt, die immer mit einem vollen Ruck-
sack vom Bahnhof kommen, und auf einem dieser Ruck-
säcke habe ich einen Fettflecken bemerkt. Gehört der
Rucksack vielleicht zufällig Ihnen, Herr Luckinger?"
„Eine solche Gemeinheit! Was geht Ehana mei' Ruck-
sack o? Aber, wia's in Ehanara Küch' nach Schweiner-
nem riacht, das ist eiri öffentlicher Skandal und wird
das Gericht beschäftigen müssen."
„A oanzig's Wort no', und i hau' Ehana unter'n Tisch
' nei, daß Ehana die Henna 'zammpicka müassen, Sie
Denunziant, Sie ganz miserabler! Ah, da is er ja endli,
der Eichinger Pepi! Grüaß di God, oider Bazi! Warten
scho' lang' mit'm Tarock auf di. No ja, hab'n uns da-
wei' ganz guat unterhalten. Auf geht's, Sie geb'n Herr
Luckinger!" A.W.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Der Rückkehrer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Signatur: Jörg Wisbeck
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 3, S. 31.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg