DUR DEUTSCHE FILM
— EINE NOTWENDIGKEIT
In den vor uns liegenden Jahren wird nicht nur
der wirtschaftliche Zusammenbruch mit seinen
Begleiterscheinungen als Folge des selbstmör-
derischen Krieges in seiner ganzen grausigen
Tragik offenbar werden, auch der geistige
Niedergang als Ergebnis der jahrelangen Un-
terdrückung aller freien und individuellen Le-
bensäußerungen wird sich seinem Tiefpunkt
nähern, trotz größter Anstrengungen all derer,
die die Notwendigkeit erkennen, schon jetzt
aktiv den geistigen Wiederaufbau unseres Lan-
des in Angriff zu nehmen.
Wer die Entwicklung mit offenen Augen ver-
folgt, der wird die ungeheure Gefahr erkennen,
die in diesem doppelten Niedergang liegt. Seine
Auswirkungen werden in der breiten Masse des
Volkes Instinkte freimachen, die den Aufbau
einer vernünftigen, in der Menschlichkeit wur-
zelnden Ordnung in Frage stellen. Schon heute
ist nicht zu verkennen, daß unter der Oberfläche
der Tagesereignisse, deren Ruhe durch die Be-
satzungsmächte gewährleistet wird, sich ein un-
terirdischer Kampf anbahnt, der wegen seiner
Ziellosigkeit und seiner unbegreiflichen Absich-
ten nur um so gefährlicher ist. Deshalb gilt es,
dieses sich unter unseren Augen langsam voll-
ziehende Zusammenbrauen des Chaos zu ver-
hindern, das nicht nur die Rückkehr Deutsch-
lands zur großen Gemeinschaft der Völker illu-
sorisch machen, sondern die ruhige Entwicklung
des Weltfriedens überhaupt stören würde.
Die politische und wirtschaftliche Ohnmacht
Deutschlands darf uns hier den Blick nicht trü-
ben. Unabsehbar ist auch für die Entwicklung
der anderen Völker die Gefahr, die solch ein
Unruheherd allein durch sein Vorhandensein
bildet; denn die seelischen Kräfte eines
Volkes sind mit seiner Isolierung noch lange
nicht gebunden, sie strahlen weit über seine geo-
graphischen und politischen Grenzen hinaus.
Und so gilt es, neben dem wirtschaftlichen auch
das geistige Abgleiten vor Erreichung sei-
nes Tiefpunktes aufzufangen. Der drohenden
Gefahr können und müssen wir alle so schnell
und so tatkräftig als möglich entgegentreten,
indem wir die geistige Plattform schaffen, von
der aus jeder auf seine Weise am Neuaufbau
mithelfen kann.
Zur Schaffung dieser Voraussetzungen sind
weder die freie Presse, wie sie bereits in allen
Besatzungszonen aufgebaut wurde, noch die
sich langsam von 12 jährigem Dämmerschlaf er-
holende Literatur allein in der Lage; denn
beide wenden sich ihrer Natur gemäß vornehm-
lich an den Verstand des aufnahmebereiten Le-
sers. Unsere jüngste Vergangenheit hat jedoch
eindeutig gezeigt, daß jeder Appell versagt,
wenn es nicht gelingt, die Menschen auch von
der gefühlsmäßigen Seite her zu packen
und zu beeinflussen; so hängt ja auch der Erfolg
aller Führer der Massen ab von ihrem Geschick,
die seelischen Kräfte der Menschen ihren Ideen
dienstbar zu machen. Und hierin lag auch, so-
weit es die breite Masse betraf, der anders nicht
zu erklärende Erfolg des nunmehr überwunde-
nen Systems begründet.
Es liegt nicht im Sinne unserer Besatzungs-
mächte noch in dem der bewußt um Wege der
Neuordnung ringenden Deutschen, das sich ge-
genwärtig entfaltende politische Leben, das wie
nie zuvor im Rationellen wurzelt, niederzuhal-
ten oder gar zu unterbrechen. Gewisse politische
Machenschaften im nördlichen Deutschland
scheinen freilich zu beweisen, daß es immer
noch möglich ist, den freien Meinungsaustausch
zugunsten der terroristischen Parolen einzelner
zum Verstummen zu bringen. Dies zeigt, wie
sehr unser Volk zur Gestaltung eines geordne-
ten Staatslebens der geistigen Betreuung bedarf.
Wenn man den Fragenkomplex in seiner gan-
zen Tragweite überblickt; wenn man dabei in
Rechnung stellt, daß seelische Krisen eines Vol-
kes durch äußere Machtmittel, wie immer auch
sie geartet sein mögen, nicht behoben oder etwa
fortgeredet werden können; wenn man dazu
noch bedenkt, daß die Entscheidung über sein
Schicksal letztlich allein in den Händen des
deutschen Volkes liegt, dann löst sich von selbst
die Frage: „Was ist zu tun?" Es gilt, die
Wahrheit zu suchen und zu finden, die zum
Frieden im Innern und darüber hinaus zum
Gedanken des wahrhaften Weltfriedens führt.
Dies ist die Aufgabe der Kunst; weil sie vom
Seelischen her klärend und ordnend wirken
kann, weil sie berufen ist, dem Menschen die
letzten Fragen seiner Existenz zu erläutern und
ihn zur unbestechlichen Wahrheit zu führen.
Allein der Wirkungsbereich der Kunst ist zu-
meist örtlich begrenzt. Einzig beim Film lie-
gen die Verhältnisse anders. Ihm ist wie keinem
anderen künstlerischen Ausdrucksmittel durch
seine Breitenwirkung die Möglichkeit der seeli-
schen und zugleich auch verstandesmäßigen Be-
einflussung aller Bevölkerungsschichten gege-
ben, auch dann, wenn er sich bewußt jeglicher
Zweckpropaganda enthält und sich auf seine
herkömmlichen Aufgaben beschränkt. Diese
sind thematisch ebenso vielseitig wie die der
Literatur. Entsprechend jeder echten Kunstauf-
fassung soll jedoch das immer wiederkehrende
Grundthema im Menschlichen wurzeln. Das be-
dingt in der heutigen Zeit, daß sich der Film
der Lösung der Gegenwartsprobleme nicht ent-
zieht; er wird sich im Gegenteil mit ihnen ein-
gehend zu befassen und eine künstlerische, der
Wahrheit zustrebende Lösung zu suchen haben.
Tut er dies wirklich unter Ausnützung aller
ihm zu Gebote stehenden Mittel (des Bildes,
der schauspielerischen Gestaltung, des Wortes
und der Musik), so wird er zu einem wesent-
lichen Faktor der Verständigung von Mensch
zu Mensch und somit auch von Volk zu Volk.
Indem er versucht, auf seine Art bis in die Tie-
fen der beginnenden geistigen Differenzen vor-
zudringen, kann es ihm vielleicht gelingen, in
Zusammenarbeit mit den übrigen Kräften kul-
tureller Lebensäußerung die durch den Zusam-
menbruch bedingte und um der Wahrheit wil-
len notwendig gewordene Revolution des
deutschen Denkens in friedliche Bahnen zu
lenken.
In dieser Erkenntnis hat sich in München ein
Kreis junger Menschen zusammengefunden, die,
in den verschiedenen Gebieten von Kunst, Wirt-
schaft und Politik beheimatet, danach streben,
mit allen ihren Kräften am Neuaufbau des
deutschen Films zu arbeiten. In Anbetracht
der erwähnten Tatsachen ist die Schaffung des
neuen deutschenFilms zur dringenden
Notwendigkeit geworden. Eines Filmes also,
der der Mentalität des deutschen Volkes ent-
spricht und damit im besten Sinne „erziehe-
risch" wirken wird. .
Trotz seiner offensichtlichen künstlerischen und
technischen Vorzüge spricht der amerikanische
Film- im Grunde genommen zum amerika-
nischen Volk, für das er hergestellt wurde
und aus dessen geistiger Lebensform und wirt-
schaftlicher Struktur er erwächst. Dagegen wer-
den mondäne Ausstattungsfilme allein, aus
einem wirtschaftlich gesicherten und innerlich
gefestigten Lande kommend, Menschen nur
traurig und mutlos machen, deren eigene soziale
und wirtschaftliche Verhältnisse auf einem so
trostlosen Stand angelangt sind, wie der unse-
res Volkes. Diesen Kontrast soll der deutsche
Film überbrücken. Er muß den Weg in eine bes-
sere Zukunft weisen, in eine Welt der Freiheit,
deren große Möglichkeiten uns der amerika-
nische Film vor Augen führt.
Aus diesem Grunde sind die amerikanischen
Filme für uns wertvoll.
Die Vorarbeiten zur Schaffung des deut-
schen Films sind zu leisten. Für das deutsche
Volk bestimmt, in späteren Jahren vielleicht
auch anderen Völkern von ihm Kunde gebend,
soll er aus dem Volke unmittelbar hervorgehen.
Seine künstlerische Gestaltung wird in berufe-
nen Händen liegen müssen. Naturgemäß kann
dieser ausführende Kreis nur klein sein, doch
wird man sich an alle Schichten der Bevölke-
rung wenden und sie zur Mitarbeit aufrufen.
In Form von Vorschlägen und Anregungen tech-
nischer wie künstlerischer Natur kann dies ge-
schehen. Diese Anregungen sollen sich nicht mit
den zur Genüge bekannten seelenquälerischen
Erinnerungen befassen, die immer nur alte
Wunden aufreißen würden, sondern sollen die
positive Seite des Lebens zum Gegenstand ha-
ben. Sie können so vielgestaltig wie möglich
sein, denn vielgestaltig wie das Leben ist der
Film und manch weltbewegendes Problem läßt
sich oft im Rahmen einer satirischen, parodisti-
schen oder rein spielerischen Filmhandlung bes-
ser lösen als auf irgendeine andere Weise.
Der neue deutsche Film soll dem Volke ein
Spiegel sein, damit es lernt, sich selbst zu er-
kennen und die Grenzen zu achten, in denen
seine Fähigkeiten endlich ihm selbst zum
Segen und der Welt zum Nutzen gereichen
können. Hans Weidner
Probleme der Kunst in Frankreich
Die französischen Zeitschriften — bei deren Durchblät-
tern wir kaum einen Seufzer der Sehnsucht nach ähn-
lichen technischen Möglichkeiten unterdrücken können
— berichten von einem allgemein regen Kunstleben.
Auf allen Gebieten der Kunst ist die Suche nach einer
neuen Ausdrucksmöglichkeit festzustellen. Allgemein ist
die Abwendung von der „neuen Sachlichkeit" und ein
offenbarer Hang zum „Mittelalter" im Sinne der durch-
geistigten Primitivität zu erkennen.
Rene Huyghe schreibt am Anfang eines Artikels über
„Die Aktualität des Mittelalters": „Sind es die Ten-
denzen in der neuen Malerei, welche die Aufmerksam-
keit auf die romanische Kunst und deren hohe Stilform
gezogen haben, oder ist es die Erneuerung der roma-
nischen Plastik, die in den Erscheinungen unserer Zeit
ihren Widerhall findet? Das eine wie das andere ist
wahr". Dann führt er eine große Anzahl Bücher, Ver-
öffentlichungen usw. an, die sich etwa ab 1938 in stei-
gendem Maße mit der romanischen Zeit befassen. Er
schreibt weiter: „Man wirft der modernen Malerei vor,
daß sie unsere Tradition verneint?" M. Lajard versichert
bei der Eröffnung seiner neuen Sammlung, daß, ganz im
Gegenteil, die französische Malerei zu ihrer eigenen
Tradition zurückgekehrt sei, und zwar derart, daß sie
ausdrucksvoll und vereinfacht, ebenso alt als modern
daran anschließt. Und in einem anderen Aufsatz schreibt
derselbe Kritiker über den heftigen Kampf um die
figurative oder nichtfigurative Kunst. Er versucht zu
versöhnen und sagt, daß beide eine Tradition haben
und_ oft genug nebeneinander existieren.
Er stellt die interessante Hypothese auf, daß die seß-
haften Völker mehr zum Realismus neigten, zu einer
Imitation der Natur, aus einem gewissen Respekt vor
ihr, während die Nomaden und die Entwurzelten den
Visionen und Kombinationen des Geisies den ersten
Platz zugestehen. Auf unsere Zeit bezogen wurde die
Kunst der Abstraktion in dem Augenblick bevorzugt,
als z. B. die „Ecole Francaise" zu einer „Ecole de Paris"
und Paris zu einer kosmopolitischen Metropole wurde.
Bernhard Dorival berichtet über den Irrealismus. In
einem Vorwort heißt es: „Die moderne Kunst kreist
um das, was man den Kampf mit dem Wirklichen nen-
nen könnte. Soll die Malerei mit der Wirklichkeit bre-
chen?" Dann beginnt Dorival: „So interessant es auch
ist, die Richtung zu verfolgen, die die Erben des Realis-
mus und die Liquidatoren des Surrealismus nehmen, das
größte Phänomen dieser Kriegsjahre ist das Wiederauf -
tauchen der Bewegung ,irrealiste' und ,anhumaniste',
der .reinen Malerei' von der jeder glaubte, sie sei end-
gültig abgetan."
In einem Aufsatz von Gaston Poulain wird die Frage
nach dem Sinn der Malerei gestellt. Ein Abschnitt dar-
aus: „Es ist augenblicklich viel die Rede von der Schaf-
fung von Energie durch Zerstörung der Materie. —
War nicht und ist nicht noch die Zerstörung des visu-
ellen Gedächtnisses Schöpferin von Energie, wenn wir
dieses Postulat auf die Malerei übertragen? Ohne Zögern
werden wir zustimmen, aber unter der Bedingung, daß
wir erstens der Ehrlichkeit und Reinheit der Verant-
wortlichen sicher sind und zweitens, daß wir ihre Vita-
lität festgestellt haben."
Im gleichen Aufsatz wird noch viel über das Schwarz
als Farbe geschrieben. Eine Diskussion, die in fast allen
Heften wiederkehrt. Braque unterscheidet in seinem Bild
„Interieur" vier- oder fünferlei Schwarz. Selbst in der
Mode unterhält man sich über das Schwarz, von dem
man eigentlich nur im Plural sprechen sollte, — sagt
der in allen Sparten vertretene Illustrator, Bühnenbild-
ner, Wohnungs- und Filmdekorateur, Mode- und Re-
klamezeichner Christian Berard. S.~
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— EINE NOTWENDIGKEIT
In den vor uns liegenden Jahren wird nicht nur
der wirtschaftliche Zusammenbruch mit seinen
Begleiterscheinungen als Folge des selbstmör-
derischen Krieges in seiner ganzen grausigen
Tragik offenbar werden, auch der geistige
Niedergang als Ergebnis der jahrelangen Un-
terdrückung aller freien und individuellen Le-
bensäußerungen wird sich seinem Tiefpunkt
nähern, trotz größter Anstrengungen all derer,
die die Notwendigkeit erkennen, schon jetzt
aktiv den geistigen Wiederaufbau unseres Lan-
des in Angriff zu nehmen.
Wer die Entwicklung mit offenen Augen ver-
folgt, der wird die ungeheure Gefahr erkennen,
die in diesem doppelten Niedergang liegt. Seine
Auswirkungen werden in der breiten Masse des
Volkes Instinkte freimachen, die den Aufbau
einer vernünftigen, in der Menschlichkeit wur-
zelnden Ordnung in Frage stellen. Schon heute
ist nicht zu verkennen, daß unter der Oberfläche
der Tagesereignisse, deren Ruhe durch die Be-
satzungsmächte gewährleistet wird, sich ein un-
terirdischer Kampf anbahnt, der wegen seiner
Ziellosigkeit und seiner unbegreiflichen Absich-
ten nur um so gefährlicher ist. Deshalb gilt es,
dieses sich unter unseren Augen langsam voll-
ziehende Zusammenbrauen des Chaos zu ver-
hindern, das nicht nur die Rückkehr Deutsch-
lands zur großen Gemeinschaft der Völker illu-
sorisch machen, sondern die ruhige Entwicklung
des Weltfriedens überhaupt stören würde.
Die politische und wirtschaftliche Ohnmacht
Deutschlands darf uns hier den Blick nicht trü-
ben. Unabsehbar ist auch für die Entwicklung
der anderen Völker die Gefahr, die solch ein
Unruheherd allein durch sein Vorhandensein
bildet; denn die seelischen Kräfte eines
Volkes sind mit seiner Isolierung noch lange
nicht gebunden, sie strahlen weit über seine geo-
graphischen und politischen Grenzen hinaus.
Und so gilt es, neben dem wirtschaftlichen auch
das geistige Abgleiten vor Erreichung sei-
nes Tiefpunktes aufzufangen. Der drohenden
Gefahr können und müssen wir alle so schnell
und so tatkräftig als möglich entgegentreten,
indem wir die geistige Plattform schaffen, von
der aus jeder auf seine Weise am Neuaufbau
mithelfen kann.
Zur Schaffung dieser Voraussetzungen sind
weder die freie Presse, wie sie bereits in allen
Besatzungszonen aufgebaut wurde, noch die
sich langsam von 12 jährigem Dämmerschlaf er-
holende Literatur allein in der Lage; denn
beide wenden sich ihrer Natur gemäß vornehm-
lich an den Verstand des aufnahmebereiten Le-
sers. Unsere jüngste Vergangenheit hat jedoch
eindeutig gezeigt, daß jeder Appell versagt,
wenn es nicht gelingt, die Menschen auch von
der gefühlsmäßigen Seite her zu packen
und zu beeinflussen; so hängt ja auch der Erfolg
aller Führer der Massen ab von ihrem Geschick,
die seelischen Kräfte der Menschen ihren Ideen
dienstbar zu machen. Und hierin lag auch, so-
weit es die breite Masse betraf, der anders nicht
zu erklärende Erfolg des nunmehr überwunde-
nen Systems begründet.
Es liegt nicht im Sinne unserer Besatzungs-
mächte noch in dem der bewußt um Wege der
Neuordnung ringenden Deutschen, das sich ge-
genwärtig entfaltende politische Leben, das wie
nie zuvor im Rationellen wurzelt, niederzuhal-
ten oder gar zu unterbrechen. Gewisse politische
Machenschaften im nördlichen Deutschland
scheinen freilich zu beweisen, daß es immer
noch möglich ist, den freien Meinungsaustausch
zugunsten der terroristischen Parolen einzelner
zum Verstummen zu bringen. Dies zeigt, wie
sehr unser Volk zur Gestaltung eines geordne-
ten Staatslebens der geistigen Betreuung bedarf.
Wenn man den Fragenkomplex in seiner gan-
zen Tragweite überblickt; wenn man dabei in
Rechnung stellt, daß seelische Krisen eines Vol-
kes durch äußere Machtmittel, wie immer auch
sie geartet sein mögen, nicht behoben oder etwa
fortgeredet werden können; wenn man dazu
noch bedenkt, daß die Entscheidung über sein
Schicksal letztlich allein in den Händen des
deutschen Volkes liegt, dann löst sich von selbst
die Frage: „Was ist zu tun?" Es gilt, die
Wahrheit zu suchen und zu finden, die zum
Frieden im Innern und darüber hinaus zum
Gedanken des wahrhaften Weltfriedens führt.
Dies ist die Aufgabe der Kunst; weil sie vom
Seelischen her klärend und ordnend wirken
kann, weil sie berufen ist, dem Menschen die
letzten Fragen seiner Existenz zu erläutern und
ihn zur unbestechlichen Wahrheit zu führen.
Allein der Wirkungsbereich der Kunst ist zu-
meist örtlich begrenzt. Einzig beim Film lie-
gen die Verhältnisse anders. Ihm ist wie keinem
anderen künstlerischen Ausdrucksmittel durch
seine Breitenwirkung die Möglichkeit der seeli-
schen und zugleich auch verstandesmäßigen Be-
einflussung aller Bevölkerungsschichten gege-
ben, auch dann, wenn er sich bewußt jeglicher
Zweckpropaganda enthält und sich auf seine
herkömmlichen Aufgaben beschränkt. Diese
sind thematisch ebenso vielseitig wie die der
Literatur. Entsprechend jeder echten Kunstauf-
fassung soll jedoch das immer wiederkehrende
Grundthema im Menschlichen wurzeln. Das be-
dingt in der heutigen Zeit, daß sich der Film
der Lösung der Gegenwartsprobleme nicht ent-
zieht; er wird sich im Gegenteil mit ihnen ein-
gehend zu befassen und eine künstlerische, der
Wahrheit zustrebende Lösung zu suchen haben.
Tut er dies wirklich unter Ausnützung aller
ihm zu Gebote stehenden Mittel (des Bildes,
der schauspielerischen Gestaltung, des Wortes
und der Musik), so wird er zu einem wesent-
lichen Faktor der Verständigung von Mensch
zu Mensch und somit auch von Volk zu Volk.
Indem er versucht, auf seine Art bis in die Tie-
fen der beginnenden geistigen Differenzen vor-
zudringen, kann es ihm vielleicht gelingen, in
Zusammenarbeit mit den übrigen Kräften kul-
tureller Lebensäußerung die durch den Zusam-
menbruch bedingte und um der Wahrheit wil-
len notwendig gewordene Revolution des
deutschen Denkens in friedliche Bahnen zu
lenken.
In dieser Erkenntnis hat sich in München ein
Kreis junger Menschen zusammengefunden, die,
in den verschiedenen Gebieten von Kunst, Wirt-
schaft und Politik beheimatet, danach streben,
mit allen ihren Kräften am Neuaufbau des
deutschen Films zu arbeiten. In Anbetracht
der erwähnten Tatsachen ist die Schaffung des
neuen deutschenFilms zur dringenden
Notwendigkeit geworden. Eines Filmes also,
der der Mentalität des deutschen Volkes ent-
spricht und damit im besten Sinne „erziehe-
risch" wirken wird. .
Trotz seiner offensichtlichen künstlerischen und
technischen Vorzüge spricht der amerikanische
Film- im Grunde genommen zum amerika-
nischen Volk, für das er hergestellt wurde
und aus dessen geistiger Lebensform und wirt-
schaftlicher Struktur er erwächst. Dagegen wer-
den mondäne Ausstattungsfilme allein, aus
einem wirtschaftlich gesicherten und innerlich
gefestigten Lande kommend, Menschen nur
traurig und mutlos machen, deren eigene soziale
und wirtschaftliche Verhältnisse auf einem so
trostlosen Stand angelangt sind, wie der unse-
res Volkes. Diesen Kontrast soll der deutsche
Film überbrücken. Er muß den Weg in eine bes-
sere Zukunft weisen, in eine Welt der Freiheit,
deren große Möglichkeiten uns der amerika-
nische Film vor Augen führt.
Aus diesem Grunde sind die amerikanischen
Filme für uns wertvoll.
Die Vorarbeiten zur Schaffung des deut-
schen Films sind zu leisten. Für das deutsche
Volk bestimmt, in späteren Jahren vielleicht
auch anderen Völkern von ihm Kunde gebend,
soll er aus dem Volke unmittelbar hervorgehen.
Seine künstlerische Gestaltung wird in berufe-
nen Händen liegen müssen. Naturgemäß kann
dieser ausführende Kreis nur klein sein, doch
wird man sich an alle Schichten der Bevölke-
rung wenden und sie zur Mitarbeit aufrufen.
In Form von Vorschlägen und Anregungen tech-
nischer wie künstlerischer Natur kann dies ge-
schehen. Diese Anregungen sollen sich nicht mit
den zur Genüge bekannten seelenquälerischen
Erinnerungen befassen, die immer nur alte
Wunden aufreißen würden, sondern sollen die
positive Seite des Lebens zum Gegenstand ha-
ben. Sie können so vielgestaltig wie möglich
sein, denn vielgestaltig wie das Leben ist der
Film und manch weltbewegendes Problem läßt
sich oft im Rahmen einer satirischen, parodisti-
schen oder rein spielerischen Filmhandlung bes-
ser lösen als auf irgendeine andere Weise.
Der neue deutsche Film soll dem Volke ein
Spiegel sein, damit es lernt, sich selbst zu er-
kennen und die Grenzen zu achten, in denen
seine Fähigkeiten endlich ihm selbst zum
Segen und der Welt zum Nutzen gereichen
können. Hans Weidner
Probleme der Kunst in Frankreich
Die französischen Zeitschriften — bei deren Durchblät-
tern wir kaum einen Seufzer der Sehnsucht nach ähn-
lichen technischen Möglichkeiten unterdrücken können
— berichten von einem allgemein regen Kunstleben.
Auf allen Gebieten der Kunst ist die Suche nach einer
neuen Ausdrucksmöglichkeit festzustellen. Allgemein ist
die Abwendung von der „neuen Sachlichkeit" und ein
offenbarer Hang zum „Mittelalter" im Sinne der durch-
geistigten Primitivität zu erkennen.
Rene Huyghe schreibt am Anfang eines Artikels über
„Die Aktualität des Mittelalters": „Sind es die Ten-
denzen in der neuen Malerei, welche die Aufmerksam-
keit auf die romanische Kunst und deren hohe Stilform
gezogen haben, oder ist es die Erneuerung der roma-
nischen Plastik, die in den Erscheinungen unserer Zeit
ihren Widerhall findet? Das eine wie das andere ist
wahr". Dann führt er eine große Anzahl Bücher, Ver-
öffentlichungen usw. an, die sich etwa ab 1938 in stei-
gendem Maße mit der romanischen Zeit befassen. Er
schreibt weiter: „Man wirft der modernen Malerei vor,
daß sie unsere Tradition verneint?" M. Lajard versichert
bei der Eröffnung seiner neuen Sammlung, daß, ganz im
Gegenteil, die französische Malerei zu ihrer eigenen
Tradition zurückgekehrt sei, und zwar derart, daß sie
ausdrucksvoll und vereinfacht, ebenso alt als modern
daran anschließt. Und in einem anderen Aufsatz schreibt
derselbe Kritiker über den heftigen Kampf um die
figurative oder nichtfigurative Kunst. Er versucht zu
versöhnen und sagt, daß beide eine Tradition haben
und_ oft genug nebeneinander existieren.
Er stellt die interessante Hypothese auf, daß die seß-
haften Völker mehr zum Realismus neigten, zu einer
Imitation der Natur, aus einem gewissen Respekt vor
ihr, während die Nomaden und die Entwurzelten den
Visionen und Kombinationen des Geisies den ersten
Platz zugestehen. Auf unsere Zeit bezogen wurde die
Kunst der Abstraktion in dem Augenblick bevorzugt,
als z. B. die „Ecole Francaise" zu einer „Ecole de Paris"
und Paris zu einer kosmopolitischen Metropole wurde.
Bernhard Dorival berichtet über den Irrealismus. In
einem Vorwort heißt es: „Die moderne Kunst kreist
um das, was man den Kampf mit dem Wirklichen nen-
nen könnte. Soll die Malerei mit der Wirklichkeit bre-
chen?" Dann beginnt Dorival: „So interessant es auch
ist, die Richtung zu verfolgen, die die Erben des Realis-
mus und die Liquidatoren des Surrealismus nehmen, das
größte Phänomen dieser Kriegsjahre ist das Wiederauf -
tauchen der Bewegung ,irrealiste' und ,anhumaniste',
der .reinen Malerei' von der jeder glaubte, sie sei end-
gültig abgetan."
In einem Aufsatz von Gaston Poulain wird die Frage
nach dem Sinn der Malerei gestellt. Ein Abschnitt dar-
aus: „Es ist augenblicklich viel die Rede von der Schaf-
fung von Energie durch Zerstörung der Materie. —
War nicht und ist nicht noch die Zerstörung des visu-
ellen Gedächtnisses Schöpferin von Energie, wenn wir
dieses Postulat auf die Malerei übertragen? Ohne Zögern
werden wir zustimmen, aber unter der Bedingung, daß
wir erstens der Ehrlichkeit und Reinheit der Verant-
wortlichen sicher sind und zweitens, daß wir ihre Vita-
lität festgestellt haben."
Im gleichen Aufsatz wird noch viel über das Schwarz
als Farbe geschrieben. Eine Diskussion, die in fast allen
Heften wiederkehrt. Braque unterscheidet in seinem Bild
„Interieur" vier- oder fünferlei Schwarz. Selbst in der
Mode unterhält man sich über das Schwarz, von dem
man eigentlich nur im Plural sprechen sollte, — sagt
der in allen Sparten vertretene Illustrator, Bühnenbild-
ner, Wohnungs- und Filmdekorateur, Mode- und Re-
klamezeichner Christian Berard. S.~
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