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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0040
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LEDERMANTEL

SÄUBERUNG5-ÜBERLOGIK

K. H. Böcher

EINE BAYERISCHE INDIANERGESCHICHTE
Frei nach James Fenimore Cooper

„Hier kann man wieder atmen!" rief der Mann und
schüttelte die Faust in Richtung Norden. ,,Hier ist
es dunkel und vor allem — der See ist herrlich!"
Er schickte seinen machtvollen Kampfruf in die
Höhen der Gindelalm, daß die Gemsen erschreckt
den Tierschutzverein in München anriefen: ,,Hilfe,
Wildtöter ist in Bayern!"

Aber dieser war es nicht! Ledermantel war's!
Ledermantels Kampfruf war es, der den Tieren des
Waldes Schreck einjagte. Das ,,H" dieses Rufes
übernahm er vom Hurra seiner Väter, die meist
nicht auf dem Felde der Ehre starben, sondern an
Schlaganfällen, oder langjährigen Quecksilberkuren
zum Opfer fielen. Das gellende ,,E" verbindet sich
mit einem vergifteten, langspitzigen ,,I" zu einem
breiten ,,EI", dem nur noch ein lallendes ,,L" zu-
gefügt werden braucht, um, wenn es Ledermantels
rauhe Kehle verläßt, einen Schauer über die meist
gebückten Rücken seiner Feinde zu jagen. Er kannte
diesen grellen Ruf vom elterlichen Wigwam. Sein
Bruder Sporenklang — Manitu hab' ihn selig —
lehrte ihm das; ebenso das frappierende Absatz-
geräusch bis zur virtuosen Vollendung, daß selbst
der um 10 Saalschlachten ältere Krieger Wutauge
vor Neid erblaßte.

Dieser Ledermantel, ein Krieger, dessen Gürtel un-
zählige Skalps zierten (übrigens — die 38. Frage
beantwortet Ledermantel immer mit freudigem Ja!),
war ausgezogen, die Rothäute zu erlegen; aber viele
Hunde ließen ihn mit Weidmannsheil quittieren. Er
verließ die Preßluft atmenden Städte; er floh die
Kasernenhöfe, öd und leer wie sie wurden. Er
meidet auch die Flugplätze, über die jetzt friedliche
Pflüge ziehen; er" stürzt sich nicht in sein eigenes
Zierschwert, das ihn auch als Zahlmeister nie ver-
ließ — nein, nur ein panischer Panzerschreck ließ
ihn sich zurückziehen in die Savannen und in die
Berge, wie einst die Stämme der Dakotas und Iro-
kesen. Zurück nach Bayerns unwirtlichen Jagd-
gründen! In die unwirtlichen Berge Miesbachs, an
die rauhen Gestade des Schliersees und Tegernsees!
An die alten Kultstätten zog es Ledermantel. Dort
schlug er sein Zelt auf. Seine Squaw kocht ihm das
gehamsterte Bisonfleisch und webt mit am feinen
Faden der Zukunft, den Ledermantel spinnt. Scheint
die Sonne mild auf den See, holt Ledermantel das
Bärenfell heraus und sonnt die niemöllermüden
Arme. In einem kleinen Gärtchen, das er kriege-
rischen Taten verdankt — nicht etwa der Boden-
reform —, sprießen die vielbegehrten, von alters
her besungenen Edelweiße! In 20 ausgerichteten
Viererreihen, also 80 Stück, hatte Ledermantel sie
in mühevoller Arbeit durch Schnee und Kälte durch-
gebracht. Aber, aber: „Es fiel ein Reif in der Früh-
lingsnacht!" —

Ledermantel ist hart im Nehmen. Seine Freizeit
opfert er seinem Wolfszwinger fast gänzlich. Er
versteht es meisterhaft, die Werwölfe mit harm-
losen Schafsköpfen zu tarnen. (Denkfehlerberichti-
gung des Autors, es muß heißen: Schafsköpfe als
Werwölfe zu tarnen!) Er dressiert sie auf den
Mann. Auch Scheibenschießen ist Ledermantels hei-
liges Erbgut. Er tut es im Verband. Haßherz aus
Miesbach ritt auf ungesatteltem Mustang zu diesem
Behufe zu ihm. Selbst Holzbein scheute den Umweg
über drei Flüsse und zwei Seen nicht, um im Kanu
von Uffing zu kommen. Von den Almen kamen die
treuen Männer seiner Farbe, braungebrannt vom
Skisport, der ihnen das kümmerliche Leben fristete.
Und sie erzählten sich die alten Mären: vom beben-
den Adler, der in Nürnbergs Mauern horstet; so

manchen Streich—er zählten sie sich am Lagerfeuer
Ledermantels. Und ihre Blicke waren voll unver-
söhnlicher Feindschaft wider alles Seiende. Und sie
rasselten mit den Ketten, die nie an ihnen hingen,
und es war, als ob Manitus 1000jährige Stimme
aus einem Benzinkanister donnernd zu ihnen sprach:
„Ich habe mich entschlossen, von den Toten aufzu-
stehen. Ich werde bei Hof die Grenze überschreiten,
aber nicht für 100 Tage, sondern für 1000 Jahre!
Der Kriegsruf unserer tapferen Krieger ist vorerst
zu unterlassen. Ich will mich in Zukunft Adam
heißen und mit Eva bin ich dann eins. Prof. Hof-
mann und alle 37er Pg. kommen an den Marter-
pfahl. Der .Völkische Beobachter' erscheint dann
wieder regelmäßig." So vernahmen es die Kund-
schafter, die Krieger, die. Axtmänner, die Lanzen-
träger und sie ballten die Panzerfäuste, und es
schwur jeder einzelne: „Sieben auf einen Streich,!"
Und Ledermantels Augen glänzten fast vor Rüh-
rung, noch mehr wie die langen Stiefel, die ihn
durch manches Kasino getragen hatten.
Und während die Krieger die Pfeifen stopften
und nach den vier Winden rauchten, die Amuletts
im Kreise herumreichten und sich an Ledermantels
zahlreichen Skalps freuten, tippten die Squaws mit
hurtigen Fingern auf den Underwood's die Listen
der Vierhundert. Sie fingen an mit Buchstaben A
bis Minister, von Niemöller weiter bis zum Z. Nur
wer das Glück hatte, außer dieser Buchstabenreihe
zu stehen, blieb verschont. ■—
Lieber Leser! Nachdem Du Baldrian aus dem Maß-
krug trankst, hoffe ich Dich vorbereiten zu können
mit der frohen Nachricht, daß man diesen Kelch von
uns genommen hat; sie sind in Moosburg oder so!
Aber nimm noch einen kräftigen Schluck. Einige,
viele gibt es noch. Erst kürzlich stand Ledermantel
selbst auf dem Trittbrett. Sein frisches und wohl-

genährtes Gesicht trug den Stempel biederer Offen-
herzigkeit. Seine Kleidung, in der Hauptsache aus
gegerbten Häuten, verrät seinen Aufenthalt an der
Grenze der Zivilisation und den Urwäldern der Ver-
gangenheit. Unverkennbar legt Ledermantel Wert
auf seine Erscheinung. Seine Seele ist gepflegt wie
der Lauf seines Revolvers. Auf der blondbehaarten
Brust hat er ein blaues Chamäleon tätowiert, sein
Gehirn mit Jagdsprüchen seiner Erziehung verziert.
Er mißt 6 Fuß 4 Zoll und ist im Besitze eines ärzt-
lichen Attestes. Seine Mokassins reichen bis zum
Knie. An den Hochschulen ist Ledermantel uner-
wünscht, an den Baustellen nie zu sehen. Die Wahr-
heit gesagt: Ledermantel ist kein Gespenst! Leder-
mantel gibt es! Schau Dich um!! Plagiatus

Stammgericht . . .

Willmann

2 Uhr 5 Uhr

40
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Säuberungs-Überlogik" "Stammgericht ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Willmann, Ernst
Böcher, K. H.
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 4, S. 40.

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Erschließung

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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