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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0078
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OSKAR MARIA GRAF: KLEINE LEBENSÜBERSICHT

Auf unsere Bitte hin hat der unvergessene Schriftsteller
Oskar Maria Graf, der unerschrockene Kämpfer für die
Menschlichkeit, dein „SIMPL" nachfolgende kurze Selbst-
biographie übersandt, die wir seinen Freunden nicht vor-
enthalten möchten. l>ic Redaktion.

Ich bin am 28. Juli 1894 in Berg am Starnberger
See in Oberbayern geboren. Der Ort ist sehr be-
kannt geworden, weil sich dort der geisteskranke
König Ludwig II. im Jahre 1886 im See ertränkte.
Mein Vater war Bäckermeister und meine Mutter
eine Bauerntochter. Das Geschlecht meiner Mutter
war ein ürseßhaftes, echt bayerisch katholisches.
Von meinen väterlichen Vorfahren ist mir be-
kannt, daß sie einst fromme Waldenser waren und
aus dem Südfranzösischen nach Tirol kamen. Sie
lebten in einem Tal an dem kleinen Flüßchen Sulz-
bach, das damaligerzeit zum Bistum Salzburg ge-
hörte. Von dort wurden sie mit den Protestanten
bei der berühmten „Salzburger Austreibung" Anno
1731 ebenfalls außer Landes gejagt. "Wie man weiß,
stellte der Preußenkönig Friedrich Wilhelm die
Protestanten unter seinen Schutz und erwirkte, daß
sie ihre Habseligkeiten mitnehmen durften. Er sie-
delte diese Flüchtlinge hauptsächlich im Ostpreußi-
schen an. Die armen "Waldenser wurden zum gro-
ßen Teil von den katholischen Häschern umgebracht.
Die Wenigen von ihnen, die über die bayerische
Grenze kamen, wanderten lange Jahre unstet
herum und „tarnten" sich als Katholiken. Sie nah-
men schließlich auch diesen Glauben an. Einer mei-
ner Vorfahren kam bis nach Amerika. Er hieß
Jakob Graff (-die Schreibweise war damals so) und
in seinem Hause in Philadelphia hat Thomas Jeff er -
son an der amerikanischen Unabhängigkeitserklä-
rung geschrieben.

Emigrantentum scheint also in meiner Familie halb-
wegs vererbt zu sein, und die Herkunft meiner
väterlichen Urahnen muß wohl dazu beigetragen
haben, daß wir in Glaubensdingen alle so skeptisch
geworden sind.

Wie alle meine Brüder erlernte ich das väterliche
Handwerk und übte es auch bis nach dem ersten
Weltkrieg aus. Siebzehnjährig ging ich 1911 in die
Fremde und geriet sehr bald in die damaligen
Münchener Boheme-Kreise. In der Folgezeit war
ich Müller, Postaushelfer, Plakatausträger, Lift-
boy, Vagabund und wurde schließlich Soldat an

der russischen Front. Als ich zum Kriegsdienst ein-
gezogen wurde, waren jene Intellektuellen, von
denen ich soviel gelernt hatte, längst als Frei-
willige ins Feld .gerückt. Ich beschloß, ganz für mich
und auf meine Kosten den Krieg zu „liquidieren",
und hoffte insgeheim, mein Beispiel würde auch
auf andere wirken. Ich verweigerte im Felde den
Offizieren den Gehorsam, sollte vor ein Kriegs-
gericht gestellt werden, machte den ersten Hunger-
streik, wurde vierzehn Monate ins Irrenhaus ge-
sperrt und schließlich vom Heeresdienst entlassen.
Ich war Sozialist aus Einsicht und Uberzeugung
geworden, schloß mich den Revolutionären um
Kurt Eisner an und beteiligte mich an der Mün-
chener Revolution von 1918, an der Münchener
Räterepublik und an allen Aktionen der Arbeiter-
schaft. Die Einheitsfront aller Sozialisten galt mir
immer als Ziel. Daneben schrieb ich auch Bücher.
Seit Hitlers Machtantritt lebe ich in der Emi-
gration. Vom Februar 1933 bis zum Aufstand der
österreichischen Arbeiter gegen das Dollfuß-Regime
lebte ich in Wien. Während dieser Zeit ereignete es
sich, daß die Hitlerregierung anläßlich der berüch-
tigten Bücherverbrennungen in Deutschland meine
Werke auf die Liste der „empfohlenen Literatur"
setzte. In der Arbeiterzeitung (Wien) vom 11. Mai
1933 veröffentlichte ich daraufhin meinen bekann-
ten Protest „Verbrennt mich", der in der ganzen
Weltpresse erschien. Nun erst wurden meine Bücher
bei einer Extraveranstaltung der Studenten in der
Aula der Münchener Universität verbrannt und
verboten. Ich habe mir nie träumen lassen, daß sich
so studierte Herren überhaupt jemals mit meinen
Büchern beschäftigen würden.
Kurz darauf wurde ich „aus dem Deutschen Reiche
ausgebürgert". Da die Regierungen aller Länder
der Welt diese Hitler-Ausbürgerungen anerkann-
ten, bin ich also juristisch vollgültiger „Staaten-
loser". Was ich mir immer wünschte, bin ich tat-
sächlich geworden: „Das Weltkind in der Mitte."
Jetzt suche ich nur noch die dazu passende Sprache.
Im März 1934 ging ich in die Tschechoslowakei
und lebte bis 1938 dort. Unvergessen bleibt mir
während dieser Jahre der Besuch des Unionskon-
gresses der Sowjetschriftsteller in Moskau. Ich
lernte dort viele Berühmtheiten kennen, unter

anderen auch Klaus Mann. Daran anschließend be-
reiste ich den sowjetrussischen Süden. 1938, kurz
nach der ersten tschechischen Mobilmachung, die
durch den Verrat von München inhibiert wurde,
ging ich nach Amerika und lebe seither in Neu-
york. Viele Reden und Vorlesungen vor deutsch-
amerikanischen Arbeitern führten mich durch große
Teile dieses Riesenlandes, einen Ureinwohner aber
habe ich bis jetzt noch nicht gesehen.
Bücher habe ich an die dreißig geschrieben. Die
meisten sind ins Russische, .einige ins Englische,
Französische, Tschechische und Spanische übersetzt.
Exemplare der deutschen Ausgaben kann man zu-
weilen noch in amerikanischen Public Librarys auf-
stöbern. Seit 1933 erschienen von mir im Ausland:
Der bayerische Bauernroman „Der Harte Handel",
dann „Der Abgrund", ein Zeitroman, und „Anton
Sittinger", ein satirischer Roman. Alle hat die Ge-
stapo beim Einmarsch der Hitlerheere in diese Län-
der von neuem vernichtet.

Tn Amerika erschien 1940 mein Buch „The Life of
My Mother". Ich versuchte nebenher einige meiner
verschwundenen und verbrannten Bücher hier in
Amerika selbst zu verlegen und zu vertreiben.
Durch die tatkräftige Subskription der freiheit-
lichen Deutschamerikaner habe ich auf diese
Weise „Das bayrische Dekameron" und „Anton
Sittinger" und später die längst vergriffene eng-
lische Ausgabe meiner Autobiographie „Wir sind
Gefangene" (Prisoners All) publizieren können.
Nun endlich haben elf deutsche antifaschistische
Schriftsteller hier in Neuyork im Jahre 1945 den
genossenschaftlichen „Aurora Verlag" gegründet,
der sich durch seine hübschen Buchausgaben sehr
schnell Vertrauen erwarb. In diesem Verlag er-
schien als erstes Buch mein Erzählungsbändchen
„Dei1 Quasterl". Die deutschen Rechte für „The
Life of My Mother" und meinen neuen Roman
„Unruhe um einen Friedfertigen" hat Aurora eben-
falls erworben.

Natürlich habe ich sehr viel für die Schublade ge-
schrieben in all diesen Jahren, denn man will ja
nicht aus der Übung kommen, und mein Vater
selig hat immer gesagt: „Sachen, die nicht verder-
ben,setzen sich früher oder später alle ab.Gut ist's,wenn
man bei solchen Gelegenheiten genug davon hat."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"In der Vorstadt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kößlinger, Ernst
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 7, S. 78.
 
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