POSITIVES
Erinnern Sie sich des Bilderbogens in Nr. 7, der
den „Aufmarsch der Parteien" darstellte? Diese
Zeichnung hat bereits genügt, den SIMPL unter
Verdacht zu stellen, er mache kirchliche Ein-
richtungen verächtlich. Nun war diese Illustration
rein politischer Natur. Wenn hier also ein Ver-
dacht auf Verächtlichmachung kirchlicher Ein-
richtungen auftauchen konnte, so deutet das nur
darauf hin, daß an irgendeinem Punkt Kirche
und Politik nicht voneinander zu trennen sind.
Es handelt sich dabei offenbar um einen „wunden
Punkt", denn die Reinheit des Geistes unserer
Kirchen leidet darunter mindestens so sehr, wie
die Politik unserer werdenden Demokratie.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, daß die
Kirche sich in fast allen Monarchien Europas
einen erheblichen politischen Einfluß gesichert
hatte. Niemand wird ihr daher einen Vorwurf
aus ihrer platonischen Neigung zu faschistischen
Regimes, als die illegitimen Sprößlinge der Mo-
narchien, machen. Wenn sich Hitler, im Gegensatz
zu dem dankbaren Franco und dem nicht ganz
undankbaren Mussolini, dieser Zuneigung nicht
würdig zeigte, so liegt der Fehler gewiß nicht bei
der Kirche. Ihre neuerliche politische Aktivität
in Bayern muß natürlich nicht unbedingt mit
diesen Neigungen etwas zu tun haben.
Ein Blick in die Gegenwart könnte nun zeigen,
daß in den rein demokratischen Staaten, wie die
USA. und Frankreich, die Kirche einen fast aus-
schließlich sozialen und religiösen Charakter
trägt. Allerdings spielt sie dort auch keine
staatspolitische Rolle und genießt grundsätzlich
die Rechte von Privatgesellschaften. Wer sie
lediglich von dort kennt, wird nur Ehrfurcht
und Bewunderung ihr gegenüber empfinden
können. Bei uns in Bayern allerdings finden Sie
die Hand der Kirche in sämtlichen Ministerien,
politischen Kombinationen und Wahlfeldzügen,
weshalb es wohl auch notwendig scheint (eine
andere Erklärung ist dafür kaum zu finden), die
„Achtung und Ehrfurcht" vor ihr verfassungs-
mäßig (Verfassungsentwurf Art. 100, Abs. 2)
als „oberstes Bildungsziel" zu dekretieren.
Um so erfreulicher erscheinen uns daher die
Anordnungen des Erzbistums München-Freising
für den bayerischen Klerus, sich der politischen
Betätigung innerhalb der Kirchen zu enthalten.
Die Bischofskonferenz in Fulda folgt übrigens
der gleichen Linie. Sogar unser protestantischer
Landesbischof entschloß sich etwas später — so-
mit also wohl nach katholischem Vorbild? —
sich in diesem Sinne für die bayerischen Pastoren
zu äußern. (Ob ein entsprechender Vermerk
bereits anno 1530 in der „Confessio Augustana"
uns nicht (nur) heute den ganzen Fragenkomplex
erspart hätte, soll hier nicht diskutiert werden.)
Wenn also der SIMPL mit seinen Mitteln hin
und wieder an diesen „wunden Punkt" rührt,
so kommt er doch wohl den Bestrebungen unse-
rer Kirchen entgegen, indem er die Nichtbefol-
gung der episkopalen Richtlinien ans Licht zieht.
Am Ende bedeuten solche Anordnungen aber
doch nur ein kleines Pflaster auf dem „wunden
Punkt". Gewisse, der Kirche recht nahestehende
Kreise scheinen sich eine etwas eigentümliche
Auffassung des Begriffes „Demokratie" anzu-
eignen, insbesondere was ihre Vorstellungen von
„Meinungsfreiheit, Pressefreiheit etc." anbetrifft.
Der SIMPL ist aber überzeugt, daß die Kirche
in ihrem aufrichtigen Willen zur Demokratie die-
sem Treiben ihrer Kinder, das ihren guten Ruf
als „Religionsgemeinschaft" außerdem ernstlich
gefährdet, nicht lange zusehen wird. Man kann
natürlich noch nicht voraussehen, ob schon der
nächsten Bischofskonferenz ein Plan zur „demo-
kratischen Schulung" vorgelegt wird, immerhin
würden wir uns freuen, wenn sie dabei die ameri-
kanische Demokratie zum Vorbild nehmen würde.
Auch einer endgültigen „Trennung von Staat und
Kirche", wie sie von reingeistigen Katho-
liken seit langem angestrebt wird, würden wir
unseren Beifall gewiß nicht versagen.
Bis dahin sieht der SIMPL eine seiner ernstesten
Aufgaben darin, der wirklichen Kirche im
Kampfe gegen die ihr und der freien Demo-
kratie schädlichen Tendenzen mancher Anhänger
tatkräftig zu helfen, wie er es auch bisher
getan hat. Marc Martell
J. Wisbeck
AM VOLK
„Was heißt schon ,Schwarzbrennerei'! Wir veredeln doch nur die Kartoffel für den Konsumenten!"
DIE CHANCE
Passau, am 28. März 1946
Dr. RIEMER
Dompropst u. Generalvikar
Betrifft: Gesetz zur Befreiung
von Nationalsozialismus und Militarismus
Durch die dauernde und regelmäßige Verbindung
der Ortsgruppe Passau des Deutschen Luftsport-
verbandes — seit 1937 umbenannt in NSFK., Sturm
Passau — mit mir persönlich und mit der katholi-
schen Kirche sind mir die innere Haltung und das
äußere Auftreten dieser Vereinigung recht wohl
bekannt.
Bei jeder Gelegenheit, die dazu Anlaß gab, hat
diese Vereinigung trotz wesentlicher Anfeindun-
gen durch die NSDAP, ihre treue Gesinnung zur
Kirche öffentlich und regelmäßig gezeigt.
Neben dem Umstand, daß ein großer Teil der
Mitglieder der Katholischen Gesellenorganisation
entstammte und gegen alle Bemühungen der Kreis-
leitung von der Vereinigung gehalten wurde,
muß die Tatsache, daß diese nur dann Flugzeuge
in Gebrauch nahm, wenn sie vorher kirchlich ge-
segnet waren, als standhaftes und öffentliches Be-
kenntnis zu ihrem Glauben und als Ablehnung
Als besondere kirchliche Veranstaltungen sind zu
erwähnen:
1. Im Jahre 1933 die öffentliche Weihe eines
Segelflugzeuges durch den Hw. Herrn Bischof
am Domplatz.
2. Im Oktober 1934 die öffentliche Weihe eines
Motorflugzeuges durch mich am Flugplatz Kohl-
bruck.
3. Im Juli 1935 die öffentliche Weihe von fünf
Segelflugzeugen durch mich am Domplatz.
Besonders anerkannt muß werden, daß diese Ver-
einigung sich auch an der Beerdigung des Bischofs
Felix beteiligt hat.
Ich erachte daher die im Gesetz zur Befreiung von
Nationalsozialismus und Militarismus Artikel 39/11
Ziff. 3 als zu Gunsten des Beschuldigten festgelegte
öffentliche regelmäßige Teilnahme an den Ver-
anstaltungen einer anerkannten Religionsgemein-
schaft und die damit verbundene Ablehnung des
Nationalsozialismus als gegeben.
Die Erklärung wird Herrn............als
früheres Mitglied des Deutschen Luftsportverban-
des (später NSFK.) zum Zwecke der Denazifizie-
rung ausgehändigt. „ _ D .
5 s s gez. Dr. Fr. Riemer
Dompropst
des Nationalsozialismus gewertet werden.
(Wortgetreuer Abdruck eines vervielfältigten Schreibens des Herrn Dompropstes. Die Redaktion)
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Erinnern Sie sich des Bilderbogens in Nr. 7, der
den „Aufmarsch der Parteien" darstellte? Diese
Zeichnung hat bereits genügt, den SIMPL unter
Verdacht zu stellen, er mache kirchliche Ein-
richtungen verächtlich. Nun war diese Illustration
rein politischer Natur. Wenn hier also ein Ver-
dacht auf Verächtlichmachung kirchlicher Ein-
richtungen auftauchen konnte, so deutet das nur
darauf hin, daß an irgendeinem Punkt Kirche
und Politik nicht voneinander zu trennen sind.
Es handelt sich dabei offenbar um einen „wunden
Punkt", denn die Reinheit des Geistes unserer
Kirchen leidet darunter mindestens so sehr, wie
die Politik unserer werdenden Demokratie.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, daß die
Kirche sich in fast allen Monarchien Europas
einen erheblichen politischen Einfluß gesichert
hatte. Niemand wird ihr daher einen Vorwurf
aus ihrer platonischen Neigung zu faschistischen
Regimes, als die illegitimen Sprößlinge der Mo-
narchien, machen. Wenn sich Hitler, im Gegensatz
zu dem dankbaren Franco und dem nicht ganz
undankbaren Mussolini, dieser Zuneigung nicht
würdig zeigte, so liegt der Fehler gewiß nicht bei
der Kirche. Ihre neuerliche politische Aktivität
in Bayern muß natürlich nicht unbedingt mit
diesen Neigungen etwas zu tun haben.
Ein Blick in die Gegenwart könnte nun zeigen,
daß in den rein demokratischen Staaten, wie die
USA. und Frankreich, die Kirche einen fast aus-
schließlich sozialen und religiösen Charakter
trägt. Allerdings spielt sie dort auch keine
staatspolitische Rolle und genießt grundsätzlich
die Rechte von Privatgesellschaften. Wer sie
lediglich von dort kennt, wird nur Ehrfurcht
und Bewunderung ihr gegenüber empfinden
können. Bei uns in Bayern allerdings finden Sie
die Hand der Kirche in sämtlichen Ministerien,
politischen Kombinationen und Wahlfeldzügen,
weshalb es wohl auch notwendig scheint (eine
andere Erklärung ist dafür kaum zu finden), die
„Achtung und Ehrfurcht" vor ihr verfassungs-
mäßig (Verfassungsentwurf Art. 100, Abs. 2)
als „oberstes Bildungsziel" zu dekretieren.
Um so erfreulicher erscheinen uns daher die
Anordnungen des Erzbistums München-Freising
für den bayerischen Klerus, sich der politischen
Betätigung innerhalb der Kirchen zu enthalten.
Die Bischofskonferenz in Fulda folgt übrigens
der gleichen Linie. Sogar unser protestantischer
Landesbischof entschloß sich etwas später — so-
mit also wohl nach katholischem Vorbild? —
sich in diesem Sinne für die bayerischen Pastoren
zu äußern. (Ob ein entsprechender Vermerk
bereits anno 1530 in der „Confessio Augustana"
uns nicht (nur) heute den ganzen Fragenkomplex
erspart hätte, soll hier nicht diskutiert werden.)
Wenn also der SIMPL mit seinen Mitteln hin
und wieder an diesen „wunden Punkt" rührt,
so kommt er doch wohl den Bestrebungen unse-
rer Kirchen entgegen, indem er die Nichtbefol-
gung der episkopalen Richtlinien ans Licht zieht.
Am Ende bedeuten solche Anordnungen aber
doch nur ein kleines Pflaster auf dem „wunden
Punkt". Gewisse, der Kirche recht nahestehende
Kreise scheinen sich eine etwas eigentümliche
Auffassung des Begriffes „Demokratie" anzu-
eignen, insbesondere was ihre Vorstellungen von
„Meinungsfreiheit, Pressefreiheit etc." anbetrifft.
Der SIMPL ist aber überzeugt, daß die Kirche
in ihrem aufrichtigen Willen zur Demokratie die-
sem Treiben ihrer Kinder, das ihren guten Ruf
als „Religionsgemeinschaft" außerdem ernstlich
gefährdet, nicht lange zusehen wird. Man kann
natürlich noch nicht voraussehen, ob schon der
nächsten Bischofskonferenz ein Plan zur „demo-
kratischen Schulung" vorgelegt wird, immerhin
würden wir uns freuen, wenn sie dabei die ameri-
kanische Demokratie zum Vorbild nehmen würde.
Auch einer endgültigen „Trennung von Staat und
Kirche", wie sie von reingeistigen Katho-
liken seit langem angestrebt wird, würden wir
unseren Beifall gewiß nicht versagen.
Bis dahin sieht der SIMPL eine seiner ernstesten
Aufgaben darin, der wirklichen Kirche im
Kampfe gegen die ihr und der freien Demo-
kratie schädlichen Tendenzen mancher Anhänger
tatkräftig zu helfen, wie er es auch bisher
getan hat. Marc Martell
J. Wisbeck
AM VOLK
„Was heißt schon ,Schwarzbrennerei'! Wir veredeln doch nur die Kartoffel für den Konsumenten!"
DIE CHANCE
Passau, am 28. März 1946
Dr. RIEMER
Dompropst u. Generalvikar
Betrifft: Gesetz zur Befreiung
von Nationalsozialismus und Militarismus
Durch die dauernde und regelmäßige Verbindung
der Ortsgruppe Passau des Deutschen Luftsport-
verbandes — seit 1937 umbenannt in NSFK., Sturm
Passau — mit mir persönlich und mit der katholi-
schen Kirche sind mir die innere Haltung und das
äußere Auftreten dieser Vereinigung recht wohl
bekannt.
Bei jeder Gelegenheit, die dazu Anlaß gab, hat
diese Vereinigung trotz wesentlicher Anfeindun-
gen durch die NSDAP, ihre treue Gesinnung zur
Kirche öffentlich und regelmäßig gezeigt.
Neben dem Umstand, daß ein großer Teil der
Mitglieder der Katholischen Gesellenorganisation
entstammte und gegen alle Bemühungen der Kreis-
leitung von der Vereinigung gehalten wurde,
muß die Tatsache, daß diese nur dann Flugzeuge
in Gebrauch nahm, wenn sie vorher kirchlich ge-
segnet waren, als standhaftes und öffentliches Be-
kenntnis zu ihrem Glauben und als Ablehnung
Als besondere kirchliche Veranstaltungen sind zu
erwähnen:
1. Im Jahre 1933 die öffentliche Weihe eines
Segelflugzeuges durch den Hw. Herrn Bischof
am Domplatz.
2. Im Oktober 1934 die öffentliche Weihe eines
Motorflugzeuges durch mich am Flugplatz Kohl-
bruck.
3. Im Juli 1935 die öffentliche Weihe von fünf
Segelflugzeugen durch mich am Domplatz.
Besonders anerkannt muß werden, daß diese Ver-
einigung sich auch an der Beerdigung des Bischofs
Felix beteiligt hat.
Ich erachte daher die im Gesetz zur Befreiung von
Nationalsozialismus und Militarismus Artikel 39/11
Ziff. 3 als zu Gunsten des Beschuldigten festgelegte
öffentliche regelmäßige Teilnahme an den Ver-
anstaltungen einer anerkannten Religionsgemein-
schaft und die damit verbundene Ablehnung des
Nationalsozialismus als gegeben.
Die Erklärung wird Herrn............als
früheres Mitglied des Deutschen Luftsportverban-
des (später NSFK.) zum Zwecke der Denazifizie-
rung ausgehändigt. „ _ D .
5 s s gez. Dr. Fr. Riemer
Dompropst
des Nationalsozialismus gewertet werden.
(Wortgetreuer Abdruck eines vervielfältigten Schreibens des Herrn Dompropstes. Die Redaktion)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Wohltäter am Volk"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 10, S. 117.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg