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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0160
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MASS UND STETIGKEIT

Die „Süddeutsche Zeitung" erklärte einmal, das charak-
teristische Prinzip unseres Verfassungsentwurfes sei „Maß
und Stetigkeit". Sie behauptete dies zwar zu einem
Zeitpunkt, als der Entwurf noch eher in einem Stadium
„stetiger Mittelmäßigkeit" wai; jedoch hat seine end-
gültige Formulierung ihr schließlich recht gegeben.
Die Geschichtsentwicklung scheint ihren Ehrgeiz darin
zu sehen, sich dem Tempo unserer technischen Entwick-
lung anzupassen. Früher brauchten Machtverschiebungen
Jahrhunderte. Sie wuchsen organisch, naturhaft, sie
waren voll Vitalität, zäh und dauerhaft. Heute glaubt
man, die Formeln der Geschichte entdeckt zu haben.
Es gelang schon, auf synthetischem Wege aus
einem Land in sechs Jahren eine „Großmacht" herzu-
stellen und es in weiteren sechs Jahren ziemlich voll-
ständig wieder zu veraschen. Andere Beispiele liegen
auf der Hand. So stellt man heute z. B. laufend
Völkerwanderungen, Kriege, Inflationen, internationale
Zwischenfälle, tiefgreifende Reformen etc. her, mit dem
Erfolg, daß die Dascinsbedingungen und das Kräfte-
verhältnis beängstigend labil geworden sind. Dies sieht
man sogar schon in Deutschland, dem Lande der „mittel-
mäßigen Maßlosigkeit", ein.

In diesem Sturm der Ereignisse kann man eine synthe-
tische Verfassung, deren charakteristisches Prinzip „Maß
und Stetigkeit" heißt, nur als Hoffnungsanker bezeich-
nen; denn eine Verfassung, die darauf verzichtet, den
Ereignissen vorzugreifen, und versucht, sich möglichst
organisch der Entwicklungsstufe seines Volkes anzu-
passen, hat Aussicht auf Dauerhaftigkeit. Vielleicht ist
sie in manchen Dingen sogar zu maßvoll geworden, da
in ihr öfter von1 „sittlich" die Rede ist, als in vielen

anderen. Und warum gab man dem Art. 2 „Die Staats-
gewalt geht vom Volke aus" die andere Formulierung
„Träger der Staatsgewalt ist das Volk" und verwies
damit das Volk wieder in die Passivität? Fürchtet man
die vom Volk ausgehende Stsatsgewalt? Ist es wirklich
gut, wenn das Volk von neuem nur die Staatsgewalt auf
seinem Buckel tragen darf? Odef entspricht das am
Ende seiner Entwicklungsstufe? —

Wenn auch die „Gracchen" in der Verfassungsgebenden
Versammlung nicht die Stimmenmehrheit besaßen, um
den Wirtschaftsteil des Entwurfes nach ihren Anschau-
ungen zu revolutionieren, so lag darin vielleicht nicht
unbedingt die Verpflichtung, das „Maß" zu übertreiben.
Art. 156:

„Der Zusammenschluß von Unternehmungen zum
Zwecke der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht
und der Monopolbildung ist unzulässig. Insbesondere
sind Kartelle, Konzerne und Preisabreden verboten,
welche die Ausbeutung der breiten Massen der Be-
völkerung oder Vernichtung selbständiger mittel-
ständischer Existenzen bezweckt."

Kartelle, Konzerne u. dgl. Zusammenschlüsse haben bis-
her noch immer dem Staate zu beweisen vermocht, daß
sie so schändliche Dinge niemals „bezweckt" haben, bzw.,
daß ihre Existenz den Zweck der Rationalisierung ver-
folge, d. h. Sparsamkeit mit menschlicher Arbeitskraft
und Verbilligung der Produkte. Warum so humanitären
Einrichtungen mit dem kleinen Finger drohen?
Aber, im ganzen gesehen, können sich solche Maßüber-
treibungen wieder aufheben, da dem Volke schließlich
ein Recht gelassen wird, regulierend einzugreifen. Art. 170:

„(I) Die Vereinigungsfreiheif zur Wahrung undlörde-
rung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist
jedermann und für alle Berufe gewährleistet. (2) Alle
Abreden und Maßnahmen, welche die Vereinigungs-
. freiheit einschränken oder zu behindern suchen, sind
rechtswidrig und nichtig."

Wenn man bedenkt, daß dieses Versammlungsrecht nicht
einmal durch Art. 48 eingeschränkt werden kann, so
besteht doch die Hoffnung, daß auch unsere Verfassung
eine Grundlage zu einem stetigen sozialen Fortschritt
abgeben könnte. Vorausgesetzt bleibt natürlich die Ent-
wicklungsstufe...... -zut-

\

BARMHERZIGE SCHWESTERN

Ein Mann wird in ein Münchner Krankenhaus einge-
liefert und bekommt ein Bett zugewiesen. Da sich sonst
niemand um ihn kümmert, wendet sich sein Verwandter
an eine Schwester.

„Warum kommt denn kein Arzt, mein Stiefvater ist
schwerkrank."

„Ja—so, was fehlt ihm denn?" die Schwester.
„Er hat eine schwere Embolie."
„Ist er denn katholisch?"
„Freilich."

„Ist er im Begräbnisverein .Flamme'?"
„Kein."

„So, so." Die Schwester ab. Kurze Zeit darauf kam
der Herr Pfarrer und fragte den Patienten, ob er nicht
beichten wolle.

Später soll auch noch ein Arzt gekommen sein..

ART. 48

Wir wissen nur zu gut, was es bedeutet:
„Gefährdung öffentlicher Sicherheit", —
die Ordnungsglocke hat zu oft geläutet
zum Tod der Freiheit, — drum sind wir gefeit!
Wir wissen, wie Versammlungen man trennte,
wo nur das Volk für seine Rechte sprach,
und wo man Gummiknüppel-Argumente
roh angewandt, — und selbst die Ordnung brach!
*

ART. 124

Grundsätzlich sind wir nicht dagegen,
doch weiß man nie, wie es mal kommt,
drum laßt uns achtsam niederlegen,
was Männern teils, teils Frauen frommt.
Laßt euch ein Hintertürchen offen,
(sei auch die Gleichheit kein Geschwätz)
wir lernten gut — das woll'n wir hoffen —
selbst aus dem Nazi-Eh'gesetz.

*

ART. 141 (3)

O Täler weit, o Höhen,
die mir gestattet sind,
laßt mich die Ordnung sehen,
umweht vom Heimatwind!
Ortsüblich zu genießen,
lockt mich der BaYernwald, —
wenn mich Statuten grüßen,
so wird mir heiß und kalt!
*

ART. 149

Von der Wiege bis zum Grabe
schicklich sei des Bürgers Weg,
was ich bin und was ich habe,
ist der Kirche Privileg.

*

ART. 86 (2)

Das „Dritte Reich" war doch wohl nicht ganz ohne?
In manche „Bräuche" scheint ihr schier verliebt:
Erklärt, daß es der Gegenwart zum Hohne
in eurem „Werk" — Sondergerichte gibt!

Demoftritifeus

J. Wisbeck
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ausnahmezustand"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildbeschriftung: "Ausnahmezustand. § 48. Wozu brauchen wir noch diese Erinnerung an Weimar?"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wisbeck, Jörg
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Der Simpl, 1.1946, Nr. 13, S. 160.

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