1
INTERVIEW IM LAGER MOOSBURG
Nachdem früheren KZ-Häftlingen yielfach Gelegenheit
gegeben wurde, ihre Lagererlebnisse in Büchern zu
schildern, hielten wir es nur für ein Gebot der Gerech-
tigkeit, auch die andere Seite zum Worte kommen ZU
lassen. Das heißt, Berichte von jenen ff-Männern ein-
zuholen, die seinerzeit als Wachmannschaft die KZler
betreuten und heute selber in einem Lager interniert
sind. Wir entsandten deshalb unseren Berichterstatter in
das Internierungslager Moosburg (Bayern) und lassen
seine zwangslose Aussprache mit einem internierten
^-Mann im Wortlaut folgen:
„Darf ich mir die Frage gestatten, wie es Ihnen in
diesem Lager gefällt?"
„Eine merkwürdige Frage, falls Sie um unsere unge-
nügende Ernährung wissen sollten. Mit 1700 Kalorien
macht man keine Freudensprünge!"
„Wie sagen Sie — 1700? Wir müssen uns mit 1550
begnügen."
„Ganz richtig. Dafür müssen Sie aber auch arbeiten,
und wir nicht. Die Arbeit lenkt vom Hunger ab. Wenn
man nichts zu tun hat, bleibt reichlich Zeit, an den
Magen zu denken. Wir haben deshalb Schwerstarbeiter-
Zulage beantragt und hoffen auf volles Verständnis
der zuständigen Stelle. Die Einschaltung eines kräftigen
Lunchs wird sich nicht länger umgehen lassen."
„Wie steht es mit der Entnazifizierung der Lagerin-
sassen?"
„Wir haben eine eigene Spruchkammer, doch haftet ihr
der Mangel an, daß wir darin nicht selber als Richter
vertreten sind. Solange wir den Verhandlungen nur als
Zuhörer beiwohnen dürfen, fühlen wir uns um unsere
staatsbürgerlichen Rechte betrogen. Und dies allein ver-
ursacht unseren Unwillen, denn im übrigen haben wir
an einer Entnazifizierung kein Interesse."
„Wird im Lager nationalsozialistische Propaganda ge-
trieben?"
i,Was verstehen Sie unter .Propaganda'? Seitdem
Fritzsche freigesprochen wurde, kann ich wahrheitsgetreu
behaupten, daß keine Propaganda getrieben wird. Wie
Fritzsche weise ich jeden in diese Richtung deutenden
Verdacht mit tiefer Entrüstung zurück."
„Wie äußert sich die jij über den Ausgang des Nürn-
berger Prozesses?"
„Wir sind folgender Meinung: Wenn die Amis und
Russen nicht so kurzsichtig wären, hätten sie Hermann
Gering für den Nobel-Friedenspreis vorschlagen, und
Streicher zum Flohen Kommissar in Palästina bestim-
men müssen. Die Verurteilung der ^ als .Verbreche-
rische Organisation' beruhigt uns hingegen, denn durch
die Masse wird der einzelne entlastet. Wenn man bei-
spielsweise sagt: alle Menschen sind schlecht, fühlt sich
jeder in dieser Gemeinschaft geborgen. Volkstümlich
gesagt: Die Verurteilung der Masse geht den einzelnen
einen Dreck an."
„Darf ich mir die Frage erlauben: Wird in Ihrem La-
ger auch hinlänglich für Unterhaltung gesorgt?"
„Man macht in dieser Beziehung zwar dankenswerte
Versuche, doch ist die Qualität des Dargebotenen nicht
erstrangig. Wir vermissen für unsere Lagerkapellen
einen Dirigenten der Staatsoper. Was aber das Theater
betrifft, wurde uns bisher noch kein Intendant zuge-
wiesen, der seiner großen Aufgabe gewachsen gewesen
wäre. Die Aufführung von ,Kabale und Liebe' stand
nur wenig über dem Niveau einer Kleinstadtbühnc.
Hier muß Wandel geschaffen werden, falls nicht vor
leeren Sitzen gespielt werden soll."
„Ich habe gehört, das Lager würde nach den Grund-
sätzen der Demokratie verwaltet?"
„Ach ja, Spaß muß sein. Wir lachen uns oft den Buckel
voll."
„Wird Ihnen die Möglichkeit gegeben, mit Ihren An-
gehörigen in Verbindung zu treten?"
„Selbstverständlich, denn dies ist wohl eine Pflicht der
Menschlichkeit. Ein Mitglied der Bayerischen Staatsregie-
rung hat sich erfreulicherweise dazu bereit erklärt, die
Briefpost persönlich unseren Angehörigen zu überbrin-
gen, denn die Säumigkeit in der Briefzustellung ist
Ihnen ja wohl bekannt. Auf Verlangen berichtet der
Beamte aber auch mündlich den Familienangehörigen
unsere Wünsche. Die Fälle, in denen Familien oft jahre-
lang über das Schicksal ihrer Angehörigen im unge-
wissen blieben, sollen sich nicht wiederholen. Denn
schließlich leben wir hier in einem Internierungs- und
nicht in einem Konzentrationslager."
„Und wie lange glauben Sie, in diesem Lager noch in-
terniert zu bleiben?"
„Diese Frage ist schwer zu beantworten, doch sehen wir
mit Bangen dem Tag der Entlassung entgegen. Ich habe
Ihnen ja bereits angedeutet, daß wir an der Entnazifi-
zierung nicht interessiert sind. Werden noch einige Män-
gel behoben, wie beispielsweise die Verweigerung der
Schwerstarbeiterzulagc, so wäre es unser aller Wunsch,
als Pensionäre des Bayerischen Staates bis zu unserem
Lebensende die Segnungen des Lagerlebens genießen zu
dürfen. Denn, Sie verstehen wohl: der Gedanke, gerade
so hart arbeiten zu müssen wie jene, die nie das Ehren-
kleid der ff trugen, kann nichts Verlockendes für uns
haben. Leider aber scheint die Entnazifizierung, wie ein
kürzlicher Fall bewies, auch im Lager Moosburg einge-
rissen zu sein. Damit aber würde unsere Hoffnung auf
eine sorgenfreie Zukunft in der bittersten Weise und
unverdientermaßen zerstört."
„So wünsche ich Ihnen denn noch einen recht langen
Aufenthalt im Lager und weiterhin gute Gesundheit!"
„Ich danke Ihnen. Heil Hitler!" A. W.
SKT. PFEIFFER, DER SONDERHEILIGE
M. Radler
|7Xntor>ius,Du mit dem Schwein!
Ein Scherflein soll Dir sicher sein,
Erlöst Du unsaus grosser Not,
Äus brauner Pest und ew^emTod \
Der Dr. Wilhelm Högner hal
The Radio München angepfiffen,
Hat's doch, der Untertan ist platt,
Die Slaatsregiernng angegriffen!! !
Der Högner scheint kein Demokrat,
Sonst müßt' er langsam doch verstehen:
Man hat das Recht heut', mit dem Staat,
Wenn's sein muß, ins Gericht zu gehen.
Die Staatsregierung — nun das heißt,
Im Grunde war's nur ein Minister,
Dem man so allerhand beweist---
Ist das der Pfeiffer? Ja, das ist er!
Drum fang', wenn's auch mal peinlich ist,
Nicht wieder wütend an zu kollern,
Denk', daß du Wilhelm Högner bist
Und nicht der Wilhelm Hohenzollern!
A. Ketzer
iSr
\
INTERVIEW IM LAGER MOOSBURG
Nachdem früheren KZ-Häftlingen yielfach Gelegenheit
gegeben wurde, ihre Lagererlebnisse in Büchern zu
schildern, hielten wir es nur für ein Gebot der Gerech-
tigkeit, auch die andere Seite zum Worte kommen ZU
lassen. Das heißt, Berichte von jenen ff-Männern ein-
zuholen, die seinerzeit als Wachmannschaft die KZler
betreuten und heute selber in einem Lager interniert
sind. Wir entsandten deshalb unseren Berichterstatter in
das Internierungslager Moosburg (Bayern) und lassen
seine zwangslose Aussprache mit einem internierten
^-Mann im Wortlaut folgen:
„Darf ich mir die Frage gestatten, wie es Ihnen in
diesem Lager gefällt?"
„Eine merkwürdige Frage, falls Sie um unsere unge-
nügende Ernährung wissen sollten. Mit 1700 Kalorien
macht man keine Freudensprünge!"
„Wie sagen Sie — 1700? Wir müssen uns mit 1550
begnügen."
„Ganz richtig. Dafür müssen Sie aber auch arbeiten,
und wir nicht. Die Arbeit lenkt vom Hunger ab. Wenn
man nichts zu tun hat, bleibt reichlich Zeit, an den
Magen zu denken. Wir haben deshalb Schwerstarbeiter-
Zulage beantragt und hoffen auf volles Verständnis
der zuständigen Stelle. Die Einschaltung eines kräftigen
Lunchs wird sich nicht länger umgehen lassen."
„Wie steht es mit der Entnazifizierung der Lagerin-
sassen?"
„Wir haben eine eigene Spruchkammer, doch haftet ihr
der Mangel an, daß wir darin nicht selber als Richter
vertreten sind. Solange wir den Verhandlungen nur als
Zuhörer beiwohnen dürfen, fühlen wir uns um unsere
staatsbürgerlichen Rechte betrogen. Und dies allein ver-
ursacht unseren Unwillen, denn im übrigen haben wir
an einer Entnazifizierung kein Interesse."
„Wird im Lager nationalsozialistische Propaganda ge-
trieben?"
i,Was verstehen Sie unter .Propaganda'? Seitdem
Fritzsche freigesprochen wurde, kann ich wahrheitsgetreu
behaupten, daß keine Propaganda getrieben wird. Wie
Fritzsche weise ich jeden in diese Richtung deutenden
Verdacht mit tiefer Entrüstung zurück."
„Wie äußert sich die jij über den Ausgang des Nürn-
berger Prozesses?"
„Wir sind folgender Meinung: Wenn die Amis und
Russen nicht so kurzsichtig wären, hätten sie Hermann
Gering für den Nobel-Friedenspreis vorschlagen, und
Streicher zum Flohen Kommissar in Palästina bestim-
men müssen. Die Verurteilung der ^ als .Verbreche-
rische Organisation' beruhigt uns hingegen, denn durch
die Masse wird der einzelne entlastet. Wenn man bei-
spielsweise sagt: alle Menschen sind schlecht, fühlt sich
jeder in dieser Gemeinschaft geborgen. Volkstümlich
gesagt: Die Verurteilung der Masse geht den einzelnen
einen Dreck an."
„Darf ich mir die Frage erlauben: Wird in Ihrem La-
ger auch hinlänglich für Unterhaltung gesorgt?"
„Man macht in dieser Beziehung zwar dankenswerte
Versuche, doch ist die Qualität des Dargebotenen nicht
erstrangig. Wir vermissen für unsere Lagerkapellen
einen Dirigenten der Staatsoper. Was aber das Theater
betrifft, wurde uns bisher noch kein Intendant zuge-
wiesen, der seiner großen Aufgabe gewachsen gewesen
wäre. Die Aufführung von ,Kabale und Liebe' stand
nur wenig über dem Niveau einer Kleinstadtbühnc.
Hier muß Wandel geschaffen werden, falls nicht vor
leeren Sitzen gespielt werden soll."
„Ich habe gehört, das Lager würde nach den Grund-
sätzen der Demokratie verwaltet?"
„Ach ja, Spaß muß sein. Wir lachen uns oft den Buckel
voll."
„Wird Ihnen die Möglichkeit gegeben, mit Ihren An-
gehörigen in Verbindung zu treten?"
„Selbstverständlich, denn dies ist wohl eine Pflicht der
Menschlichkeit. Ein Mitglied der Bayerischen Staatsregie-
rung hat sich erfreulicherweise dazu bereit erklärt, die
Briefpost persönlich unseren Angehörigen zu überbrin-
gen, denn die Säumigkeit in der Briefzustellung ist
Ihnen ja wohl bekannt. Auf Verlangen berichtet der
Beamte aber auch mündlich den Familienangehörigen
unsere Wünsche. Die Fälle, in denen Familien oft jahre-
lang über das Schicksal ihrer Angehörigen im unge-
wissen blieben, sollen sich nicht wiederholen. Denn
schließlich leben wir hier in einem Internierungs- und
nicht in einem Konzentrationslager."
„Und wie lange glauben Sie, in diesem Lager noch in-
terniert zu bleiben?"
„Diese Frage ist schwer zu beantworten, doch sehen wir
mit Bangen dem Tag der Entlassung entgegen. Ich habe
Ihnen ja bereits angedeutet, daß wir an der Entnazifi-
zierung nicht interessiert sind. Werden noch einige Män-
gel behoben, wie beispielsweise die Verweigerung der
Schwerstarbeiterzulagc, so wäre es unser aller Wunsch,
als Pensionäre des Bayerischen Staates bis zu unserem
Lebensende die Segnungen des Lagerlebens genießen zu
dürfen. Denn, Sie verstehen wohl: der Gedanke, gerade
so hart arbeiten zu müssen wie jene, die nie das Ehren-
kleid der ff trugen, kann nichts Verlockendes für uns
haben. Leider aber scheint die Entnazifizierung, wie ein
kürzlicher Fall bewies, auch im Lager Moosburg einge-
rissen zu sein. Damit aber würde unsere Hoffnung auf
eine sorgenfreie Zukunft in der bittersten Weise und
unverdientermaßen zerstört."
„So wünsche ich Ihnen denn noch einen recht langen
Aufenthalt im Lager und weiterhin gute Gesundheit!"
„Ich danke Ihnen. Heil Hitler!" A. W.
SKT. PFEIFFER, DER SONDERHEILIGE
M. Radler
|7Xntor>ius,Du mit dem Schwein!
Ein Scherflein soll Dir sicher sein,
Erlöst Du unsaus grosser Not,
Äus brauner Pest und ew^emTod \
Der Dr. Wilhelm Högner hal
The Radio München angepfiffen,
Hat's doch, der Untertan ist platt,
Die Slaatsregiernng angegriffen!! !
Der Högner scheint kein Demokrat,
Sonst müßt' er langsam doch verstehen:
Man hat das Recht heut', mit dem Staat,
Wenn's sein muß, ins Gericht zu gehen.
Die Staatsregierung — nun das heißt,
Im Grunde war's nur ein Minister,
Dem man so allerhand beweist---
Ist das der Pfeiffer? Ja, das ist er!
Drum fang', wenn's auch mal peinlich ist,
Nicht wieder wütend an zu kollern,
Denk', daß du Wilhelm Högner bist
Und nicht der Wilhelm Hohenzollern!
A. Ketzer
iSr
\
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Skt. Pfeiffer, der Sonderheilige"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Antonius, Du mit dem Schwein! Ein Scherflein soll Dir sicher sein, Erlöst Du uns aus grosser Not, Aus brauner Pest und ew'gemTod!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 15, S. 181.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg