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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0183
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DER EWIGE SCHÜLER

Der ehemals königlich bayrische Amtsrichter Wan-
genhuber war 64 Jahre alt, als sein oberster Gerichts-
herr im sechsten Jahre des tausendjährigen Reiches ohne
Mobilmachung mobil machte. Wangenhuber hatte ge-
hofft, im nächsten Jahr als Pensionär endlich auch die
Vormittage für seine Jagdausflüge frei zu haben. Noch
heute denkt er wehmütig an diesen Traum zurück.
Nachdem die jüngeren Kollegen eingezogen worden
waren, wurde er immer stärker in den Vordergrund ge-
schoben. Schließlich landete er als Strafrichter und fand
sich bald einer Unmenge von Aktenstücken gegenüber,
in denen Männlein und Weiblein angeklagt wurden,
sich einer ihnen amtlich zugewiesenen Arbeit entzogen
zu haben. Wangenhubers juristisches Gehirn der alten
Schule nahm die Begriffe „Arbeitsverweigerung" und
„Aibeitsvertragsbruch" nur langsam auf. Seine Urteile
fielen sehr milde aus. Dem wurde jedoch bald abgehol-
fen. In einigen Schulungskursen — mit Feldbett und
Feldküche — wurde ihm beigebracht, wie ein freier und
unabhängiger Richter Recht zu sprechen hat. Wangen-
huber gab als Klügerer nach. An seinen Urteilen hatten
nur noch die Verurteilten etwas auszusetzen.
Das wurde ihm sehr deutlich zu Gemüte geführt, als der
oberste Gerichtsherr seinen Prozeß gegen die übrige Welt
verloren hatte. Die fürchterlichen Drohungen aller von
ihm einstmals wegen Arbeitsverweigerung verurteilten
Stammkunden wird Wangenhuber nie vergessen. Die
Briefe hat er in sechs Leitz-Ordnern gesammelt;
aus den Steinen, die ihm in jenen Wochen durch
die Fenster flogen, hat sein Enkel den Grundstock
zu einer Mineraliensammlung gelegt. Viermal wurde
auf dem Heimweg vom Kegelmittwoch von ehemaligen
Arbeitsverweigerern im Akkordtempo an ihm hand-
greifliche Vergeltung geübt. Wangenhuber überstand
alles. Die Hoffnung, nun endlich in den langersehnten
Ruhestand zu kommen, ließ ihn alles geduldig ertragen.
Aber: der unabhängige Richter denkt und die Regie-
rung lenkt. War Wangenhuber bisher schon unentbehr-
lich gewesen, so wurde er es jetzt in viel größerem
Maße. Er war völlig unbelastet. Durch ein Versehen
hatte man sogar vergessen, ihm das Kriegsverdienst-
kreuz auszuhändigen. Wangenhuber schwor zum vier-
ten Male unverbrüchliche Treue und Gehorsam. Bald
saß er wieder auf seinem alten Stuhl und sprach
Recht — nicht mehr im Namen des Königs, des Volkes
oder Fifhrers, sondern jetzt im Namen des Gesetzes.
Das ging anfangs sehr gut. Bis man ihm einen alten
Stammkunden brachte. Er war vom neuen Arbeitsamt
zum Holzschlagen verpflichtet worden und... wie frü-
her zu Hause geblieben. Wangenhuber hatte einige
schlaflose Nächte, in denen er die sechs Leitz-Ordner
mit Drohbriefen mehrfach durchlas. Der Gesteinssamm-
lung seines Enkels konnte er in diesen Tagen kein Inter-
esse abgewinnen. Den Kegelabend versäumte er in der
Woche vor der Verhandlung zum erstenmal seit dreiund-
zwanzig Jahren.

Schließlich siegte seine persönliche Abneigung gegen
eine Verbindung der Begriffe „Arbeit" und „Verpflich-
tung". Er wollte allen Zweiflern beweisen, daß er sich
gewandelt hatte. Mit wiedergewonnener innerer Ruhe
ging er zur Verhandlung. Er sprach seinen alten Stamm-
kunden mit Pauken und Trompeten frei. Die folgenden
drei Nächte schlief er köstlich. Am vierten Tag begann
das Verhängnis. Die gesamte Presse brachte seinen Fall
als Fehlurteil in großer Aufmachung. In den gelinderen
Artikeln wurde ihm seine Unkenntnis der gesetzlichen
Bestimmungen nachgewiesen, in den gröberen wurde er
als Saboteur am Wiederaufbau bezeichnet. Wangen-
huber verlor den letzten Glauben an seine wiedererblin-
dete Dienstgöttin. Er bat flehentlich um Ruhestand.
Ohne Erfolg. Unbelastete Juristen hatten inzwischen
den Seltenheitswert einer alten „Thum und Taxis" er-
langt. Wangenhuber wurde dringend zur Entnazifizie-
rung gebraucht. Er vertiefte sich in das neue Gesetz.
Seinem juristischen Gehirn der alten Schule ging die
Einteilung der Nazis in „Hauptschuldige", „Minder-
schuldige", „Fast-Unschuldige" und „Ganz-Unschul-
dige" nur langsam ein. Seine ersten Urteile fanden kei-
nen Anklang. Das wird jetzt abgestellt. Er wird wieder
geschult. Es wird ihm wieder beigebracht, wie ein freier
und unabhängiger Richter Recht zu sprechen hat. Dies-
mal ohne Feldbett und Feldküche. Der Erfolg ist des-
halb auch nicht so durchschlagend wie früher. Seine Ur-
teile wollen noch immer nicht so gelingen, daß auch die
regierenden Herren „a rechte Freid" daran haben.

R. H. Kuttner

„Was, so winzige Kohlköpfe?"
„Ja mei', in der Woch' san's net größer!"

SIMPL-Briefkasten

„Alter Maler (modern)." Wieso kommen Sie auf die
verrückte Idee, die Forderung des Kultusministers auf
jederzeitigen Zutritt zu den Arbeitsräumen des „Be-
rufsverbandes Bildender Künstler" und auf das Red)t
zur Prüfung bzw. Ausscheidung nicht tntspredienden
Ausstellungsmaterials sei eine aus der Nazizeit über-
nommene Methode? In der Nazizeit wurden uner-
wünschte Bilder nicht einfach schlicht ausgeschieden,
sondern häufig vom Führer persönlich zerstampft! Soll-
ten Sie Ähnliches vom bayerischen Kultusminister hören,
stellen wir Ihnen frei, sich nochmals an unsern Brief-
kasten zu wenden.

E. Willmann

DER UNBESTECHLICHE

„Zehn Zigarren? Als Amtsperson will ich das nicht gehört
haben! — Und privat bin idi nur abends zu sprechen!"

„Beunruhigter aus Niederbayern." Die von Ihnen ge-
äußerte Befürditung, daß Dr. Högner als Landesvor-
sitzender der SPD. mit Dr. Müller als dem Landesvor-
sitzenden der CSU. Partei und Vorsitz tauschen werde,
entspricht unseren Erkundigungen nach nicht di>:
sechen. Es ist dies vielmehr nur ein stiller U" dti
Fraktionsführers der CSU., Dr. Hundhammer, der liebe'
einen Sozialisten im diristlichen Aufbauwerk neben
sich dulden möchte als einen /o- tsdirittlichen Flügel der
CSU.

„Ausgebombter Stuttgarter." Sie fragen, wieso Herr
Kommerzienrat Paul Reusch, der große Mann der
„Gutehoffnungshütte", trotz der bekannten allgemei-
nen Wohnraumnot Platz hatte, Herrn Dr. Schacht und
Frau auf seinem Gut „Katharinenhof" aufzunehmen?
Nun, bei einigem Nachdenken hätten Sie selber darauf
kommen können: Herr Reusch hat seinen Freunden sein
eigenes Bett überlassen und derweil in der selbstver-
ständlich ohnehin leeren Kohlenkiste geschlafen.

„Politisch verfo'gter Protestant." Die Frage, ob auch
evangelisch-lutberisdie Christen in die CSU aufgenommen
werden sollten, war in mehreren Ortsgruppen des Ober-
landes bereits Gegenstand heftiger Debatten, die noch nicht
endgültig abgeschlossen scheinen. Schicken Sie Ihre Kinder
für alle Fälle heute schon in die dörfliche Bekenntnis-
schule.

„Ängstlicher Vater." Da Ihr Söhnchen zwar ein begeisterter
Pimpf war, heute aber immerhin erst zwölf Jahre alt ist,
so nehmen wir an, daß bis zu seiner Mündigkeitserklärung
die Jugendamnestie immerhin soweit eingeleitet ist, um
ihm weitere Schwierigkeiten aus seiner Kindertorheit zu
ersparen.

DAS GELOBTE LAND

(Ein Nachtrag)

Der Wohnungs-Hauptausschuß des Münchner Stadtrats
stellte in einer lebhaften Aussprache u. a. fest, daß
München • in der Statistik als die Großstadt mit dem
stärksten Zuzug erscheint und daß unter den Zuzüglern
(ohne die Flüchtlinge) die Berliner und übrigen Nord-
deutsdien den größten Anteil haben und auch in Äm-
tern und behördlidien Stellen überhandnehmen. Auf
alle mögliche Weise bekämen sie eine Zuzugsgenehmi-
gung, während ansässigen Münchnern die Hetmat ver-
sperrt bleibt.

(Lt. Bericht der Süddeutschen Zeitung Nr. 92.1
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Köpfe der Woche" "Der Unbestechliche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Willmann, Ernst
Herrmann, Otto
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Der Simpl, 1.1946, Nr. 15, S. 183.

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