Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 1.1946

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7376#0184
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hallade xu Wintersanfang

Der Winter kommt, die \o( ist nah,
Und noch kein Stückchen Kohle da,
Die Mutter sorgt, der Vater sinnt,
Am kalten Ofen spielt das Kind .. .

Die Tage werden kühl und naß,
Es fehlt an Licht und fehlt an Gas,
Es fehlt an Brot und fehlt an Fett,
Die Mutter bringt ihr Kind xu Bett,
Das Kind ist hungrig, mager, blaß.

Der Vater steht und sinnt und sinnt,
Im Schornstein lacht wie Hohn der Wind,
Im Bett, da fragt das bleiche Kind:
Ob alle Mensehen hungrig sind?—
Die Mutter seufzt, die Mutter spricht:
„Die einen sind's, die andern nicht!"

Die Mutter geht, das Kind schläft ein,
Und morgen wird's genau so sein:
Der Ofen kalt, der Magen leer,

Der Kopf von lauter Sorgen sdiwer,
Der Vater, der ins Graue sinnt,
Die Mutter mit dem blassen Kind,
Zu wenig Fleiselt, xu wenig Fett,
Und dann die Frage bis ins Bett:
Ob alle Menschen hungrig sind?!

Tagaus, tagein ! Jahraus, jahrein!
Kein Mantel für den Winter, kein
Stück Kleidung, das in Ordnung ist —
Es fragt sich, Welt, ob du es bist ?

Das fragt sich jetzt und fragt sich sehr!
Der Mensch, der ist es längst nicht mehr,
Und Gott ist weit, die Kot ist nah,
Und noch kein Stückelten Kohle da,
Und ewig Kummer im Gestellt —
Bald schreit der Mensch, er faßt es nicht,
Warum sein Kind in lumpen steht
Und abends hungrig schlafen geht?!

Herbert Lestiboudois

DAS VERLASSENE HAUS

Zwischen Bayton und Greenhill gab es eine Wegkreu-
zung, an der sich sechs Straßen trafen. James holte fünf
Centstücke aus der Hosentasche und schnippte in jede
Straße eine Münze. Als wir nachsahen, war zweimal die
Zahl oben; darum knobelten wir noch einmal. Schließ-
lich trampten wir die Straße nach Darton entlang.
Es war unverschämt heiß; und he'iß macht durstig;
durstig sein kostet Geld; darum schimpften wir auf die
Hitze. HattenNwir Geld gehabt, dann wären wir im
Pullman-Car nach Darton gefahren oder besser ans
Meer. Denn was sollte schon ein Geldmann in Darton!
Doch für einen Tramp war Darton das vorletzte Para-
dies, mit Schatten und der achtundneunzigprozentigen
Möglichkeit sich sattzuessen und einen Whisky zu er-
gattern. James ging ein wenig voraus. Wir trotteten mit

gesenkten Köpfen über die staubige Straße. Am Abend
sahen wir in der Ferne einen hellen Schimmer; es mochte
Darton sein; James machte größere Schritte. Einmal
blieb er stehen und rief „Hallo"; er dachte, ich käme
nicht mehr mit.

Dann blieb er doch stehen und wartete auf mich. Als
ich näherkam, sah ich einen hellen Fleck, der sich aus
dem Blau des Sommerabends heraushob.
„Ein Haus!" sagte James.

Alleinstehende Landhäuser waren meine Spezialität.
James hielt mir eine Spiegelscherbe hin; ich wischte mir
den Dreck aus dem Gesicht und zog mir einen Scheitel.
Auch band ich einen frischen Kragen um. James fuhr
mit dem Tuch über meine Schuhe und sagte O. K...
Er blieb ein wenig zurück. Ich ging an die Gartentüre

und schellte. Die Haustüre ging auf, und es sdiien mir,
als sähe ich eine weiße Schürze.

„Good evening, madam!" sagte ich höflich, „ich komme
vom Verein für unterdrückte Akademiker, Hauptsitz
Detroit. Es handelt sich um eine kleine Spende. Auch
Sie, Madam, sollten im Interesse des Wohlergehens der
' standesbewußten Intellektuellen ..."
„Shut up!" unterbrach mich James, der nähergekommen
war, „die Bande scheint ausgeflogen ..."
Wir schlössen das Gartentor, an dem kein Name war.
Aber ein paar Schritte weiter fiel es mir ein, daß die
Haustüre aufgestanden hatte. Ich sagte es James.
Wir sahen uns an; dann machten wir kehrt und gingen
wieder auf das Haus zu. Als wir auf die Schelle drück-
ten, ging sofort die Haustüre auf. Auch brannte nun
eine kleine Lampe darüber. Wir gingen in das Haus.
Im Hauseingang blieb ich stehen und sagte laut: „Good
evening, madam!"; danach räusperte ich mich; aber kei-
ner kam.

„Well!" sagte James und knipste das Licht an; es wurde
taghell. Das Haus schien nagelneu. Wir hängten unsere
Rucksäcke an die Garderobe. Dann öffneten wir eine
Türe. Es war die Küche. James schloß gleich den Schrank
auf, er war voller Konserven. Dann schalteten wir über-
all das Licht ein und gingen durch das ganze Haus. Im
Schlafzimmer schien noch niemand geschlafen zu haben,
die Betten waren weich und wundervoll gepolstert. In
der Bibliothek fanden wir eine Flasche Whisky und einen
Siphon Mineralwasser. Den Siphon warfen wir gleich
durchs Fenster. Wir füllten unsere Gläser und setzten
uns in die gemütlichen Sessel.

„Was hältst du von der Geschichte?" fragte ich James.
Er zuckte mit den Schultern, ging zum Fenster und öff-
nete es.

„Paß auf!" sagte James, „wenn sich niemand regt. ..!"
Er zog seinen Revolver und schoß zweimal durchs Fen-
ster. Wir lauschten, aber es war niemand zu hören.
„Allright", sagte James, „gehen wir essen!"
Wir gingen wieder in die Küche. Ich deckte den Tisch,
während James ein paar Konserven öffnete und Brot
röstete.

Als wir gegessen hatten, wie seit Wochen nicht mehr,
machten wir uns in der Bibliothek hinter den Whisky.
Aber schließlich war keine Flasche mehr aufzutreiben,
und James meinte, ehe wir zu Bett gingen, müßten wir
baden. Wir knobelten, wer zuerst dran käme; James
gewann. Ich sagte, ich wolle die Küche ein wenig auf-
räumen.

Fr. Bilek

„Kannst du mir verzeihen
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Kannst du mir verzeihen ...?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Kannst du mir verzeihen ...?"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 15, S. 184.

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen