DER HEIMKEHRER
Als ich dann wieder zu Hause war.
Der Weg nach Hause war weit und schwer,
Da sagte meine Frau:
„Oskar —
ich glaube, ich liebe dich nicht mehr,
aber ich weiß es noch nicht ganz genau."
Als ich dann wieder zu Hause war,
den Kopf geschoren, die Hose verwetzt,
sagte mein alter Chef mit Ruh:
„Ich nahm' Sie — klar,
aber es ist so schwer mit dem Rohstoff jetzt,
und sie haben mir 'nen Treuhänder reingesetzt,
und Überdies machen wir Montag zu."
Als ich dann wieder zu Hause war,
traf ich einen von meiner Kompanie,
der schrie: „Na, Mensch, was hatten wir Schwein!"
Bar
jeder Erinnerung nannt' ich ihn „Sie"
Denn einmal muß doch auch das zu Ende sein.
Als ich dann wieder zu Hause war, .
meine Gürgel war trocken, mein Magen leer,
sagt eine neue Kellnerin:
„Vor fünf Jahr'
waren Sie Stammgast? Das zählt jetzt nicht mehr!'
Und stellt einem andern den Teller hin.
Als ich dann wieder zu Hause war,
war ich mir selber im Wege. Das kränkt.
Da hat ein Soldat der Besatzungsmacht
aus seinem car
heraus mir zwei Zigaretten geschenkt,
obgleich er gerade mit einem Mädchen gelacht.
Als ich dann wieder zu Hause war,
da sah ich eines Abends ein Licht
in einem schiefen Ruinenbau.
Zwar
dachte ich, sie erinnert sich nicht —
Aber dann fand ich eine nicht mehr ganz junge Frau,
die sagte, es lohnte sich doch noch zu leben!
Und hat mir eine Tasse Tee mit Zucker gegeben.
Kih
„Die Sache ist ganz einfach. Du mußt, ein paarmal bei
dem Wagen mit den Ziegelsteinen auf und ab gehen,
gar nicht unauffällig. Du wirst bemerkt werden. So,
jetzt bleibst du an dem Torweg stehen, bist sehr inter-
essiert, aber voll ausgesprochener Ruhe. Ich sage dir,
der Mann mit den Ziegeln wird unruhig. Das ist ein
gutes Zeichen für dich. Du ziehst ein größeres Notiz-
buch aus der Tasche und notierst etwas. Es kann die
Wagennummer sein oder die Hausnummer oder auch
der erste Vers von Goethes Erlkönig. Du tust das ganz
ernst und sachlich. Nun möchte ich mit dir wetten, daß
der Herr des Autos zu dir tritt. Solche Herren rauchen
immer. Er wird dich in ein Gespräch verwickeln wollen
und dir dabei eine Zigarette anbieten. Ablehnen, sage
ich dir, strikt ablehnen!! Der Herr wird dir dann ein
Päckchen Zigaretten offerieren. Das kannst du schwei-
gend annehmen. Jetzt kannst du ihm einen Gefallen tun
und sichtbar den ersten Vers vom Erlkönig mit einem
dicken Strich, durchstreichen. Das haben die Herren mit
Ziegelsteinen oder Dingen, die sie sonst abladen, gerne.
Aber wie gesagt, immer die Würde wahren, und nicht
reden. In diesen Kreisen hält man viel auf gute Formen."
Otto verabschiedete sich und verschwand im abendlichen
Wirtschaftsleben. W. Foitzicfe
SIMPLSURIUM
DER WEG IN DIE WIRTSCHAFT
Otto war glänzender Laune, ich hatte ihn lange Zeit
nicht gesehen. „Was machst du?" fragte ich ihn.
„Ich mache Weihnachtsbesorgungen, ich kurhle die Wirt-
schaft an."
, Du, du bist wohl wahnsinnig geworden."
„Im Gegenteil, ich habe den Anschluß an die Zeit ge-
funden. Du rechnest nach Mark und Pfennigen, wir rechr
nen nach Zigaretten. Wenn ich mich recht erinnere,
rauchst auch du?" — Er erinnerte sich recht und durfte
mir eine anbieten.
„Nun, aber sag mir mal, Menschenskind, wo hast du
denn das Kleingeld her, wie kommst du zu Zigaretten?"
„Durch Bestechung."
„Mach keinen Unsinn, mit was bestichst du denn, wenn
du keine Zigaretten hast, oder hast du neuerdings hin-
ter deinem Büchergestell eine Schweinezucht angelegt?
Ein rechter Saustall hat ja immer bei dir geherrscht."
Otto war empört: „Wer redet davon, daß ich besteche, ich
lass' mich bestechen!"
„Du läßt dich bestechen? Wer soll um Gotteswillen ein
Interesse daran haben, dich zu bestechen? Du hast kein
Amt, keine Ware, keine Beziehungen, nicht mal einen
Onkel in Liberia oder in New York."
Otto lächelte: „Darauf kommt es nicht an. Ich will dir
mein Geheimnis anvertrauen. Pass mal auf. Dort drü-
ben vor dem großen Torweg hält ein Wagen, aus dem
etwas ausgeladen wird, ich glaube, es sind Ziegel. Hast
du schon einmal gehört^ daß es mit rechten Dingen zu-
,geht, wenn irgendwo Ziegel abgeladen werden? Ich sage
dir, es sind schwarze Ziegel. Ueberhaupt lass' dir sagen,
wenn irgendwo etwas abgeladen wird, ist irgend etwas
nicht ganz in Ordnung. Darauf beruht das Wirtschafts-
leben heute. Da hab' ich mich eingeschaltet."
„Verstehe noch immer nicht."
Bei Leo von König, dem Maler, drangen zwei Männer ein
und fragten ihn barsch, warum er nicht geflaggt habe.
Das war 1936.
Er antwortete todernst: „Zum Flaggen gehört ein frohes
Herz." .
Die zwei Männer entfernten sich sozusagen konsterniert.
Im Puff von Litzmannstadt hing zu allgemeiner Erbauung
und Ermunterung die Nachbildung eines Werkes vom Pro-
fessor Ziegler.
.Sogar der Bordellvater, ein Oberfeldwebel, war der Mei-
nung, es-passe ausgezeichnet hin.
Herr Schuster, leicht blau, zumpelt frühmorgens gegen
drei in München am sogenannten Ehrenmal vorüber.
Ohne Gruß. Ohne die Hand zu recken. Der Posten faucht
ihn an.
Schuster: „I am serrv. I don't widerstand ..,"
Der Posten entschuldigt sich höflich.
Im Jahre 1944.
LICHTBLICK FÜRS NEUE JAHR
Hannes König
Cs'rctz mancher Fährnissehabei)
Millionen Flaschen KUPFERBERG.
das Kriegsgeschehen überdauert. Sie reifen nach wie
vor in den sechzig unbeschädigten, durch sieben:
Schichten unter der Erde verlaufenden Kupferberg-'
Kellereien. Vorläufig ist der Verkauf für Deutschland!
noch nicht freigegeben, in Anbetracht des hohen;
Devisenwertes der Vorräte für die Ausfuhr.
Sektkellerei Chr. Adt. Kupfertwrg »' :•>. Gegr. 1850 J
KUPFERBERG GOLD
Schon das freudig-erhebende Bewußtsein, daß „Millionen Flaschen
Kupferberg" sämtliche Wirren überlebt haben, tröstet uns über all
das hinweg, was den Krieg leider nicht überstanden hat.
(Inserat aus Nummer 16 der Zeitschrift „Der Bogen")
Nur der Balkan bringt so dunklen Toback hervor, der, nach amtlich geschützter Methode
pfeiffermentiert, für den gewöhnlichen deutschen Raucher wegen eines gewissen schlei-
chenden Nebengeschmacks zu stark ist. t Haus Altecsschloß
198
Als ich dann wieder zu Hause war.
Der Weg nach Hause war weit und schwer,
Da sagte meine Frau:
„Oskar —
ich glaube, ich liebe dich nicht mehr,
aber ich weiß es noch nicht ganz genau."
Als ich dann wieder zu Hause war,
den Kopf geschoren, die Hose verwetzt,
sagte mein alter Chef mit Ruh:
„Ich nahm' Sie — klar,
aber es ist so schwer mit dem Rohstoff jetzt,
und sie haben mir 'nen Treuhänder reingesetzt,
und Überdies machen wir Montag zu."
Als ich dann wieder zu Hause war,
traf ich einen von meiner Kompanie,
der schrie: „Na, Mensch, was hatten wir Schwein!"
Bar
jeder Erinnerung nannt' ich ihn „Sie"
Denn einmal muß doch auch das zu Ende sein.
Als ich dann wieder zu Hause war, .
meine Gürgel war trocken, mein Magen leer,
sagt eine neue Kellnerin:
„Vor fünf Jahr'
waren Sie Stammgast? Das zählt jetzt nicht mehr!'
Und stellt einem andern den Teller hin.
Als ich dann wieder zu Hause war,
war ich mir selber im Wege. Das kränkt.
Da hat ein Soldat der Besatzungsmacht
aus seinem car
heraus mir zwei Zigaretten geschenkt,
obgleich er gerade mit einem Mädchen gelacht.
Als ich dann wieder zu Hause war,
da sah ich eines Abends ein Licht
in einem schiefen Ruinenbau.
Zwar
dachte ich, sie erinnert sich nicht —
Aber dann fand ich eine nicht mehr ganz junge Frau,
die sagte, es lohnte sich doch noch zu leben!
Und hat mir eine Tasse Tee mit Zucker gegeben.
Kih
„Die Sache ist ganz einfach. Du mußt, ein paarmal bei
dem Wagen mit den Ziegelsteinen auf und ab gehen,
gar nicht unauffällig. Du wirst bemerkt werden. So,
jetzt bleibst du an dem Torweg stehen, bist sehr inter-
essiert, aber voll ausgesprochener Ruhe. Ich sage dir,
der Mann mit den Ziegeln wird unruhig. Das ist ein
gutes Zeichen für dich. Du ziehst ein größeres Notiz-
buch aus der Tasche und notierst etwas. Es kann die
Wagennummer sein oder die Hausnummer oder auch
der erste Vers von Goethes Erlkönig. Du tust das ganz
ernst und sachlich. Nun möchte ich mit dir wetten, daß
der Herr des Autos zu dir tritt. Solche Herren rauchen
immer. Er wird dich in ein Gespräch verwickeln wollen
und dir dabei eine Zigarette anbieten. Ablehnen, sage
ich dir, strikt ablehnen!! Der Herr wird dir dann ein
Päckchen Zigaretten offerieren. Das kannst du schwei-
gend annehmen. Jetzt kannst du ihm einen Gefallen tun
und sichtbar den ersten Vers vom Erlkönig mit einem
dicken Strich, durchstreichen. Das haben die Herren mit
Ziegelsteinen oder Dingen, die sie sonst abladen, gerne.
Aber wie gesagt, immer die Würde wahren, und nicht
reden. In diesen Kreisen hält man viel auf gute Formen."
Otto verabschiedete sich und verschwand im abendlichen
Wirtschaftsleben. W. Foitzicfe
SIMPLSURIUM
DER WEG IN DIE WIRTSCHAFT
Otto war glänzender Laune, ich hatte ihn lange Zeit
nicht gesehen. „Was machst du?" fragte ich ihn.
„Ich mache Weihnachtsbesorgungen, ich kurhle die Wirt-
schaft an."
, Du, du bist wohl wahnsinnig geworden."
„Im Gegenteil, ich habe den Anschluß an die Zeit ge-
funden. Du rechnest nach Mark und Pfennigen, wir rechr
nen nach Zigaretten. Wenn ich mich recht erinnere,
rauchst auch du?" — Er erinnerte sich recht und durfte
mir eine anbieten.
„Nun, aber sag mir mal, Menschenskind, wo hast du
denn das Kleingeld her, wie kommst du zu Zigaretten?"
„Durch Bestechung."
„Mach keinen Unsinn, mit was bestichst du denn, wenn
du keine Zigaretten hast, oder hast du neuerdings hin-
ter deinem Büchergestell eine Schweinezucht angelegt?
Ein rechter Saustall hat ja immer bei dir geherrscht."
Otto war empört: „Wer redet davon, daß ich besteche, ich
lass' mich bestechen!"
„Du läßt dich bestechen? Wer soll um Gotteswillen ein
Interesse daran haben, dich zu bestechen? Du hast kein
Amt, keine Ware, keine Beziehungen, nicht mal einen
Onkel in Liberia oder in New York."
Otto lächelte: „Darauf kommt es nicht an. Ich will dir
mein Geheimnis anvertrauen. Pass mal auf. Dort drü-
ben vor dem großen Torweg hält ein Wagen, aus dem
etwas ausgeladen wird, ich glaube, es sind Ziegel. Hast
du schon einmal gehört^ daß es mit rechten Dingen zu-
,geht, wenn irgendwo Ziegel abgeladen werden? Ich sage
dir, es sind schwarze Ziegel. Ueberhaupt lass' dir sagen,
wenn irgendwo etwas abgeladen wird, ist irgend etwas
nicht ganz in Ordnung. Darauf beruht das Wirtschafts-
leben heute. Da hab' ich mich eingeschaltet."
„Verstehe noch immer nicht."
Bei Leo von König, dem Maler, drangen zwei Männer ein
und fragten ihn barsch, warum er nicht geflaggt habe.
Das war 1936.
Er antwortete todernst: „Zum Flaggen gehört ein frohes
Herz." .
Die zwei Männer entfernten sich sozusagen konsterniert.
Im Puff von Litzmannstadt hing zu allgemeiner Erbauung
und Ermunterung die Nachbildung eines Werkes vom Pro-
fessor Ziegler.
.Sogar der Bordellvater, ein Oberfeldwebel, war der Mei-
nung, es-passe ausgezeichnet hin.
Herr Schuster, leicht blau, zumpelt frühmorgens gegen
drei in München am sogenannten Ehrenmal vorüber.
Ohne Gruß. Ohne die Hand zu recken. Der Posten faucht
ihn an.
Schuster: „I am serrv. I don't widerstand ..,"
Der Posten entschuldigt sich höflich.
Im Jahre 1944.
LICHTBLICK FÜRS NEUE JAHR
Hannes König
Cs'rctz mancher Fährnissehabei)
Millionen Flaschen KUPFERBERG.
das Kriegsgeschehen überdauert. Sie reifen nach wie
vor in den sechzig unbeschädigten, durch sieben:
Schichten unter der Erde verlaufenden Kupferberg-'
Kellereien. Vorläufig ist der Verkauf für Deutschland!
noch nicht freigegeben, in Anbetracht des hohen;
Devisenwertes der Vorräte für die Ausfuhr.
Sektkellerei Chr. Adt. Kupfertwrg »' :•>. Gegr. 1850 J
KUPFERBERG GOLD
Schon das freudig-erhebende Bewußtsein, daß „Millionen Flaschen
Kupferberg" sämtliche Wirren überlebt haben, tröstet uns über all
das hinweg, was den Krieg leider nicht überstanden hat.
(Inserat aus Nummer 16 der Zeitschrift „Der Bogen")
Nur der Balkan bringt so dunklen Toback hervor, der, nach amtlich geschützter Methode
pfeiffermentiert, für den gewöhnlichen deutschen Raucher wegen eines gewissen schlei-
chenden Nebengeschmacks zu stark ist. t Haus Altecsschloß
198
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Lichtblick fürs neue Jahr"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 16, S. 198.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg