FEIERABEND
H Beyer
BUCHEINKAUF
Es gibt schon wieder erfreuliche Silberstreifen am
Ruinenhorizont. In Stuttgart fand ich in einer Buch-
handlung Reclam-Bändchen auf dem Ladentisch. In alter,
gediegener Form, zum alten, unwahrscheinlichen Preis
von 35 Pfennig. Ohne Beziehungen, ohne Gegengabe,
frei zu kaufen. Ich erwarb drei Stück. Bei näherer Be-
trachtung erwies es sich, daß es Hefte aus alten Be-
ständen waren, die man jetzt abgab. Aber auf dem
Ladentisch! Das war das Neue, Erfreuliche, der Silber-
streifen. Oder war doch noch ein kleines Häkchen da-
bei? Nach dem Titelblatt sollte jedes Heft ein auto-
biographisches Nachwort des Verfassers enthalten. Das
fehlte, es war fein säuberlich herausgeschnitten. Nein,
in einem Bändchen war es drin. Ich las es. Es stammte
von der österreichischen Schriftstellerin Ida Maria
Deschmann und schloß mit den sinnigen Sätzen:
Als wir dann unseren geliebten Führer hatten, als auch
für die Ostmark die große Stunde gekommen war, da
war in mir nur eine Sehnsucht: mithelfen zu dürfen.
Ich hatte es schon vor dem Anschluß, im geheimen,
getan. Nun, nach dem Anschluß, durfte und mußte an
Abertausenden von Plätzen, vor aller Oeffentlichkeit, ge-
arbeitet werden für des deutschen Volkes Jetzt und Zu-
kunft. Auch ich griff zu. Auch ich half mit. Und wenn
ich daran denke, was ich für meine eigenen Lebenstage
und für mein Schaffen wünsche, dann kann es nur der
heilige Wunsch sein: wenn einmal unsere gewaltige
Zeit vorübergerauscht sein wird, dann möchte ich die-
ser unserer Zeit icert gewesen sein!
Wien, im Oktober 1941.
Ida Maria Deschmann.
Wie müssen da erst die entfernten Nachworte aus-
gesehen haben, wenn man an diesem offenbar nichts
auszusetzen gehabt hatte? Erfea.
Nach dem täglichen Kampf wieder im trauten Heim
DAS GEWISSEN
11 H. Ebener
RADIO-LABUNG
19 Uhr — .Radio München bringt jetzt seine
Sendung... (mit Pathos gesprochen)... Bayern ...
(Musik) ... Baut ... (Musik) ... Auf ...II"
(Trommelwirbel und Tusch.)
Der Ansager; „Wir haben heute Herrn Korbinian
Tafertshofer ans Mikrophon gebeten, um aus
seinem Munde Näheres über die bisher ge-
leistete Aufbauarbeit im Sägenfeiler- und Beil-
hacklhandgriffmachergcwerbe zu erfahren . . .
... Nun, Herr Tafertshofer ... Sie sind also
der Herr Tafertshofer, nicht wahr.
Leicht belegte Stimme: „A huahua hua . .."
Ansager: „Ganz richtig, . .. hähä. — Nun, wie
bcutteilt man denn so im allgemeinen die Lage
im Sägenfeilergewcrbe? Haben Sie viel zu tun?"
Leicht belegte Stimme: ,,SeIl woll, seil woll. ..
Die Leut, die bringen uns halt ihre Sägen, da-
mit's g'feilt wer'n . . ."
Ansager: „Ausgezeichnet. — Und dann?"
Ta/ertshofer: „Nachher, bal's g'feilt sind, — nach-
her hol'n sas wieder ab . . ."
Ansager: „Ich verstehe, ich verstehe. Die neu-
gefeilten also beziehungsweise geschärften Sägen
werden dann wohl meistens zum Sägen von
Holz benutzt? Oder haben Sie, als Fachmann,
vielleicht andere Beobachtungen gemacht? Sie
wissen, der Laie macht sich ja — hähä —
bisweilen völlig irrige Vorstellungen . . ."
Tafertshofer: „Na, na, des is ganz richtig, — zum
Sägen von Holz. . . also, wia ma halt so im
Volksmund sagt: A Holz... so a Holz, wia
ma's in 'n Ofen cinischiabt. .."
Ansager: „Brennholz, ... für den Hausbrand,
wollen Sie wohl sagen, nicht?"
Tafertshofer: „Jawoi... a hua hua hua..."
Ansager: „Wie sind Ihres Erachtens die Aussich-
ten für die Brennholzversorgung im kommenden
Winter? Glauben Sie, Herr Tafertshofer, daß
planmäßige Erfassung und Feilung von haus-
brandfördernden Sägen . . ."
Tafertshofer, unterbrechend: „Da siech i schwarz!"
Ansager: „Ach!? Nun, welche Maßnahmen würden
Sie vorschlagen, um das Verrosten alter Sägen
— mit dem nun einmal, wie wir alle wissen,
gerechnet werden muß, — äh, auf ein Mindest-
maß zu beschränken?..."
Tafertshofer: „Ich sähä die Zukumpft in einer
erschbrießlichen Zusammenorbeit aller demo-
kratischen Bartcien auf ieberbordeilicher Grund-
lage."
Ansager: „Bravo, Herr Tafertshofer, bravo!"
Tafertshofer: „Wenn ein jeder seinen eigenen
Saglbock und sei Sag'n guat imstand halt, nacha
muaß do wieder aufwärts geh' in unserm
Baycrland, in Gott's Namm . . ."
Ansager: „In diesem Sinne ,Glück auf!', Herr
Tafertshofer. .."
Tafcrfsho/er: „Aa hua hua hua, . . . a hua hua
hua ..." '
Eine männliche Baritonstimme: „Sie hörten die
Sendung . . . (Musik) Bayern . . . (Musik) . . . Baut
. . (Musik) . . , Auf. ..!!!" (Trommelwirbel und
Tusch), — Ausklingende, etwas belegte Stimme im
Hintergrund: „A hua hua hua . .." W. F. Kloecfe
In i
„Ob sich einer wirklich noch an das kleine Ari-
sierungsgeschäft aus dem Jahre 38 erinnert?"
4
H Beyer
BUCHEINKAUF
Es gibt schon wieder erfreuliche Silberstreifen am
Ruinenhorizont. In Stuttgart fand ich in einer Buch-
handlung Reclam-Bändchen auf dem Ladentisch. In alter,
gediegener Form, zum alten, unwahrscheinlichen Preis
von 35 Pfennig. Ohne Beziehungen, ohne Gegengabe,
frei zu kaufen. Ich erwarb drei Stück. Bei näherer Be-
trachtung erwies es sich, daß es Hefte aus alten Be-
ständen waren, die man jetzt abgab. Aber auf dem
Ladentisch! Das war das Neue, Erfreuliche, der Silber-
streifen. Oder war doch noch ein kleines Häkchen da-
bei? Nach dem Titelblatt sollte jedes Heft ein auto-
biographisches Nachwort des Verfassers enthalten. Das
fehlte, es war fein säuberlich herausgeschnitten. Nein,
in einem Bändchen war es drin. Ich las es. Es stammte
von der österreichischen Schriftstellerin Ida Maria
Deschmann und schloß mit den sinnigen Sätzen:
Als wir dann unseren geliebten Führer hatten, als auch
für die Ostmark die große Stunde gekommen war, da
war in mir nur eine Sehnsucht: mithelfen zu dürfen.
Ich hatte es schon vor dem Anschluß, im geheimen,
getan. Nun, nach dem Anschluß, durfte und mußte an
Abertausenden von Plätzen, vor aller Oeffentlichkeit, ge-
arbeitet werden für des deutschen Volkes Jetzt und Zu-
kunft. Auch ich griff zu. Auch ich half mit. Und wenn
ich daran denke, was ich für meine eigenen Lebenstage
und für mein Schaffen wünsche, dann kann es nur der
heilige Wunsch sein: wenn einmal unsere gewaltige
Zeit vorübergerauscht sein wird, dann möchte ich die-
ser unserer Zeit icert gewesen sein!
Wien, im Oktober 1941.
Ida Maria Deschmann.
Wie müssen da erst die entfernten Nachworte aus-
gesehen haben, wenn man an diesem offenbar nichts
auszusetzen gehabt hatte? Erfea.
Nach dem täglichen Kampf wieder im trauten Heim
DAS GEWISSEN
11 H. Ebener
RADIO-LABUNG
19 Uhr — .Radio München bringt jetzt seine
Sendung... (mit Pathos gesprochen)... Bayern ...
(Musik) ... Baut ... (Musik) ... Auf ...II"
(Trommelwirbel und Tusch.)
Der Ansager; „Wir haben heute Herrn Korbinian
Tafertshofer ans Mikrophon gebeten, um aus
seinem Munde Näheres über die bisher ge-
leistete Aufbauarbeit im Sägenfeiler- und Beil-
hacklhandgriffmachergcwerbe zu erfahren . . .
... Nun, Herr Tafertshofer ... Sie sind also
der Herr Tafertshofer, nicht wahr.
Leicht belegte Stimme: „A huahua hua . .."
Ansager: „Ganz richtig, . .. hähä. — Nun, wie
bcutteilt man denn so im allgemeinen die Lage
im Sägenfeilergewcrbe? Haben Sie viel zu tun?"
Leicht belegte Stimme: ,,SeIl woll, seil woll. ..
Die Leut, die bringen uns halt ihre Sägen, da-
mit's g'feilt wer'n . . ."
Ansager: „Ausgezeichnet. — Und dann?"
Ta/ertshofer: „Nachher, bal's g'feilt sind, — nach-
her hol'n sas wieder ab . . ."
Ansager: „Ich verstehe, ich verstehe. Die neu-
gefeilten also beziehungsweise geschärften Sägen
werden dann wohl meistens zum Sägen von
Holz benutzt? Oder haben Sie, als Fachmann,
vielleicht andere Beobachtungen gemacht? Sie
wissen, der Laie macht sich ja — hähä —
bisweilen völlig irrige Vorstellungen . . ."
Tafertshofer: „Na, na, des is ganz richtig, — zum
Sägen von Holz. . . also, wia ma halt so im
Volksmund sagt: A Holz... so a Holz, wia
ma's in 'n Ofen cinischiabt. .."
Ansager: „Brennholz, ... für den Hausbrand,
wollen Sie wohl sagen, nicht?"
Tafertshofer: „Jawoi... a hua hua hua..."
Ansager: „Wie sind Ihres Erachtens die Aussich-
ten für die Brennholzversorgung im kommenden
Winter? Glauben Sie, Herr Tafertshofer, daß
planmäßige Erfassung und Feilung von haus-
brandfördernden Sägen . . ."
Tafertshofer, unterbrechend: „Da siech i schwarz!"
Ansager: „Ach!? Nun, welche Maßnahmen würden
Sie vorschlagen, um das Verrosten alter Sägen
— mit dem nun einmal, wie wir alle wissen,
gerechnet werden muß, — äh, auf ein Mindest-
maß zu beschränken?..."
Tafertshofer: „Ich sähä die Zukumpft in einer
erschbrießlichen Zusammenorbeit aller demo-
kratischen Bartcien auf ieberbordeilicher Grund-
lage."
Ansager: „Bravo, Herr Tafertshofer, bravo!"
Tafertshofer: „Wenn ein jeder seinen eigenen
Saglbock und sei Sag'n guat imstand halt, nacha
muaß do wieder aufwärts geh' in unserm
Baycrland, in Gott's Namm . . ."
Ansager: „In diesem Sinne ,Glück auf!', Herr
Tafertshofer. .."
Tafcrfsho/er: „Aa hua hua hua, . . . a hua hua
hua ..." '
Eine männliche Baritonstimme: „Sie hörten die
Sendung . . . (Musik) Bayern . . . (Musik) . . . Baut
. . (Musik) . . , Auf. ..!!!" (Trommelwirbel und
Tusch), — Ausklingende, etwas belegte Stimme im
Hintergrund: „A hua hua hua . .." W. F. Kloecfe
In i
„Ob sich einer wirklich noch an das kleine Ari-
sierungsgeschäft aus dem Jahre 38 erinnert?"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Feierabend" "Das Gewissen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 1, S. 4.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg