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BETRACHTUNGEN
EINES AUSGEBOMBTEN

Ich bin nichts Besonderes. Nur ein Ausgebombter.
Einer von den Späten, aus dem 44er Jahr,
in dem schon nirgends mehr was zu kriegen war.
Für die ersten ging das mit den Bezugscheinen
prompter.

noch

Andere haben — ich weiß schon — noch mehr verloren.
Gleichwohl ist es dumm, wenn man nur einen Topf besitzt,
und der hat ein Loch, und beim Kochen schwitzt
er den Maisgrießbrei dick aus den cmaillenen Poren.

Auch ein Schuh gehört doch hin und wieder besohlt.
Und ein Hemd weigert sich schließlich, fadenscheinig und
schroff,

noch länger ein Hemd zu sein, wenn man seit Jahren den
Stoff

für neue Manschetten und Kragen von unten her holt.

Man sagt mir, ich hätte halt auch den Krieg verloren,
— wenn auch persönlich nicht angefangen und nicht
gewollt —.

Aber ich hätte mich gar nicht — auch passiv nicht —
beteiligen gesollt.

Und für die Zukunft habe ich mir das auch fest zu-
geschworen.

Ich weiß bloß nicht, warum für viele andere Leute dies
nicht gilt, nur weil sie eine Straße weiter wohnen?
Oder weil sie bessere Menschen sind, so daß Gott sie
belohnen

wollte und ihnen alles, was sie hatten, ließ?

Auch auf dem Lande schauen viele — sogar von den
Frommen —

mit dem strafend-zufriedenen Blick der Gerechten
auf mich, den Städter, den verruchten, den schlechten,
dem der liebe Gott — wahrscheinlich zur Strafe — sein
bißchen Habe genommen!

Mein Bündel ist leicht zu tragen, armselig und klein.
Man steigt mit ihm unbeschwert über die trümmerbeladene
Erde.

Aber vielleicht hilft es mir, daß ich kein Pharisäer werde,
sondern bescheiden dankbar bin, überhaupt noch vorhan-
den zu sein.

NACH DER SCHLACHT m. Radier

„Was hast du denn dauernd zu studieren?" — „Die Verfassung . .. !
Man muß doch schließlich einmal wissen, wofür man gestimmt hat!"

Nyary

LESEZEICHEN

DER WEHRWIRTSCHAFTSFÜHRER

„Dreizehn Jahre habe ich von der Substanz gelebt —
Jetzt muß endlich was für mich geschehen I"

Wenn Sie es nicht selbst erlebt haben, kennen Sie
es aus Reisebeschreibungen. Da kommt so ein
Schiff aus der weiten großen Welt in den fernen,
fernen Hafen. Sofort ist der Dampfer von allerlei
Booten umgeben, aus denen die Einwohner, die Ur-
einwohner, die Erzeugnisse ihrer. Landei anbieten.
Am Pier drängt sich die bunte Menge, in den
Ladenstraßen wimmelt es, und überall bekommt der
Fremde die Dinge angeboten, von denen der Ein-
geborene annimmt, daß sich die Weltreisenden nach
ihnen sehnen: Schnitzereien oder Stickereien, Ge-
hämmertes, Gepunztes und Gebatiktes, halt al! das,
was nach alter Übereinkunft Volkskunst genannt
wird und deshalb hergestellt wird, damit es die
Fremden kaufen. Im Wirtschaftsleben nennt man
so etwas, glaube Ich, Geschenkartikel Wenn das
mal verkauft ist. hat es seine Mission im großen
Weltenplan erfüllt. Es liegt dann noch einige Zeit
herum, bis es verschwindet. Wer weiß, wohin?
So ähnlich sieht es auch jetzt bei uns aus. Wir
leben auf einer einsamen Insel, und fremde See-
und Landfahrer kommen, na, sagen wir mal, um
uns zu besuchen. Da bieten wir ihnen die Erzeug-
nisse des heimischen Gewerbefleißes an. Und was

erzeugen wir? Ich sage Euch: Lesezeichen, haupt-
sächlich Lesezeichen! Sehen Sie sich mal die Aus-
lagen unserer Geschäfte an, alles voller Lesezeichen,
gemalt, gezeichnet, gedruckt, ausgeschnitten, geklebt.
Das ganze Land ist voller Lesezeichen. Noch fehlt's
an Büchern im Revier, man nimmt gemalte Lese-
zeichen dafür. Ich glaube, wir können den Bedarf
der ganzen Welt an Lesezeichen decken. Wenn ich
Amerikaner wäre, ich würde Deutschland das Land
der Lesezeichen nennen. Der Bedarf dort drüben in
Amerika scheint ungeheuer zu sein.
Wenn unsere Kulturschicht sich erst einmal ab-
gelagert hat, wenn sie wie Steinzeit und Bronzezeit
und Eisenzeit zu Boden geworden sein wird, dann
werden künftige Archäologen bei ihren Ausgrabun-
gen mit Staunen feststellen, daß auf den Trümmern
des großen Krieges eine dicke Schicht von gemalten,
geklebten und gedruckten kleinen Papierstreifen
liegt, und sie werden das vermutlich die Lesezeichen-
Epoche nennen und, wie üblich, damit einen geheimnis-
vollen Dämonenglauben dieser Ureinwohner verbinden,
oder einen Wachstumszauber oder einen Fruchtbar-
keitsritus — falls es dann noch Archäologen gibt, ^ie
sich um das" Gewesene scheren. Walter Foitzicfe

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Nach der Schlacht" "Der Wehrwirtschaftsführer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nyary, Josef
Radler, Max
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 1, S. 7.

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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