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„So, Bäuerin, da hab' i' dir a bisserl a Trockenei
'bracht — weirs euch gar so schlecht geht!"

INTERVIEW

Der SIMPL erfuhr als erster von der umwälzenden
Entdeckung des wirklich ganz geheimen Sanitätsrates und
Professors Dr. med. Eusebius Daxlhuber, der sich auch
freundlicherweise zu einem Interview bereiterklärte. Nach-
folgend das Ergebnis:

Reporter: Würden Sie so liebenswürdig sein, Herr Pro-
fessor, uns kurz über Ihre neue Entdeckung zu be-
richten?

Professor: Aber gerne. Es handelt sich um die Entdeckung
einer neuen Art von Parasiten, die vermutlich auch
die Erreger der Naziepidcmic gewesen sind. Ich fand
vor Monaten in dem Blutbild eines luesverdächtigen
Gehirnparalytikers hakenkreuzähnliche Vibrionen, die
sich mit großer Geschwindigkeit zwischen den Blut-
körperchen hindurchbewegten. Eine genauere Unter-
suchung ergab, daß sie in die Gruppe der Spiro-
chaeten einzureihen sind, wie wir sie von der Syphilis
bereits kennen.

Reporter: Das ist ja hochinteressant. Sie gingen dem
Phänomen natürlich nach . . .?

Professor. Allerdings. Durch die Hakenkreuzform irritiert,
unternahm ich eine Reihenuntersuchung bei Nazis, für
deren Belastungsgrad die Spruchkammern garantieren.
Das Resultat blieb aber zweifelhaft. Auch bei den sog.
Entlasteten war das Ergebnis sehr unsicher; bei einigen
fand ich bis zu 20000 Blubochaeten pro ein Hundertstel
Quadratmillimeter. . ,

Reporter: Blubochaeten . . .?

Professor: Ja, ihr Gedeihen hängt nämlich vorwiegend
vom Blut und vom Boden ab, weshalb ich sie sc taufte.
— Kurz, bei manchen Minderbelasteten war auch nicht
die geringste Spur zu entdecken. Erst die Untersuchun-
gen an notorischen Nazis lieferten mir den endgültigen
Beweis, den Erreger der Naziepidemie vor mir zu
haben. —

Reporter: Wie äußert sich diese neue Krankheit nun am
Menschen?

Professor: Wir können meines Erachtens, wie bei Lues,
drei Stadien unterscheiden. Das primäre Stadium
ist meist sehr akut und äußert sich in Form von
nationalem Nervenfieber, Antisemitismus, starker Be-
nommenheit mit Neigung zu Sadismus und Größen-
wahn. Bei einigen Patienten hinterlassen diese Anfälle
gerne chronische Herzverengung und Schwindeln. Das
sekundäre Stadium hat labilen Charakter. Der
Erreger kann sich mitunter bis zu zehn Jahren ver-
borgen halten und aus dem Blutbild spurlos verschwin-
den, um plötzlich erneut hervorzubrechen. Auch sind
schon Rückfälle in das primäre Stadium beobachtet
worden. Meist arbeiten sich die Blubochaeten langsam
an den Nervenbahnen empor und leiten das ter-
tiäre Stadium ein, das im allgemeinen mit Gehirn-
erweichung endet. Sie sehen, daß die Verwandtschaft
mit der Syphilis auf der Hand liegt.

Reporter: Sind die Symptome bei Männern, Frauen und
Kindern die gleichen?

Professor: Im großen und ganzen ja. Bei Frauen tritt
vor allem im Primärst»dium noch Hysterie, manchmal
sogar Fetischismus hinzu. Bei Kindern wurde u. a.
häufig sexuelle Frühreife beobachtet.

Reporter: Halten Sie die Blubochaeten für übertragbar?
Wenn ja, auf welche Weise?

Professor: Ich halte die Krankheit sogar für sehr viel
ansteckender als Lues, andernfalls wäre das Dritte
Reich gar nicht denkbar. Man findet diese Art von
Spirochaeten fast immer im Mund. Ein allzuhäufiges
Sprechen, wozu gerade die Blubokranken besonders
neigen, bildet bereits eine Infektionsgefahr. Es be-

steht sogar Grund anzunehmen, daß eine Ansteckung
durch Rundfunk möglich ist. Zeitungen-, ja Bilder und
sogat Räume geben einen guten Träger ab.
Reporter; Das ist ja furchtbar bei dieser Wohnungsnot.
Professor: Ganz richtig. Die Ansteckungsgefahr multipli-
ziert sich damit und bei Beschlagnahmungen werden
deshalb auch Häuser von Nicht-Nazis -auf die Dauer
vorzuziehen sein.
Reporter: Gibt es gegen die Blubochaeten kein wirk-
sames Mittel?

Professor: Im Hinblick auf die Luesverwandtschaft habe
ich es zunächst mit Wismut und Neo-Salvarsan pro-
biert. Aber auch Penicillin blieb ohne jeden Erfolg.
Sogar die Niemöllerschcn Moralkuren scheinen seit
Erlangen vergeblich. Das wirksamste Mittel ist zwei-
fellos bisher das seit Jahrhunderten sonntäglich an
die Landbevölkerung verabreichte Moralin. Meine eige-
nen Untersuchungen mit starken Moralindosen führten
allerdings zu einem recht originellen Resultat. Die
Vibrionen streckten sich unter diesem Einfluß und
verloren damit ihre Haken; dafür nahmen sie eine
deutlich schwarze Färbung an.

Reporter: Verlieren sie damit wenigstens ihre Wirk-
samkeit?

Professor: Das bleibt noch abzuwarten; wir haben noch
bei weitem nicht die nötigen Erfahrungen gesammelt.
Immerhin bilden sie sich durch Moralinmangel schnell
wieder in ihre alte Form zurück. Als Kuriosum wäre
noch zu erwähnen, daß der Nachweis, ähnlich wie bei
Lues, sowohl durch Wassermannsche wie Kahnsche
Reaktion gelingt; beide waren nämlich Nichtarier.

Reporter: Aber dann hätten sie doch leicht die- Blubo-
chaeten gleich mitentdecken und so der Menschheit viel
Unheil ersparen können?

Professor: Die Blubochaeten traten erst viel später auf
und wurden vermutlich aus Oesterreich, d. h. Braunau
importiert, was wiederum erklären würde, warum ge-
rade Hitler als erster bereits 1932 das Tertiärstadiuni
erreichte.

Reporter; Halten Sie eine neue Epidemie für möglich?

Professor: Das hängt ganz von den Umständen ab. Ge-
sunder Wohnraum und reichliche Nahrung scheinen
mir das sicherste Abwehrmittel. Die Ausscheidung der
verseuchten Bazillenträger ist jedenfalls unerläßlich.
Am wichtigsten erscheint wohl die Gesundung der
Jugend. Ein vorübergehender Aufenthalt auf ausländi-
schen Schulen könnte sie eventuell immunisieren, denn
nichts fördert die Verbreitung"der Blubochaeten mehr,
als stickige Nationaldünste, die beim hermetischen Ab-
schluß von der übrigen Welt zwangsweise entstehen.

Reporter: Worin sehen Sie die direkte Auswirkung Ihrer
Entdeckung?

Professor: Nun, zunächst wird damit die Entnazifizierung
endlich mit gerechten, weil mit rigoros wissenschaft-

lichen Mitteln durchgeführt werden können. Nehmen
wir z. B. an: Gruppe I alle Leute mit mehr als 6000
Blubochaeten auf Vioo qmm, Gruppe II alle mit 2000
bis 5900 usw. ohne Rücksicht auf Zugehörigkeit, Pro-
tektion oder Verleumdung. — Auch ließe sich an den
Grenzen jeder unerwünschte Export verhindern. Man
wird der UN jährlich eine genaue Statistik über den
deutschen Genesungsprozeß vorlegen können und lang-
sam der Krankheit Herr werden. Vorläufig sieht es
damit noch sehr schlimm aus.

Reporter; Darf ich zum Schluß noch für den SIMPL
eine etwas vertrauliche Frage stellen?

Professor: Aber bitte!

Reporter: Haben Sie auch einige unserer Prominenten
von heute in Behandlung?

Professor: Allerdings, aber ... Sie rühren hier an das
Aerztegeheimnis. Außerdem müßte ich zu solchen Aus-
künften erst über die ursprüngliche Form der
Blubochaeten vollkommen klar sehen. M. Schr/mpf

SEELENWANDERUNG

Bei einer Pflanze heißt es: sie geht ein.
Von meinem Ofen kann man das nicht sagen.
Was er mir antut, ist kaum zu uerzeih'n.
Tagtäglich gibt er Grund zum Klagen.

Ab morgens acht erfüllt er seine Pflicht —
bescheiden, zuverlässig, ohne Makel
und keineswegs auf Anthrazit erpicht — —
und dann vollzieht sich das Mirakel:

Schlag neunzehn geht der Eigenbrötler aus,
legt beide Hände in den Schoß und feiert —
abrupt, ganz ohne Sinn, mit Mann und Maus.
Ich sitze da und bin gemeiert.

Zwar atze ich ihn stracks mit frischer Glut
und rede wie mit einem kranken Fohlen —
es rührt ihn nicht, er rührt sich nicht, er ruht.
Im Nu verröcheln Koks und Kohlen.

Den Dienst nach neunzehn haßt er wie die Pest,
und Feierabendtätigkeit verdammt er.
Der Braue hat Charakter, das steht fest.
Bestimmt war er dereinst Beamter. ich

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Patentlösung für kleine Grenzverschienungen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nyary, Josef
Trepte, Toni
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 1, S. 8.

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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