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Xaver Fuhr: FLUSSLANDSCHAFT (Stempeldruck)

NEUE" HUNDERT TAGE

Der Begriff der „Hundert Tage" ist unsterblich gewor-
_den mit dem Namen Napoleons. Für hundert Tage
kehrte der bereits Besiegte und Gefangene wieder zurück
auf den Schauplatz seiner Taten, um sich endgültig in
den Netzen seiner Gegner zu verfangen.

Der Vergleich zur Gegenwart liegt nahe: Frage dich ein-
mal, lieber Leser, wie du auf die Tatsache einer hun-
derttägigen Wiederholung des Tausendjährigen Reiches
reagieren würdest? Mache dir klar, wie viel schon ver-
gessen ist seit damals — das Damals ist noch gar nicht
so lange her, wie du denkst! — und wie stark anderer-
seits noch der Einfluß dieser glorreichen jüngsten Ver-
gangenheit auf unser Dasein ist und bleiben wird, für
mehr als hundert Tage.

Man stelle sich vor: Tote würden lebendig, lächerliche
Prozeßgestalten frei und dürften (mit amerikanischer
Lizenz natürlich) noch einmal handeln, wie ihr „Gesetz" *
es ihnen „befahl". Braun wird — nur für hundert Tage!
— wieder Modefarbe, Lieder erschallen aus rauhen Män-
nerkehlen und piepsigen Mädchenstimmbändern. SA
und BDM marschieren! Schlagartig öffnen die KZ-Lager
ihre Tore und fressen wieder Menschenmassen, kaum zu
fassen ... Man trägt runde Knöpfe am linken Rockauf-
schlag und zuckt bei dem Wort „Gestapo" zusammen.
Man kürzt unerhörte Dinge ab und spricht „fachmän-
nisch" von „Blubo" und „Muki", man wird „deutscher
Christ" und Nazideutscher. Denn schließlich will „man"
ja weiterleben, und wenn es nur hundert Tage sind, die
so überstanden werden müssen, so ist das weder schlimm
noch schwierig. Wozu sich auflehnen? Es wird schon wie-
der anders kommen ...

Es kommt anders. Nach fünfzig Tagen „bricht man einen
Krieg aus", der genau die zweite Hälfte der zugemesse-
nen Frist beansprucht. Die Hundert soll der ,ZwölP in
nichts nachstehen. Diese fünfzig Tage vernichten das
Letzte, was noch übriggeblieben ist. „Nun ist wenigstens
alles in Trümmern", sagt der befriedigte Aktivist. „Es
waren halt immer noch zu viele Menschen auf der Erde!"
Es gibt solche. Sie würden die Idee der hundert Tage

begrüßen und es sich für diese Zeit Wohlergehen lassen.
Schau in das Spieglein an der Wand, o Leser, und frage
dich, frage dich ernst und eindringlich, ob du auch zu
diesen gehörst. Zu den Unüberlegten oder gar zu den
Irrüberlegenden! Sei ehrlich, Durchschnittsbürger im
Trümmerfeld: du willst es nicht! Niemals würdest du
diese hundert Tage für bare Münze nehmen. Denn du
hast sie auch schon überlebt. Wenn nicht — es käme auf

einen Versuch an! Wenn es möglich wäre — und es ist
Gott sei Dank nicht zu verwirklichen — sollte eine Ge-
schichtswiederholung inszeniert werden? Neue „hundert
Tage"? Versuchter „Neonazismus"? —
Entsetzlich! Lächerlich und unvorstellbar! Zur Beruhi-
gung jeglicher Gelüste in dieser Hinsicht mahnt das ge-
schichtliche Beispiel: Das Ende wäre — St. Helena!

M. v. Eynern

Zeitschriftenzeit

Wir halten in der „GEGENWART"
nun „UMSCHAU" nach der rechten Art,
wie „WIR UND HEUTE" wollen leben.
Fast „SIMPL" klingt's. Das ist's ja eben.

„DER RUF", der sich an alle wendet,
heißt: Ist „DTE WANDLUNG" schon voll-
endet?

Seid ihr schon „HEUTE" so gereift,

daß „WELT UND WORT" ihr neu begreift?

Hierfass' ich in ein „WESPENNEST".
Noch hält mein „TAGEBUCH" nicht fest,
daß jede „AUSSAAT" Früchte trug.
Noch gleicht ihr einem Narrenzug ;
scheint euch im „KARUSSELL" zu dreh'n,
ohn' „END' UND ANFANG" recht zu seh'n.

Die Welt auf der „TRIBÜNE" lactit,
wenn ihr noch lang' so weitermacht

und wie ein „PINGUIN" (im Kleid
dem Vogel ähnlich) — Fische seid...

Die „DEUTSCHE RUNDSCHAU" auf dem Berg
von Trümmern sagt euch: Frisch ans Werk!
Daß bald ein volles „MAGAZIN"
dem geistigen Bedürfnis dien'.

Noch ist der „AUFBAU" ungeleitet,
„DAS NEUE PODIUM" nichtrbereitet,

das uns die „WELTBÜHNE" ersetzt.---

Zur „AUSLESE" zählt der zuletzt,
der - ohne selbst zu rudern - rastet
und uns're „FÄHRE" nur belastet.

Und so, daß wir uns recht versteh'n,
sind „DEUTSCHE BEITRÄGE" zu seh'n:
Als Schlüssel für „DAS GOLDNE TOR"
zur Freiheit, die ein Volk verlor!

Heinz Hartwig

•4
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Flusslandschaft (Stempeldruck)"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Fuhr, Xaver
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 2, S. 14.
 
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