Warum ansteh'n, wenn „IHN" die Post ins Haus bringt!
M. Radler
Von der Kehre der Paßstraße aus bot sich den beiden
jungen Menschen noch einmal ein bezauberndes Bild: Im
hohen Licht des Wintermittags lagen der weite Talkessel
und das Dörfchen mittenirme in einem unwirklich
schwimmenden Blau. Der volle Glockenschlag löste den
Schnee auf dem spitzen Kirchturm und ließ ihn stäubend
auf den Kirchhof niedergleiten. „Es ist wie Frühling!"
sagte das Mädchen beglückt — „nicht als ob es auf die
Jahreswende zuginge." „Jahrhundertwende!" antwor-
tete der junge Mann bedeutsam. „Jahrhundertwende —
das klingt so gruslig. Kalt und dunkel. Es ist besser,
diese lichte warme Stunde zu genießen". „Aber es wird
unser Jahrhundert sein — eine große Zeit, voll Fort-
schritt!" „Wie verschieden wir sind!" sagte das Mädchen
lächelnd, „Du lebst nur im Morgen, siehst nicht das
Nächste —." „Weil wir das Übernächste zwingen müs-
sen." „Wenn es nach mir ginge, würden wir uns jetzt
unten im Dorf an die sonnige Gasthof mauer setzen, die
Augen schließen--." „Und?" „Und — gar nichts!
Nur dort daheim sein. Dem Augenblick Dauer geben!"
„Nein, Kind, nicht begraben sein da unten. Das sind
Phantasien, die zu nichts führen!" „Muß denn immer
alles zu etwas führen?" „Das neue Jahrhundert wird
das planende sein. Sein Schicksal liegt nicht in Träume-
reien und ländlichen Idyllen — es liegt allein in der
Großstadt." „Ganz allein?" „Ja." „Jetzt graut mir noch
mehr vor deinem Jahrhundert!" „Du wirst es mit mei-
nen Augen sehen, Liebste!--Aber wir müssen wei-
tergehen — die andern sind schon weit voraus." „Am
vorletzten Tag eines alten Jahrhunderts sollte man
eigentlich nichts mehr müssen. Da sollte alles heilige
Ruhe sein — wie dieser Frühlingswintertag!" „Von
einem ,Föhntag' sprechen die Bauern." „Horch!" Vom
steilen Kirchdach rutschte eine Schneelast ab. „Gehen
wir! — Nanu?" Der Mann stampfte ärgerlich auf. „Was
ist?" fragte das Mädchen. „Mein Absatz hat sich ge-
löst." „Dann kehren wir eben um." „Ich muß umkehren.
Du gehst weiter und wirst die andern einholen. Der
Schuster hat die Sache in fünf Minuten behoben, und in
einer Stunde treffen wir uns oben im Hospiz zum
Essen." „Schade, ich wäre eigentlich lieber mit umge-
kehrt" . .. „Wir haben es nun so geplant." „Und wenn
es anders kommt?" Der junge Mann wurde streng und
belehrend: „Es muß klappen! Wir dürfen nur keine
Zeit mehr verlieren —! Auf Wiedersehen!" Und mit
entschiedener Wendung ging er talab, dem Dorfe zu.
„Auf Wiedersehen! — Im neuen Jahrhundert..." Aber
der straff Ausschreitende schien den Scherz schon nicht
mehr zu hören und sah wohl auch nicht die anmutige
Bewegung, mit der das Mädchen ihm nachwinkte —
einen Augenblick lang zögernd, ob es ihm nicht doch
folgen sollte ...
Zusammenhänge
Was wär' die liebe Sonne ohne Strahlen ?
Was wäre die Statistik ohne Zahlen f
Was wäre ein Vergaser ohne Düse ?
Was wär' ein Treibhaus ohne Frühgemüse ?
Was wär' die ganze Schiffahrt ohne Knoten ?
Was wär' das Musizieren ohne Noten ?
Was wär' der Künstler ohne die Saloppheit ?
Was wär' der Bajuware ohne Grobheit ?
Was wär' ein Kinderhintern ohne Puder ?
Was ohne kleine Freuden unser Dasein, dieses Luder?
Ein rechter Schmarrn ! Weil es an Wahnwitz grenzte,
wenn man, was sich ergänzt, nicht auch ergänzte.
Erst durch ein Gschpusi wird man zum Verehrer.
Erst durch die Schüler wird der Lehrer Lehrer.
Erst durch Geschwätzigkeit entstehen Speeche.
Erst durch die Sachsen gibt es Friedrich Nietzsche.
Erst durch das Barometer gibt es Wetter.
Erst durch die Köpfe gibt's vorm Kopf die Bretter.
Erst durch Verbohrtheit wird man Troglodyte.
Und menschenähnlich wird der Mensch erst durch ein
bißchen Güte. ich
Das neue Jahrhundert kam. Es nahm zu an Jahren und
Jahrzehnten. Viele Winter gingen hin, mit dunkel-
blauen Föhntagen. Stürme fegten über die Paßstraße
herab, die über die Berge herüber dem Dorf und dem
Tal den Frühling brachten — Kriegsstürme auch, die
nur Leid brachten, Bitternis und Nacht. Und so stand
an einem Frühsommertag des Jahres 1945 ein junger
Mann an der Kehre der Paßstraße — im Alter jenem
gleich, der hier einmal ein Gespräch mit einem Mäd-
chen geführt hatte, ein nie vergessenes Gespräch. Mit
fast erloschenem Blick schaute der aus einem alpenlän-
dischen Gefangenenlager Entlassene auf die bunte
Schönheit der blühenden Wiesen im weit sich öffnenden
Tal. Leichter Mittagsrauch stieg senkrecht aus den
Schornsteinen des Dorfes... Einen feiertäglichen Frie-
den atmete das Bild, und es stimmte wohl dazu, daß
eben, trotz des Alltags, eine Glocke zu läuten begann
— gut und heimatlich. Aber der junge Mann hatte
keine Heimat mehr. Der Krieg hatte die Großstadt im
Norden völlig zerstört, hatte die Menschen genommen,
die ihm und denen er gehörte, hatte die Fabrik ver-
brannt, in der er einst arbeiten sollte — und mit dem
Werk alle seine Pläne, seine Zukunft.
Als der Mann in der abgetragenen Uniformjacke mit
müdem Schritt weiterging, sah er, wie über den Dorf-
friedhof zwei Männer einen Sarg trugen, der merkwür-
dig leicht sdiien. Das Trauergefolge war klein — ein
Geistlicher und ein alter Mann gingen hinter dem Sarg
der offenen Grube zu.
Im Gasthaus, in dem der entlassene Gefangene sein
Mittagessen einnahm, begann der Wirt sogleich eine
Geschichte zu erzählen, die er nur widerwillig zu hören
begann, da ein Ubermaß an eigenem Leid ihn gegen
fremdes Schicksal längst taub gemacht hatte. „Es war
seine Braut, die sie begraben haben!" „Wie? Der Mann
hinter dem Sarge...", der heimatlose Heimkehrer
horchte nun doch auf, „er ist doch ein Greis?" „Ja, im
Siebzigsten jetzt", sagte der Wirt und erzählte eine Ge-
schichte, die auch für einen, der diesen schauerlichen
Krieg hinter sich gebracht hatte, noch außergewöhnlich
genug war. Es war eine Geschichte, die im Jahre 1899
auf der Paßstraße oberhalb vom Dorfe begann und die
eben in dieser Stunde nach 46 Jahren endete. Dazwi-
schen lag ein Menschenleben, das sinnlos vertan wurde:
Ein Jüngling, ein Mann, ein Greis wartete auf die
Rückkehr eines anderen Menschen... Es war ein Mensch,
der sich einen Lebensplan gemacht hatte, in dem Vie in
einem Zahnradgetriebe Rad in Rad greifen sollte — ein
Rad war ausgebrochen, im dumpfen Poltern einer La-
wine, deren Dröhnen einem beim Dorfschuster Warten-
den zum Rollen des Schicksalswagens wurde — und auf
einmal stimmte die Lebensrechnung nicht mehr. Sie
mußte aber noch stimmen, hatte menschlicher Eigensinn
beschlossen. Das Mädchen mußte zurückkehren — so
oder so! — und dann wollte der Mann in die Stadt zu-
rückgehen und den aufgestellten Plan durchführen. Im
Dorf blieb er ein Fremder zeitlebens — denn es wurde
eine Lebenszeit daraus... „Jahre kamen, wo man jeden
Mann so blutnotwendig gebraucht hätte wie heute",
sagte der Wirt, „... er ging seinen Weg immer für sich
und nicht mit uns." Jahrzehnte vergingen, und der alte
Mann, der auf seine Braut wartete, galt den Sommer-
und Wintergästen als rührendes oder auch als kalt be-
spötteltes Original.. . „In der vorigen Woche", schloß
der Wirt seine Erzählung, „hat man gefunden, was von
dem Mädchen übrig war. Man hat abgestürztes Kriegs-
gerät auf dem unzugänglichen Grunde der Schlucht ge-
sucht, die damals, im alten Jahrhundert noch, die große
Lawine gefüllt hatte."
Längst hatte das Läuten auf dem kleinen Dorffriedhof
aufgehört, und der Gast hatte sein Essen schon zu sich
genommen, als der Wirt ihn ans Fenster rief: „Da!
Sehen Sie!" Ein alter Mann, mühsam euien schweren
Rucksack schleppend, ging tief gebeugt die Dorfstraße
entlang. „Den Rucksack hatte er immer gepackt — durch
mehr als 45 Jahre. Jetzt geht er in die Stadt zurück —"
„Und hier werden wieder Männer gebraucht?" fragte'
nach einer Pause der aus dem Lager Gekommene. „Wie's
tägliche Brot, Herr!" — Der junge Mann sah dem alten
nach, der eben quer über den Dorfplatz ging — er
suchte offenbar den kürzes'en Weg für seine Wande-
rung! — dann sagte er, in kurzem Besinnen das Nächste
erkennend: „Ich bleibe hier!" H. Härtung
»Der SIMPL« erscheint im Monat zweimal.
Bezugspreis im Vierteljahr RM. 6.— zuzüglich 24 Pfg. Zustellgebühr.
Einzelbestellungen nehmen die i-'ostanstalten entgegen.
Verlag: »Der SIMPL« (Freitag-Verlag), München 23, Werneckstr. 15a,
Fernruf 362072, Postscheckkonto: München 37023 - Verantwortlicher
Hauptschriftleiter: W. E. Freitag, Stellv.: J. Gutbrod — Sprech-
stunden: Dienstag und Donnerstag von 9 —12 Uhr — Druck:
Münchner Graph. Kunstanstalten (aus F. Bruckmann), München 2 —
Copyright by Freitag-Verlag 1946 — Published under Military
Government Information Control Licence No. US-E-148
M. Radler
Von der Kehre der Paßstraße aus bot sich den beiden
jungen Menschen noch einmal ein bezauberndes Bild: Im
hohen Licht des Wintermittags lagen der weite Talkessel
und das Dörfchen mittenirme in einem unwirklich
schwimmenden Blau. Der volle Glockenschlag löste den
Schnee auf dem spitzen Kirchturm und ließ ihn stäubend
auf den Kirchhof niedergleiten. „Es ist wie Frühling!"
sagte das Mädchen beglückt — „nicht als ob es auf die
Jahreswende zuginge." „Jahrhundertwende!" antwor-
tete der junge Mann bedeutsam. „Jahrhundertwende —
das klingt so gruslig. Kalt und dunkel. Es ist besser,
diese lichte warme Stunde zu genießen". „Aber es wird
unser Jahrhundert sein — eine große Zeit, voll Fort-
schritt!" „Wie verschieden wir sind!" sagte das Mädchen
lächelnd, „Du lebst nur im Morgen, siehst nicht das
Nächste —." „Weil wir das Übernächste zwingen müs-
sen." „Wenn es nach mir ginge, würden wir uns jetzt
unten im Dorf an die sonnige Gasthof mauer setzen, die
Augen schließen--." „Und?" „Und — gar nichts!
Nur dort daheim sein. Dem Augenblick Dauer geben!"
„Nein, Kind, nicht begraben sein da unten. Das sind
Phantasien, die zu nichts führen!" „Muß denn immer
alles zu etwas führen?" „Das neue Jahrhundert wird
das planende sein. Sein Schicksal liegt nicht in Träume-
reien und ländlichen Idyllen — es liegt allein in der
Großstadt." „Ganz allein?" „Ja." „Jetzt graut mir noch
mehr vor deinem Jahrhundert!" „Du wirst es mit mei-
nen Augen sehen, Liebste!--Aber wir müssen wei-
tergehen — die andern sind schon weit voraus." „Am
vorletzten Tag eines alten Jahrhunderts sollte man
eigentlich nichts mehr müssen. Da sollte alles heilige
Ruhe sein — wie dieser Frühlingswintertag!" „Von
einem ,Föhntag' sprechen die Bauern." „Horch!" Vom
steilen Kirchdach rutschte eine Schneelast ab. „Gehen
wir! — Nanu?" Der Mann stampfte ärgerlich auf. „Was
ist?" fragte das Mädchen. „Mein Absatz hat sich ge-
löst." „Dann kehren wir eben um." „Ich muß umkehren.
Du gehst weiter und wirst die andern einholen. Der
Schuster hat die Sache in fünf Minuten behoben, und in
einer Stunde treffen wir uns oben im Hospiz zum
Essen." „Schade, ich wäre eigentlich lieber mit umge-
kehrt" . .. „Wir haben es nun so geplant." „Und wenn
es anders kommt?" Der junge Mann wurde streng und
belehrend: „Es muß klappen! Wir dürfen nur keine
Zeit mehr verlieren —! Auf Wiedersehen!" Und mit
entschiedener Wendung ging er talab, dem Dorfe zu.
„Auf Wiedersehen! — Im neuen Jahrhundert..." Aber
der straff Ausschreitende schien den Scherz schon nicht
mehr zu hören und sah wohl auch nicht die anmutige
Bewegung, mit der das Mädchen ihm nachwinkte —
einen Augenblick lang zögernd, ob es ihm nicht doch
folgen sollte ...
Zusammenhänge
Was wär' die liebe Sonne ohne Strahlen ?
Was wäre die Statistik ohne Zahlen f
Was wäre ein Vergaser ohne Düse ?
Was wär' ein Treibhaus ohne Frühgemüse ?
Was wär' die ganze Schiffahrt ohne Knoten ?
Was wär' das Musizieren ohne Noten ?
Was wär' der Künstler ohne die Saloppheit ?
Was wär' der Bajuware ohne Grobheit ?
Was wär' ein Kinderhintern ohne Puder ?
Was ohne kleine Freuden unser Dasein, dieses Luder?
Ein rechter Schmarrn ! Weil es an Wahnwitz grenzte,
wenn man, was sich ergänzt, nicht auch ergänzte.
Erst durch ein Gschpusi wird man zum Verehrer.
Erst durch die Schüler wird der Lehrer Lehrer.
Erst durch Geschwätzigkeit entstehen Speeche.
Erst durch die Sachsen gibt es Friedrich Nietzsche.
Erst durch das Barometer gibt es Wetter.
Erst durch die Köpfe gibt's vorm Kopf die Bretter.
Erst durch Verbohrtheit wird man Troglodyte.
Und menschenähnlich wird der Mensch erst durch ein
bißchen Güte. ich
Das neue Jahrhundert kam. Es nahm zu an Jahren und
Jahrzehnten. Viele Winter gingen hin, mit dunkel-
blauen Föhntagen. Stürme fegten über die Paßstraße
herab, die über die Berge herüber dem Dorf und dem
Tal den Frühling brachten — Kriegsstürme auch, die
nur Leid brachten, Bitternis und Nacht. Und so stand
an einem Frühsommertag des Jahres 1945 ein junger
Mann an der Kehre der Paßstraße — im Alter jenem
gleich, der hier einmal ein Gespräch mit einem Mäd-
chen geführt hatte, ein nie vergessenes Gespräch. Mit
fast erloschenem Blick schaute der aus einem alpenlän-
dischen Gefangenenlager Entlassene auf die bunte
Schönheit der blühenden Wiesen im weit sich öffnenden
Tal. Leichter Mittagsrauch stieg senkrecht aus den
Schornsteinen des Dorfes... Einen feiertäglichen Frie-
den atmete das Bild, und es stimmte wohl dazu, daß
eben, trotz des Alltags, eine Glocke zu läuten begann
— gut und heimatlich. Aber der junge Mann hatte
keine Heimat mehr. Der Krieg hatte die Großstadt im
Norden völlig zerstört, hatte die Menschen genommen,
die ihm und denen er gehörte, hatte die Fabrik ver-
brannt, in der er einst arbeiten sollte — und mit dem
Werk alle seine Pläne, seine Zukunft.
Als der Mann in der abgetragenen Uniformjacke mit
müdem Schritt weiterging, sah er, wie über den Dorf-
friedhof zwei Männer einen Sarg trugen, der merkwür-
dig leicht sdiien. Das Trauergefolge war klein — ein
Geistlicher und ein alter Mann gingen hinter dem Sarg
der offenen Grube zu.
Im Gasthaus, in dem der entlassene Gefangene sein
Mittagessen einnahm, begann der Wirt sogleich eine
Geschichte zu erzählen, die er nur widerwillig zu hören
begann, da ein Ubermaß an eigenem Leid ihn gegen
fremdes Schicksal längst taub gemacht hatte. „Es war
seine Braut, die sie begraben haben!" „Wie? Der Mann
hinter dem Sarge...", der heimatlose Heimkehrer
horchte nun doch auf, „er ist doch ein Greis?" „Ja, im
Siebzigsten jetzt", sagte der Wirt und erzählte eine Ge-
schichte, die auch für einen, der diesen schauerlichen
Krieg hinter sich gebracht hatte, noch außergewöhnlich
genug war. Es war eine Geschichte, die im Jahre 1899
auf der Paßstraße oberhalb vom Dorfe begann und die
eben in dieser Stunde nach 46 Jahren endete. Dazwi-
schen lag ein Menschenleben, das sinnlos vertan wurde:
Ein Jüngling, ein Mann, ein Greis wartete auf die
Rückkehr eines anderen Menschen... Es war ein Mensch,
der sich einen Lebensplan gemacht hatte, in dem Vie in
einem Zahnradgetriebe Rad in Rad greifen sollte — ein
Rad war ausgebrochen, im dumpfen Poltern einer La-
wine, deren Dröhnen einem beim Dorfschuster Warten-
den zum Rollen des Schicksalswagens wurde — und auf
einmal stimmte die Lebensrechnung nicht mehr. Sie
mußte aber noch stimmen, hatte menschlicher Eigensinn
beschlossen. Das Mädchen mußte zurückkehren — so
oder so! — und dann wollte der Mann in die Stadt zu-
rückgehen und den aufgestellten Plan durchführen. Im
Dorf blieb er ein Fremder zeitlebens — denn es wurde
eine Lebenszeit daraus... „Jahre kamen, wo man jeden
Mann so blutnotwendig gebraucht hätte wie heute",
sagte der Wirt, „... er ging seinen Weg immer für sich
und nicht mit uns." Jahrzehnte vergingen, und der alte
Mann, der auf seine Braut wartete, galt den Sommer-
und Wintergästen als rührendes oder auch als kalt be-
spötteltes Original.. . „In der vorigen Woche", schloß
der Wirt seine Erzählung, „hat man gefunden, was von
dem Mädchen übrig war. Man hat abgestürztes Kriegs-
gerät auf dem unzugänglichen Grunde der Schlucht ge-
sucht, die damals, im alten Jahrhundert noch, die große
Lawine gefüllt hatte."
Längst hatte das Läuten auf dem kleinen Dorffriedhof
aufgehört, und der Gast hatte sein Essen schon zu sich
genommen, als der Wirt ihn ans Fenster rief: „Da!
Sehen Sie!" Ein alter Mann, mühsam euien schweren
Rucksack schleppend, ging tief gebeugt die Dorfstraße
entlang. „Den Rucksack hatte er immer gepackt — durch
mehr als 45 Jahre. Jetzt geht er in die Stadt zurück —"
„Und hier werden wieder Männer gebraucht?" fragte'
nach einer Pause der aus dem Lager Gekommene. „Wie's
tägliche Brot, Herr!" — Der junge Mann sah dem alten
nach, der eben quer über den Dorfplatz ging — er
suchte offenbar den kürzes'en Weg für seine Wande-
rung! — dann sagte er, in kurzem Besinnen das Nächste
erkennend: „Ich bleibe hier!" H. Härtung
»Der SIMPL« erscheint im Monat zweimal.
Bezugspreis im Vierteljahr RM. 6.— zuzüglich 24 Pfg. Zustellgebühr.
Einzelbestellungen nehmen die i-'ostanstalten entgegen.
Verlag: »Der SIMPL« (Freitag-Verlag), München 23, Werneckstr. 15a,
Fernruf 362072, Postscheckkonto: München 37023 - Verantwortlicher
Hauptschriftleiter: W. E. Freitag, Stellv.: J. Gutbrod — Sprech-
stunden: Dienstag und Donnerstag von 9 —12 Uhr — Druck:
Münchner Graph. Kunstanstalten (aus F. Bruckmann), München 2 —
Copyright by Freitag-Verlag 1946 — Published under Military
Government Information Control Licence No. US-E-148
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Warum ansteh'n, wenn 'ihn' die Post ins Haus bringt!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 2, S. 22.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg