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DEM FRÜHLING ENTGEGEN

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E. Kößlinger

DER WILLE DES VOLKES

oder DAS MAGERE UND DAS FETTE SCHWEIN

Im Gerichtsgebäude und davor drängte sich Bauer an

Bauer. Alle aus der gleichen Gemeinde: aus Zamlata.

Eine Deputation. Sie sind ganz leise, ihr Sprechen gleicht

mehr einem Flüstern. Sicher wollen sie etwas erbitten.

Darum sind sie auch so ruhig.

Da ertönt die Stimme des Schreibers:

„Aus Zamlata, alle herein!"

„Los, Leute, gehen wir! Daß wir auch das zu Ende brin-
gen. Tja."

„Ich sage Euch, Leute, ein mageres Schwein frißt mehr
als ein fettes!" läßt sich ein hagerer Bauer auf dem
Gang vernehmen.

„Und um wieviel mehr!" bekräftigen die anderen.
Sie traten in das Zimmer des Gerichtspräsidenten und
stellten sich auf. Sie hatten nicht einmal alle Platz drin-
nen und reichten wie ein Schwanz in des Schreibers Zim-
mer hinein.

„Ich kann mir schon denken, warum Ihr gekommen
seid", begann der Präsident. „Diesen Taugenichts, Euren
Bürgermeister, habe ich verhaften lassen. Mir sind seine
Diebereien schon über den Kopf gewachsen. Ich weiß, es
ist schwer für eine Gemeinde ohne Bürgermeister zu
sein, aber habt nur ein wenig Geduld. Ich werde Euch
bald einen neuen schicken, der es besser verstehen wird,
mit Eurem Eigentum und Eurem sauer ersparten Vermö-
gen umzugehen. Man muß der Korruption auf den Kopf
treten, wie einer Schlange. Sie muß mitsamt ihren Wur-
zeln ausgerissen werden, daß sie nie wieder emporwach-
sen kann. Verlaßt Euch nur auf mich. Ich werde schon
Ordnung machen. Ihr seid ehrliche, fleißige Menschen
und verdient auch einen ehrlichen Bürgermeister!"
Der Präsident blickte auf die Abordnung, um die Wir-
kung seiner Worte zu sehen. Er erkannte aber aus ihren
Gesichtern, daß er nicht ihr volles Einverständnis hatte
und daß die Bauern noch etwas in ihren Köpfen wälzten.
„Ist es so, Milan?" fragte er den stattlichsten Bauern,
der von oben herab auf ihn sah, wie ein Lehrer auf die
Schüler.

„So ist es, so, wie Ihr sagt. Und wir, wir meinen, daß
noch alles zum guten Ende kommen wird."
„In einigen Tagen werde ich ihn dem Gericht übergeben.
Er soll am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, das
Volk zu betrügen."

Niemand sagte darauf etwas. Schweigen.
„Vielleicht habt Ihr schon einen von Euren Leuten, den
Ihr als Bürgermeister sehen möchtet? Sagt's nur."
Die Deputation schwieg.

„Warum schweigt Ihr? Redet, daß wir es nicht in die
Länge ziehen!"

„Sprich du, Vater Jarko!" drängte jemand einen kräf-
tigen Alten.

„Tja, dann will ich wohl reden", ermutigte sich der
Alte. „Wir sind gekommen, so,.. . nun, wir sind zu dir
gekommen, um dir zu sagen, daß du uns unseren Un-
glücksraben läßt. Er ist schon so lange mit uns. Er ge-
hört irgendwie zu uns, wenn er auch manchmal etwas
tut, was nicht sein dürfte.

„Was?" wunderte sich der Präsident. „Ihr wollt doch
nicht etwa, daß ich ihn aus dem Gefängnis freigebe und
Euch als Bürgermeister belasse?"

„Nun ja, das wollen wir. Darum bitten wir dich", riefen
alle fast einstimmig.

„Ja, um Gotteswillen, Leute, habt Ihr denn schon seine
Fälschungen der Viehpässe vergessen?"
„Das ist lange her."

„Und dann, wie er das arme Volk drangsaliert hat?"

„Wir haben auch das vergessen."

„Und dann jenes gefälschte Testament?"

„Er hat es ausgeglichen."

„Und jene 10 ooo aus der Schulkasse?"

„Er hat sie zurückgegeben."

„Und trotz all dem wollt Ihr, daß er Euch auch weiter
bestehle und betrüge? Um des Himmels willen, was ist

mit Euch, Leute? Das geht nicht in meinen Kopf hinein!"
Und der Präsident schnippte'mit den Fingern an seinen
Kopf.

„Er hat gesündigt, nun, er wird sich bessern. Wir alle
versündigen uns."

„Warum verteidigst du ihn, Milan, ist er dir nicht ge-
nug im Gnack gesessen wegen jener Wiese?"
„Ja, stimmt, ja. Alles ist so, wie Ihr sagt. Wirklich, er
ist mir auf dem Gnack gesessen. Aber doch .. ." Milan
kratzte sich am Kopf, „wir haben da in unseren Köp-
fen herausgefunden, daß es besser wäre, wenn er bliebe."
„Ich bin aber wirklidi neugierig, wie du das meinst, daß
es besser wäre."

„Nun, so, Herr. Wenn wir zwei Schweine auf die Weide
lassen, ein fettes, angefressenes und ein mageres, ausge-
hungertes, dann wird das magere dreimal so viel fres-
sen wie das fette."

„Jetzt verstehe ich schon gar nichts mehr", beklagte sich
der Präsident.

„Wieso verstehst du nicht? Wir denken so: soll nur
unser alter Bürgermeister bleiben. Wie er auch ist, so ist
er. Der Alte hat sich schon so ziemlich satt gemacht, sich
mit allem versorgt. Wenn er auch noch etwas nimmt, es
wird nur wenig sein. Kommt aber ein anderer, ein
neuer, so wird er über uns herfallen wie eine Heu-
schrecke über das Blatt. Wer wird ihn erhalten können!
Nicht einmal die Staatskasse könnte das aushalten ..."
„So ist es!" bekräftigte die Deputation.
„Ist das wirklich so?" verwunderte sich der Präsident.
„Wir bitten dich, wie man den Herrgott bittet."
„Nun dann, Glück mit Euch, Leute, nehmt ihn und führt
ihn nach Haus. Wenn er Euch recht ist, soll er auch mir
recht sein.

„Recht habt Ihr. Wir danken Euch auch. Ihr habt uns
sehr verpflichtet", bedankten sich die aus Zamlata und
nahmen ihren Bürgermeister mit.

Ante Kovadevid — Deutsch von D. M. Neudorf

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Dem Frühling entgegen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kößlinger, Ernst
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 5, S. 54.
 
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