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DER NEUE POLIZIST

Nyary

„Ich fürcht' mich vor keinem Schutzmann. Der Mann ist doch zu meiner Sicherheit da!"
„Ja, das weißt Du und das weiß ich! Aber ob der Mann das auch weiß?!"

PARTEIEN VON EINST, HEUT' UND SPÄTER

AUS BALTHASAR RIBISLS STAMMTISCHREDEN

Der Anzeigenwerber Bradl, der Sekretär Schöl-
lerer und: der Lehrer Schneeberger blicken erwar-
tungsvoll auf Balthasar Ribisl, der soeben einen
tiefen Zug aus dem Maßkrug getan sich darob
in leisem Grauen geschüttelt hat und nunmehr be-
sinnlich den Dünnbierschaum vom Munde wischt.
„Ja," sagt Balthasar Ribisl endlich und läßt in
trüblichem Nachdenken den grauen Schnurrbart
zittern, ,,mit die Bardeien is akkiat wia~ mit die
Weiber: hast amal zu oana ,ja' g sagt, nacha
bringst es nimmer los. Und meistens fällst 'nei
damit. Wo war i außerbardeilich scho' überall
Mitglied: im .Verein zur raschen Niederwerfung
Englands', im .Bund der Inflationsgeschädigten,
im ,Verein zur Aufwertung der braunen Tausen-
der' — alles umasunst. England is net nieder-
g'worfen und die braunen Tausender san net aut-
g wert word'n. Im .Bund der Katzenfreunde' war
i, bis der Völkische Beobachter g schrieb n hat:
,Nun ist auch die Katzenbewägung gleichgeschal-
tet worden', und bei de Bienenzüchter bin i blieb n
bis s' mit ,Süß Heil' und erhobener Hand grüßt
hab'n. Und dabei hab' i noch des Glück g'habt
mit meine Vereiner, daß sie heut' keine Belastung
nicht sind!

Mei Schwager, der Hingerl, dageg'n, der war int
Zimmerstutzenschützenverein und is mit dem Bund
in einen NS-Kleinkaliber-Verband überführt
word'n — und scho is er heut' vom Militarismus
g'streift. Des is aber noch gar nix gegen des
Unglück, des mein' Onkel Edi troffen hat: der
Onkel Edi, der alte Däpp, hat immer so gern die
nackert'n Negerweiber ang'schaut, die wo in der
.Kolonialzeitung' drin war'n und is doch wirkli'
wega dera Zeitung Mitglied vom .Kolonialbund'
und vom .Verein fürs Deutschtum im Ausland'
wor'n. O mei', dees belastetl Im G'schäft — und
erst in da Famülie! Die Tant' Kreszenz, dünn und
zaach, halt ihm die mollert'n Schwarz'n net bloß
ei'mal vor — naa, früah, mittags und abends
kriagt ers hing'rieb'n. Für seine Ausschweifungen
muß ein jeder zahl'n, sagts, und gegen seine
Triebe muß der Mensch ankämpfen, nücht den-
sälben zu jeder Stunde nachgeb'n, sagts, und
seine sündhaften Freud'n soü'n ihm nur teuer zu
steh'n kommen, sagts — und von dem, daß nur

sein Forschungstrieb an allem schuld war, will's
durchaus gai nix hörn. Da möcht ein jeder
forsch n, sagts, wenn eine nix anhat als wie
ein Nasenring oder ein' Porz lanteller um an Hals
oder vorn a Bastschürzerl und hint uma gar nix

— in ein Arbeitslager, sagts, g hört er, da könnt
er nacha forsch'n. Oiso den Mensch'n g'freuts
Leb n jiimmer! Dafür is aber der Mann von
meiner Nichte, der Wolf Dieler, unbelastet, net
wahr. Dreimal hat er s versucht, daß er in d'
Bardei nei'kommt und dreimal hab'nsn net
g nommen, weil er frühers amal auf zwei Wechsel
net sein' eig'na Nama, sondern den von sein m
Vater g'schrieb'n hat und is derwischt word'n.
Segt's, damals war dees belastend — und heit is
dees sei' Glück. So wechselt 's halt von Zeit zu Zeit.
Und ich sag nur dees: solang der Hitler da war,
hat s zwei Bardeien geb n: die Nazi — und die
Nichtnazi. Und gleich hat ma' sich kennt und
nach'n Bardeiabzeich'n is ma da gar net gangen

— da hats mit und ohne Wapperl soiche und
soiche geb'n. Jetzt aber gibts fünf Bardeien —
und gar keine Nazi nimmer. Oiso frag i' mi:
Wo sind ietz die alle hinkommen? Wo s bei uns
noch net amal Hausvertrauensleute und Block-
warte und eine richtige alleinige Einheitsbardei

ABWEHR

VON OSKAR MARIA GRAF

Sie sagen, was ich jemals gemacht,
sei vergeblich.

Und sie meinen, was ich einsam gedacht,
sei unerheblich,

denn in dieser Untergangs-Nacht

sei das beste schädlich,

und selbst des Menschen innere Fracht

sei wertlos und nicht mehr redlich.

Ich kann nicht leben mit diesem Verdacht
und will lieber sterben dabeil
Denn besser ein Narr und Jahrzehnte verlacht,
als zu glauben, daß es wirklich so seil

gibt? Alle könnens doch net im Schwarzhandel oder
mit Bomb'nschmeiß'n beschäftigt sein? Oder. .. ?
Vielleicht Warten s, vielleicht stell n sie sich auch
um. Nachdem so viel Unrichtige dauernd erwischt
und abg'schoss'n werd'n, werd'n sich die Rich-
tig'n scho' noch a Zeitlang halt'n können. Viel-
leicht rutschen's mit der Zeit auch durch. —
Viel kommt aber auch von dem, daß die Bardeien
keine klaren Ziele nicht haben. Es müßte einmal
eine Bardei gegründet werd n, die nicht bloß so
allgemeine Ziele hat wie .Aufbau' oder .Christ-
licher Sozialismus' oder .Soziale Planung' oder
sowas. Nein, eine Fahne g'hört her, auf der ein-
fach die Dävise steht: ,Wir sind für Vollbier und
G räuchertes!' Das war' eine Bardei! Da würd'n
viele dazugehn, brave aufrechte Menschen. Und
die Breiß n dät n plärrn, daß die Bayern wieder
keinen Idealismus nicht hab n und bartikularisti-
sche Ziele verfolgen. Aber das G'räucherte, wenn
mir erseht hätt'n, des dät ns dann scho fress'n
woll n und grad aufbass n müßt ma, daß sie nicht
die Führung unserner Vollbierbardei an sich
reißet'n, wie sie's gern mach'n.
Unserne Bardei hätte friedliche Ziele, denn Voll-
bier und G'räucherts hat ewige Gültigkeit und in
einer solchenen Bardei" — Balthasar Ribisls grauer
Schnurrbart senkt sich zitternd noch tiefer —
„in einer solchernen Bardei dürften s' den Frak-
tionszwang einführen. Da tat kein Abgeordneter
fehl'n und keiner dagegenstimmen und keiner tät
im Barlament laute Privatgesprächer führ'n, und
wenn die Herren von der WAV, die wo die All-
macht der Presse brech'n woll'n, sich wieder
recht stürmisch benehmaten und mit Zuschlag'n
drohat'n, könnt' ma' ihnen gleich mit an ab-
g'fieselt'n Schinkenknoch'n an Schädel hau'n. Naa
naa, Herrschaftsseit'n — waar dees a Bardei —
aber moanst, es kaam oana auf die Idee und
gründet amal so was Vernünftig's?"
Sanfter Friede senkt sich auf den Stammtisch.
Hingerissen träumen alle dieser rosigen Partei-
fahne nach, und die Gemüsepflanze), mit denen
sie sich die knurrenden Mägen zu füllen suchen,
umweht ein ganz ganz leiser, man möchte sagen
surrealistischer Hauch von künftigem Schinken-
speck. Vim

G6
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der neue Polizist"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nyary, Josef
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 6, S. 66.
 
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