Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik (2.1947)

TOUT VA POUR LE MIEUX DANS LE MEILLEUR DES MONDES POSSIBLES

(Alles geht zum besten in der besten aller denkbaren Welten) Candide

M,. Rartier

ERKLÄRUNG

Ich, Joh. Chriysostomus Wolfgang Theophilus, ge-
nannt Wolf gang Amadeus Mozart, braucht eigent-
lich in Anbetracht* dessen, daß ich Oesterreicher
bin, heute nicht mehr eine Menge Schwänz machen.
Ich sags ganz frei, daß mein Ädvokatus und ich
uns unterredet haben und übereingekommen sind,
die uncommode Aenaire gleich an die UN weiter
zu leiten. Die ganze Gschicht, wie man heute uns
Oesterreicher suspiziert teutsch gewesen zu sein,
hat mir einen schlechten Praegusto von der Demo-
kratie gegeben. Ich bin noch ganz voll der Galle!
Zudem ist es bodenlos gemein, einen Musikus
politisch zu untermengsein und wenn schon da-
von die Red ist, soll man mich eher als Verfolg-
ten aestimieren, denn schließlich bin ich in den
entscheidenden Jahren durch den wagnerschen
Ricardo fast gänzlich aus dem teutschen Pro-
grammo herausgedrängt worden. Endlich macht
ein Nazi-Dalk, der njich Maestro nennt Und meine
Opera feiert, aus mir noch keinen zweiten; und
zum Beschluß: Welcher Componist braucht keinen
Applauso? Cosi fan tutte.

Ihr gehorsamster und untertänigster

Wolfgang Amade Mozart

Nach einer Meldung der Wochenpost hat die
Tschechoslovakei Mozart auf die schwarze Liste gesetzt

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich, Ludwig van Beethoven, Tondichter aus
Bonn am Rhein, bestätige hiermit nachträglich
aus den Elysäischen Gefilden, daß ich nie Mit-
glied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen
war, oder als Militarist im Sinne des Gesetzes
zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Mili-
tarismus gelte. Sämtlichen Fragebogen prüfenden
Stellen habe ich ■ wiederholt schon erklärt daß
meine Neunte mit" dem Hymnus „Freude schöner
Götterfunken" keine Verherrlichung von „Kraft
durch Freude" bedeutet und dieselben öfters auch
auf meine erste KZ-Oper „Fidelio" hingewiesen.
Sollte ich nicht bald in den Besitz meiner weißen
Karte gelangen, so sehe ich mich gezwungen, so
weit nach Innen zu emigrieren, daß ich nur noch
zu einem letzten Teil sichtbar bin. Dessen ver-
sichert Sie

Ihr

L. van Beethoven

VERSICHERUNG

Nach derselben Meldung ist auch Beethoven
vom gleichen Schicksal betroffen worden

Den allerhochwürdigsten Herren Würdenträgern
und Exzellenzen, die geruht haben, meinen Can-
dide zu streichen, versichere ich, Francois, Marie,
Arouet de Voltaire, Geschichtsschreiber, Phi-
losoph,. Kritiker, Gelehrter, Dichter, Dramatiker,
Romanschriftsteller und bisher Freund aller freien
Geister, daß ich meine führende Rolle in der so-
genannten Aufklärung in gewissem Sinne nur ge-
spielt habe, um zu verhindern, daß ein verzerren-
derer oder verkomplizierenderer Mann von Geist
sie übernommen hätte und bitte zu bedenken, daß
sich in einem solchen Falle manche modernen
Jesuiten vielleicht noch mehr Zähne an ihr aus-
gebissen hätten, als es ohnedies schon leider ge-
schah. Auch erlaube ich mir untertänigst auf
meine katholische Erziehung und auf mein katho-
lisches Ende hinzuweisen und darf mit gutem Fug
und Recht annehmen, daß diesem Umstand in den
künftigen Lehrplänen der vielen Konfessions-
schulen in den heute demokratischen Ländern, in
denen früher die Schwarzen geherrscht haben«
(Voltaire meint hier natürlich die faschistischen
Schwarzhemden, d. Red.), ausgiebig Rechnung ge-
tragen wird, wodurch ich mich endlich als „fal-
scher" Freigeist sowieso für erledigt halte. Wäre
dem schon immer Rechnung getragen worden, so
hätte man gewiß heute in Bayern schon viele
romwärts führende Straßen nach mir benannt.

Voltaire

Die Zeit: Gegen die Verfilmung von Voltaires „Candide", die der
französische Regisseur Marcel Canne in Rom geplant hatte, hat sich
der Vatikan gewandt, da Voltaires Werke auf dem Index stehen

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