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DIE SCHERENSCHLEIFER-MORITAT

War mal ein Mann mit Namen Johann Krause,
Der erbte drei Millionen Mark in bar
Und blieb nun keinen Abend mehr zu Hause
Wie einst als städtischer Aushilfs-Aktuar.

Er zog dazu sich einen reinen Kragen,
Glacehandschuh, sogar ein Vorhemd an.
Kurz, was so Millionäre eben tragen,
Mit einem Wort: er war nun Lebemann!

Denn wo er saß, da floß der Sekt in Strömen,
Desgleichen auch der teure Caviar.
Das sah einmal ein schlechter Mensch aus Böhmen,
Der Atheist -und Scherenschleifer war.

Der hat mit seinem Scherenschleiferwagen
'ner armen Schneiderin, die Meier heißt.
Die einzige Schere treulos unterschlagen.
Was seine Schlechtigkeit wohl schon beweist.

Der saß am Nebentisch als Krause zahlte,
Und sah die drei Millionen voller Neid
Und hielt die Schere, die rostfrei verstählte,
Im Busen längst für solchen Fall bereit.

Die Nacht war lind, die kleinen Sternlein funkeln,
Und Krause sang im milden Mondenschein,
Da holt ein Mann ihn plötzlich aus dem Dunkeln
Mit einer frisch geschliffenen Schere ein.

Der sprach: „Herr Krause, wenn Sie mir gestatten:
Ich habe nichts und Sie sind Millionär,
Drum geben Sie die Scheine, die Sie hatten,
Mir mal ein bißchen ohne Quittung her!"

Wie fing da Johann Krause an zu schreien,
Er hat sogar mit Polizei gedroht.
Das konnte ihm sein Mörder nie verzeihen
Und stach ihn mit der spitzen Schere tot!









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H. Huth

GEHOBENE NACHKRIEGSLYRIK

Das Geld das war noch nicht aus Krauses Taschen,
Schon hat die beiden ein Gendarm umringt,
Der freut sich, einen Mörder mal zu haschen,
Weshalb er ihn dem Herrn Gerichtshof bringt.

Er hat sich einen Advokat genommen.
Die Henkersmahlzeit war ein ,Boeuf ä la mode'.
Der Herr Gendarm hat hundert Mark bekommen
Für seinen Diensteifer bei Krauses Tod.

Die Schere . ward vom Staate eingezogen,
Die Schneiderin verkauft ihr Bügelbrett
Und folgt, um ihre Existenz betrogen,
Zum Trost dem Herrn Gendarm ins Ehebett.

O Publikum, o zieh' daraus die Lehre,
Daß Geld allein nicht immer glücklich macht,-
Doch wenn Gott will, bringt die gestohlene Schere
Der Jungfrau noch die schönste Hochzeitsnacht!

E. Klotz

BLUT IM OHR

Herr Böcklein setzte sich auf die Bank vor der
Taxushecke und dachte über die unsicheren Zeit-
läufte nach. Da hörte er von jenseits der Hecke
eine kalte Stimme:

„So kommen Sie mir also, Sie Schieber! Na, dann
werde ich Ihnen einen kleinen Tritt gegen das
Schienbein versetzen."

„Au verdammt", hörte Böcklein eine zweite, un-
sympathische Stimme, „das hätte ins Auge gehen
können. Es tut mir leid, aber Jetzt muß ich, jetzt
werde ich — jetzt — —"

Diese zwischen den Zähnen hervorgestoßenen
Worte gingen in ein bösartiges Murmeln über.
Böcklein lauschte erstaunt, leicht beunruhigt.
Jetzt wieder die erste Stimme, hämisch: „Haben
Sie sich gedacht! Mir den Unterleib aufreißen —
wie? Nein, Herr, bei mir nicht. Machen Sie,
daß Sie wegkommen, sonst gibt's ein Gemetzel."

Lähmende Stille, in der man die Stecknadel nur
deswegen nicht fallen hörte, weil keine fiel. Böck-
lein wollte sich sacht erheben, da" rissen ihn ein
klatschender Schlag und die brutale Stimme Num-
mer zwei auf die Bank zurück.
„Verdalnmtes Aas, hab ich dich endlich? So, jind
jetzt werden Sie etwas erleben. Die Invasion be-
ginnt. Haben Sie zur Nacht, gebetet, Mona Lisa?
Sie werden gleich um Gnade winseln."
„Zur Nacht gebetet, zur Nacht —■ Nacht gebetet
— gebetet — wie macht das kleine Tuberkelchen?
Echi! Echi! Ach, Sie glauben, Sie können mir —
können mir — können mir — kleinen Augenblick
bitte, noch ein ganz, ganz kleines Augenblickchen
bitte, die Atombombe wird gerade geputzt. Bitte
sehr, sprach der Igel, sträubte das Gefieder und
schwamm davon. Siehst du, da steht so ein klei-
ner Läufer, ein Mitläufer, ein ganz kleines Mit-
läuferchen und möchte dir — aber er kann nicht,
ich — was sehe ich da? Ein Bein wollen Sie
mir stellen? Und so raffiniert von hinten? Gut,
daß ich das weiß. Wie heißt es bei Schiller?
Haust du meine Tante, hau ich deine Tante. So,
und jetzt können Sie das Lied an den Abendslern
singen."

„Werde ich, werde ich, aber vorher werde ich
Ihre Tante umlegen. Die steht mir schon lange
im Wege."

„Können Sie machen. Aber jetzt werde ich Ihnen

zeigen, warum ich mich hier in der Ecke in den
Hinterhalt gelegt habe. Merken Sie was? Wird
Ihnen kalt? Die Hosen runter, jetzt wird Kasse
gemacht. Fünf Minuten haben Sie noch, dann
sind Sie tot, wie noch nie in Ihrem Leben."
„Meinen Sie? Das wird die Sektion der Leiche
ergeben. Vorläufig wollen wir erst mal jemanden
ins Internierungslager schicken. Dann können Sie
nachdenken, wie Sie mich in fünf Minuten um-
legen."

„So, das war Ihr letzter Streich. Jetzt kenne ich

keine Schonung mehr. Weg damit--so, schön,

und damit weg — — verläuft programmgemäß,
die Aktion gegen die Bombenwerfer, und jetzt
einen Sprung von der Seite her — er ging an
meiner Seite, die Trommel rief zur Wahlversamm-
lung, von hinten durch die Brust ins Auge und
— der große Augenblick ist da: Schmach dem
Tyrannen! — — —"
„Nochmal Schmach!"

„Und nochmal Schmach, und damit ist die Oma
auch schon mit der Sense rasiert. Matt durch
Springer, Turm und Bauer. .Höchste Zeit. Die
Mücken spielen Schwarzer Markt mit uns. Morgen
können Sie Revanche haben.- Hier, bitte, zünden
Sie sich eine an, solange der Vorrat reich!."
Böcklein lächelte versonnen. Er war doch recht
froh. Von Alfred P. Hoia

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gehobene Nachkriegslyrik"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Huth, Helmuth
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 9, S. 107.
 
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