G. Schtimpf: STAFFEL SEE
OSKAR MARIA GRAF:
DAS MINSVK 1tST A \ I>EX K ZITAT
Im altbayerischen Gau Irschenhausen-Pointing-
Duschenberg, einem wunderschönen, weitläufigen
Landstrich mit vielen Dörfern, da gibt's einen
Mann, den kennt jedes Kind, den mag jeder
Mensch aufrichtig gern: Es ist dies der alte, eis-
graue, aber noch kreuzrüstige Bezirksarzt Ober-
medizinalrat Dr. Joseph Farnbichler von Irschen-
hausen. Daß er als Forscher und Arzt eine Kapa-
zität ist, weiß man ja auch so halbwegs, aber das
interessiert nicht so sehr. Eines muß aber gesagt
werden: Sogar der mißtrauischeste Bauer hat zu
ihm als Arzt Vertrauen. Erstens nämlich hat er
wirklich schon vielen Leuten geholfen und zwei-
tens ist er — wie man bei uns in Bezug auf Be-
zahlung sagt — „kein Uebernehmer".
Seine erstaunliche Beliebtheit aber verdankt der
Medizinalrat seiner echt bayerischen Gemütlich-
keit und Derbheit.
Jeder Mensch hat aber auch so seine Schrullen.
Der FarnbicMer zum Beispiel gefällt sich darin,
statt des beliebten Ausspruchs aus dem „Götz
von Berlichingen" — der doch, weiß Gott, bei
uns in Bayern zum alltäglichen Sprachgebrauch
gehört — stets folgende etwas humoristisch preu-
ßische Formulierung anzuwenden: „Du kannst
mich am Abend besuchen!"
Der Farnbichler" hat neulich den Rautendorfer von
Pointing auskuriert. Grundschlecht ist der Bauer
beieinander gewesen. Wassersucht. So gefährlich
hat es ausgeschaut, daß die Rautendorferin schon
den hochwürdigen Herrn Pfarrer Tgeholt hat und
der schwerkranke TSauer hat die Sterbesakramente
empfangen.
Aber er ist doch wieder gesund geworden, der
Rautendorfer. An die zehnmal ist der Medizinalrat
Farnbichler bei ihm gewesen, alsdann hat er ge-
sagt: „So, Rautendorfer, jetzt komm' i nimmer ...
Jetzt ist's nimmer notwendig."
Der Bauer ist noch im Bett gelegen und hat ihn
zweifelnd angeschaut.
„Na, na, es ist nimmer notwendig, Rauten-
dorfer ... In einer Woch'n kannst aufsteh'n. Das
garantier' ich", hat der Farnbichler noch einmal
gesagt und dem ungläubigen Bauern bloß noch
angewiesen, er soll die Medizin genau und fleißig
einnehmen.
„No, wanns d' halt meinst, Rautendorfer . . .
Wanns d' meinst, du brauchst mich' nochmal,
nachher kannst ja 'nüberschick'n zu mir in einer
Woch", hat er zum Abschied versprochen und ist
gegangen.
Und richtig — nach einer Woche ist der Rauten-
dorfer aufgestanden. Freilich, die ersten Tag war
er noch matt, aber er hat es selbst gespürt, daß
der Farnbichler wieder einmal recht gehabt hat.
„Herrgott',', sagt er, der Rautendorfer, „Herrgott,
der Farnbichler is a Teuf'Iskerl!" Und gelacht und
gefreut hat er sich. Am selbigen Tag hat der
Toni, der zweite Knecht, nach Irschenhausen hin-
M. Radlet: NACHT EULE
überfahren müssen. Der Toni ist einer — wie
man bei uns sagt — „wo man die anderen fangt
damit", also ein Halbdamischer.
Zu ihm hat der Rautendorfer gesagt, er soll hin-
aufgeh'n zum Medizinalrat Farnbichler und ihm
einen schönen Gruß ausrichten und sagen, ganz
gesund ist der Bauer, wieder.
„Ja, ja", hat der Toni gesagt und ist weggefahren.
In Irschenhausen hat er beim „Unterbräu" ein-
gekehrt, hat etliche Spezln getroffen und erst wie
es geschlagene Nacht gewesen ist, schreckt er
auf und rennt zum Farnbichler hinauf. Er läutet
und läutet, endlich kommt, grantig und verschla-
fen, der Medizinalrat an der offenen Tür zum
Vorschein.
Eh er was sagen konnte, hat der Toni heraus-
gestammelt: „An schönen Gruaß vom Rauten-
dorfer-Bauern soll ich ausrichten, Herr Doktor ...
Der Bauer is wieder ganz g'sund." Der Farn-
bichler ist hundsmiserabel zornig geworden und
hat ihn angeschrien:, „So! Und da kommst jetzt
daher, Depp, damischer!" . . . Sagst zum Rauten-
dorfer, er kann mich am Abend besuchen!" Sagt's
und schlägt krachend die Tür zu.
Etliche Minuten ist der Toni ganz dumm stehen
geblieben, schließlich hat er sich sinnend davon-
gemacht. Langsam ist er zum „Unterbräu" gegan-
gen und — weil seine Spezln auch nicht mehr
dagewesen sind — stockdumm hingehockt. Ewig
ist ihm was im Kopf herumgegangen. Hin und her
hat er gedacht. Endlich ist er wiederum zum
Medizinalrat "hinaufgegangen, hat geläutet, geläu-
tet und wie auf einmal der Farnbichler polternd
und schimpfend vor die Tür kommt, da hat der
Toni — ganz verdattert, weil der Medizinalrat so
geschimpft hat — gefragt: „Jaja, Jaja, Herr Hof-
rat, entschuldig'n S' ... Aber i hob bloß frag'n
woll'n, ob der Baur heunt noch auf Bsuch 'rüber-
komma soll? . . . Ob's heunt noch sei muaß?"
Und da hat der Farnbichler natürlicherweise den
Ausspruch aus dem „Götz" auf „echt" getan, da-
mit kein Mißverständnis mehr vorkommen konnte.
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OSKAR MARIA GRAF:
DAS MINSVK 1tST A \ I>EX K ZITAT
Im altbayerischen Gau Irschenhausen-Pointing-
Duschenberg, einem wunderschönen, weitläufigen
Landstrich mit vielen Dörfern, da gibt's einen
Mann, den kennt jedes Kind, den mag jeder
Mensch aufrichtig gern: Es ist dies der alte, eis-
graue, aber noch kreuzrüstige Bezirksarzt Ober-
medizinalrat Dr. Joseph Farnbichler von Irschen-
hausen. Daß er als Forscher und Arzt eine Kapa-
zität ist, weiß man ja auch so halbwegs, aber das
interessiert nicht so sehr. Eines muß aber gesagt
werden: Sogar der mißtrauischeste Bauer hat zu
ihm als Arzt Vertrauen. Erstens nämlich hat er
wirklich schon vielen Leuten geholfen und zwei-
tens ist er — wie man bei uns in Bezug auf Be-
zahlung sagt — „kein Uebernehmer".
Seine erstaunliche Beliebtheit aber verdankt der
Medizinalrat seiner echt bayerischen Gemütlich-
keit und Derbheit.
Jeder Mensch hat aber auch so seine Schrullen.
Der FarnbicMer zum Beispiel gefällt sich darin,
statt des beliebten Ausspruchs aus dem „Götz
von Berlichingen" — der doch, weiß Gott, bei
uns in Bayern zum alltäglichen Sprachgebrauch
gehört — stets folgende etwas humoristisch preu-
ßische Formulierung anzuwenden: „Du kannst
mich am Abend besuchen!"
Der Farnbichler" hat neulich den Rautendorfer von
Pointing auskuriert. Grundschlecht ist der Bauer
beieinander gewesen. Wassersucht. So gefährlich
hat es ausgeschaut, daß die Rautendorferin schon
den hochwürdigen Herrn Pfarrer Tgeholt hat und
der schwerkranke TSauer hat die Sterbesakramente
empfangen.
Aber er ist doch wieder gesund geworden, der
Rautendorfer. An die zehnmal ist der Medizinalrat
Farnbichler bei ihm gewesen, alsdann hat er ge-
sagt: „So, Rautendorfer, jetzt komm' i nimmer ...
Jetzt ist's nimmer notwendig."
Der Bauer ist noch im Bett gelegen und hat ihn
zweifelnd angeschaut.
„Na, na, es ist nimmer notwendig, Rauten-
dorfer ... In einer Woch'n kannst aufsteh'n. Das
garantier' ich", hat der Farnbichler noch einmal
gesagt und dem ungläubigen Bauern bloß noch
angewiesen, er soll die Medizin genau und fleißig
einnehmen.
„No, wanns d' halt meinst, Rautendorfer . . .
Wanns d' meinst, du brauchst mich' nochmal,
nachher kannst ja 'nüberschick'n zu mir in einer
Woch", hat er zum Abschied versprochen und ist
gegangen.
Und richtig — nach einer Woche ist der Rauten-
dorfer aufgestanden. Freilich, die ersten Tag war
er noch matt, aber er hat es selbst gespürt, daß
der Farnbichler wieder einmal recht gehabt hat.
„Herrgott',', sagt er, der Rautendorfer, „Herrgott,
der Farnbichler is a Teuf'Iskerl!" Und gelacht und
gefreut hat er sich. Am selbigen Tag hat der
Toni, der zweite Knecht, nach Irschenhausen hin-
M. Radlet: NACHT EULE
überfahren müssen. Der Toni ist einer — wie
man bei uns sagt — „wo man die anderen fangt
damit", also ein Halbdamischer.
Zu ihm hat der Rautendorfer gesagt, er soll hin-
aufgeh'n zum Medizinalrat Farnbichler und ihm
einen schönen Gruß ausrichten und sagen, ganz
gesund ist der Bauer, wieder.
„Ja, ja", hat der Toni gesagt und ist weggefahren.
In Irschenhausen hat er beim „Unterbräu" ein-
gekehrt, hat etliche Spezln getroffen und erst wie
es geschlagene Nacht gewesen ist, schreckt er
auf und rennt zum Farnbichler hinauf. Er läutet
und läutet, endlich kommt, grantig und verschla-
fen, der Medizinalrat an der offenen Tür zum
Vorschein.
Eh er was sagen konnte, hat der Toni heraus-
gestammelt: „An schönen Gruaß vom Rauten-
dorfer-Bauern soll ich ausrichten, Herr Doktor ...
Der Bauer is wieder ganz g'sund." Der Farn-
bichler ist hundsmiserabel zornig geworden und
hat ihn angeschrien:, „So! Und da kommst jetzt
daher, Depp, damischer!" . . . Sagst zum Rauten-
dorfer, er kann mich am Abend besuchen!" Sagt's
und schlägt krachend die Tür zu.
Etliche Minuten ist der Toni ganz dumm stehen
geblieben, schließlich hat er sich sinnend davon-
gemacht. Langsam ist er zum „Unterbräu" gegan-
gen und — weil seine Spezln auch nicht mehr
dagewesen sind — stockdumm hingehockt. Ewig
ist ihm was im Kopf herumgegangen. Hin und her
hat er gedacht. Endlich ist er wiederum zum
Medizinalrat "hinaufgegangen, hat geläutet, geläu-
tet und wie auf einmal der Farnbichler polternd
und schimpfend vor die Tür kommt, da hat der
Toni — ganz verdattert, weil der Medizinalrat so
geschimpft hat — gefragt: „Jaja, Jaja, Herr Hof-
rat, entschuldig'n S' ... Aber i hob bloß frag'n
woll'n, ob der Baur heunt noch auf Bsuch 'rüber-
komma soll? . . . Ob's heunt noch sei muaß?"
Und da hat der Farnbichler natürlicherweise den
Ausspruch aus dem „Götz" auf „echt" getan, da-
mit kein Mißverständnis mehr vorkommen konnte.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Der Staffelsee"
"Nachteule"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)