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„HITLER IN UNS"

PLANEN ODER BAUEN?

Du wirst nun, lieber Leser, denken: Sehr richtig,
man sollte endlich bauen, statt nur immer zu
planen. „Der Reden sind genug gewechselt, nun
laßt uns endlich Taten seh'n!" So ungefähr. Ich
muß dich leider enttäuschen, ich meine nämlich
gerade das Gegenteil. Bauen können wir nicht,
noch nicht, oder wenigstens kaum. Bauen können
nur die BMW-Betriebe — wie der Volksmund so
sinnig sagt —, d. h. die Bäcker, die Metzger, die
Wirte. Bitte keinen Neid! Das sind die lebens-
notwendigen Einrichtungen, das versteht sich.
Nein, ich meine die großen Bauaufgaben der
Zukunft. Die können wir vorläufig nur im Kopf
und auf dem Papier lösen. Aber diese Planungen
sollten wir wirklich im Kopf und auf dem Papier
fertig haben, ehe wir zu bauen beginnen können.
Wir könnten zeigen, wie wir es machen würden,
wenn wir könnten. Davon nun, von diesen Plänen,
sieht meines Erachtens die Oeffentlichkeit viel zu
wenig. Vielleicht liegen sie in den Schubladen
bereit. Unsere Architekten — wie viele sind es
in München allein, tausend oder mehr? — müs-
sen ja doch irgend etwas tun, und soviel Papier
ist ja auf hinterhältige Weise immer noch zu
bekommen, und Bleistifte auch. Vielleicht, ja
wahrscheinlich sogar, schlummern irgendwo die
Bauvisionen, die einst in utopischen Zeiten Wirk-
lichkeit werden sollen.

Aber man sieht nichts davon! Wenn wir schon
eine Demokratie haben wollen oder sollen, so
möchte doch auch die Allgemeinheit von solchen
Dingen etwas erfahren. So zeige man doch ein-
mal, was man vorhat, und zwar an zugänglichem
Ort! Nicht irgendwo in einem Privathaus, wo nur
die Fachleute hinkommen. Oder scheut man das
Tageslicht! Das Urteil der Oeffentlichkeit?
Wenn es in den nächsten Jahrhunderten noch
Kulturvölker geben sollte — diese Möglichkeit
dürfen wir noch nicht ganz ausschalten —, so
haben wir heute die einzigartige Chance, uns
dieser verehrlichen Nachwelt gegenüber ent-
weder dementsprechend zu blamieren oder uns
als ein Geschlecht zu zeigen, das trotz äußerer
Hemmnisse noch wußte, was es wollte. Und auch
wir, die es vielleicht nicht mehr erleben, wie sich
unsere Städte aus dem Schutt erheben, möchten
uns doch gerne wsnigstens eine Vorstellung vom
Künftigen machen können.

Was in der Realität bisher bemerkbar wird —
es kann sich nur' um spärliche Ansätze han-
deln —, das ist alles andere als erbaulich. Und
gerade deshalb hat die Oeffentlichkeit ein Recht,
schon vorher, also von den Planungen mehr zu
erfahren. Vor allem muß einmal auf freiem Fo-
rum diskutiert werden, w i e gebaut werden soll.
Solange sich die verantwortlichen Stellen dar-
über nicht klar sind — der Außenstehende ge-
winnt nicht den Eindruck, daß sie es wären —,

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solange ist freilich nicht das mindeste Gute zu
erwarten.

Die Sorge um die Rettung der „Ehrentempel" —
oder soll es eine Ehrenrettung der nazistischen
Tempelbauerei sein? — wird nachgerade lächer-
lich, wenn nicht schmählich. Haben wir wirklich
keine anderen Ideen? Sind die fragmentarischen
Betonklötze wirklich sö viel wert und ist uns die
Austilgung einer üblen Erinnerung nicht so viel
wert, daß man es sich noch lange überlegt, hier
endlich tabula rasa zu machen. Was sollen uns
die zwei Würfel noch! „Die Würfel sind gefal-
len", das sollte uns genügen und eine Genug-
tuung sein. Hätte nicht ein vorsorglicher" leichter
Druck von oben die Sprengung ausgelöst, durch
welche der Oberbau in die Luft flog, so stünden
sie noch heute in alter Herrlichkeit da. Wollen
wir sie nun wieder zusammenflicken?
Warum eilt das so, daß man gleichsam über
Nacht hier zu bauen beginnt? Ich muß sagen:
ich gehe sehr oft über den demolierten Königs-
platz, aber es gibt andere Ruinen, deren An-
blick mich mehr stört. Wenn aber schon ge-
baut werden soll und gerade hier gebaut werden
soll, dann möchten wir schon um einen anderen
„Stil" als den hier hinlänglich bekannten bitten!
Und um die Schaffung einer völlig neuen
Situation!

Alle „Stile", die es gegeben hat und die uns von
der Kunstgeschichte getreulich aufgezeigt wer-
den, scheinen wie schon einmal vor 100 Jahren
auch für das „kommende Bauen" ihre Auswart-
schaft angemeldet zu haben. Ehrwürdige Herren
in langen Bärten oder wallenden Perücken, in
ernster Tracht oder in prächtigen Roben, in glatt-
faltiger Tunika oder in schillerndem Seiden-
gewand. Ganz hinten in der Ecke steht zwar

M. Radler: ANGSTTRAUM DES STROMABNEHMERS

Preisgekrönte Arbeit eines Münchner Jungjournalisten:
»KR KBSTKSCHKEK

Es hat geschneit! Mit Windeseile perbreitete sich die
Kunde unter der Bevölkerung und schlug groß und
klein in ihren Bann. Tüchtig, wie in alten Zeiten, schüt-
telte Frau Holle ihre Betten aus und in wenigen Stunden
war alles in die gewohnte, althergebrachte Sülze ver-
wandelt.

Der erste Schneefall war in München A.D. 1158 zu
verzeichnen. Vor diesem Zeitpunkt war die- Naturer-
scheinung in unserer Stadt unbekannt, da dieselbe noch
nicht gegründet worden war. Seither jedoch ist der
Münchner mit der ihm eigenen Bodenständigkeit der
ehrwürdigen Ueberlieferung treu geblieben und so hat
es — von ganz geringen Ausnahmen abgesehen — je-
des Jahr in München wenigstens einige Male geschneit.
Als 1254 die innere Stadt mit Ringmauer, Wällen und
Gräben umgeben wurde und 4 Tore (Isar-, Sendlinger-,
Karls- und Schwabingertor) die Verbindung mit den
Vorstädten vermittelten, waren bereits im darauffolgen-
den Winter die Zinnen und oberen Mauerteile dieser
Bauwerke, wie auch die Dächer der Häuser im Weich-
bilde, völlig mit Schnee bedeckt, — ein schönes Bei-
spiel von der Tatkraft und Privatinitiative der einge-
sessenen Bürger, an das wir uns gerade heute wieder
besonders erinnern sollten!

Durch Wilhelm V. (1579—96) wurden die Jesuiten nach
München berufen und ihnen ein großes Kollegium und
eine prächtige Kirche (die spätere Michaelshofkirche) er-
baut. Unter Karl Theodor (1778—99) erweiterte sich die
Stadt, welche damals 55 000 Einwohner zählte, nach
allen Seiten hin, so daß die Menge des Schnees, die
auf München fiel, stetig zunahm.

Als im Jahre 1854 in München eine große Kunst- und
Industrieausstellung stattfand, und im Jahre 1876 eine
deutsche Kunstausstellung, hingen im darauffolgenden
Januar an den Ausstellungsgebäuden Eiszapfen — ein
Vorgang, der sich letztes Jahr am Haus der Kunst, dem
Sitz der Bayerischen Ejcportschau, wiederholte.
So fügt sich Neues an Altes und neuer Schnee liegt auf
den Ruinen.

Wenn es schneit, ist auch die Zeit nicht mehr fern, wo
Knecht Ruprecht (nicht zu verwechseln mit Se. kgL
Hoheit, dem derzeitigen Prinzen Rupptecht! Anm. d. Red.)
seinen Einzug ins Land hält.

Garmisch, das ohne seinen traditionellen Schnee heute
nicht mehr denkbar ist, wird auch in den kommenden
Monaten wieder viele Amerikaner in den Bereich seines
Zaubers ziehen. Wie es mit der Demontage werden soll
und was uns die Londoner Konferenz bringen wird —
das, allerdings, ist eine andere Trage . . . V/alter F. Kloeck

noch ein Bewerber, aber seine Kleidung ist wenn
auch sauber, so doch unscheinbar, fast ärmlich.
Soll er es überhaupt wagen, hier mitzukonkurrie-
ren? Er ist ja nur ein gewöhnlicher „Zeit-
genosse". Hat nicht das mindeste Bewährungs-
zeugnis vorzuweisen. Wurde er nicht schon ein-
mal — es war vielleicht sogar am selben Schal-
ter, jedenfalls sah der Herr Beamte ganz ähnlich
aus —, wurde er nicht schon einmal abgewiesen?
Soll er sich beschimpfen lassen? Tauglich zum
Hilfsarbeiter, aber zu weiter nichts. Es hat kei-
nen Sinn, hier länger anzustehen.
Aber wir möchten einmal gerade die Zeich-
nungen dieses letzten der Bewerber ansehen,
auch wenn sie auf schlechtes Papier gemacht
sind. Und wenn dann jemand fragt: Wie soll nun
eigentlich gebaut werden, so können wir viel-
leicht mit dem Finger daraufzeigen: So und nicht
anders! — Und wenn noch andere Tempel in die
Luft gesprengt werden müßten (natürlich nur
bildlich gemeint)!

Vor längerer Zeit hatte man einmal einige Hoff-
nung, daß es etwas werden würde. Vorhölzer
sprach zum Thema und dann stattete Gropius
unserer Stadt einen Besuch ab und sprach eben-
falls zum Thema. Man wagte einfach nicht, zu
denken, daß es da schief gehen könne. Und nun
steht man vor der Pappfassade am Königsplatz ...
Vor wenigen Tagen fragt mich einer meiner Be-
kannten: „Sag mal, gibt es denn überhaupt einen
.modernen' Baustil?" Ich war so erstaunt, daß
ich eine Zeitlang schwieg, dann sagte ich: „Wohl
nicht. Aber nahe meiner Ruinenwohnung war
früher einmal ein ,Postamt', saubere und prak-
tische Räume, viel Glas, hell und nichts Ueber-
flüssiges. Man fühlte sich hier als .Zeitgenosse'.
Aber das alles steht nicht mehr. Und in Stutt-
gart, erinnere ich mich, ähnliches gesehen zu
haben, ein Warenhaus, Cafe-Terrassen. Aber auch
das ist wohl zerstört!"

„Ah, du meinst diese sogenannte Sachlichkeit?"

„Ich glaube, so nannte man es."

„Schön, das ist aber doch kein Stil!"

„Ja eben." F. Burkhardt
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Hitler in uns" "Angsttraum des Stromabnehmers"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nyary, Josef
Radler, Max
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 23, S. 286.

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Erschließung

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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