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I. REZEPT FÜR TROCKENKÄSE
Man nehme ein Pfund Trockenkäse, ein Päckchen Vanilleersatz, einen Viertelliter Mager-
milch, zwei Blättchen Sacharin, mische das Ganze und arbeite den Teig gut durch. Hier-
auf bestäubt man das Nudelbrett mit etwas Mehl, walkt den Teig zu einem fingerdicken
Blatt aus, sticht runde Förmchen aus, macht zwei Löcher in die Mitte, legt die Förmchen
auf ein gutgewachstes Blech und bäckt sie bei gelinder Hitze eine halbe Stunde. Nach
dem Auskühlen näht man sie an Mäntel und Kleider. Diese Knöpfe sind sehr haltbar,
hitze- und säurebeständig.

II. REZEPT APPRETUR FÜR REGENMÄNTEL
Den Trockenkäse mit viel Wasser und einer Zehe Knoblauch aufkochen. Das zu appretie-
rende Stück über Nacht in der Brühe lassen. Nach dem Trocknen leicht überbügeln.

III. REZEPT FÜR LEIM
Man kann sehr haltbaren Leim daraus machen. Kittet, klebt, leimt alles. Holz, Papier,
Glas, Porzellan, Leder und Metalle.

IV. REZEPT GEGEN FROSTBEULEN
Trockenkäse mit Kunsthonigersatz und etwas Magermilch zu einem steifen Brei kochen,
auf Beule streichen, Strumpf darüber und acht Tage anbehalten. Warten bis Beule abfällt.

HEIMKEHRER

Es säuselt aus dem Radio, der Blätterwald
rauscht, auf den Kanzeln fleht man inniglich,
Minister fordern, Parteiführer bitten, kurzum,
man treibt einen erheblichen Stimmaufwand, um
die Befreiung der Kriegsgefangenen zu beschleu-
nigen. Kommt aber das freigelassene Menschen-
wrack in die heimatlichen Gefilde, bietet fehl
ausgeklügelte Bürokratie ein umständliches Will-
kommen. Hier die Odyssee eines ausgebombten
Schwabinger Heimkehrers.

Um neun Uhr morgens Start mit Wasser in den
Gelenken, Holzpantinen und östlichem Gala-
anzug zur Markenstelle Sparkassenstraße. Nach
Erhalt der Normalverbraucherkarte und Fünfzig-
Mark-Anweisung der Münchner Nothilfe zur
zehn Minuten entfernten Kasse Reisingerstraße-
Anschließende Tippelei zum Ernährungsamt, Ab-
teilung Krankenfürsorge, Beethovenstraße. Dort
Besorgung der ärztlichen Heimkehrerzulage-
bewilligung. Damit zurück zur Markenstelle
Sparkassenstraße. Hier erst Aushändigung der
Krankenzulagemarken. Dies war die Wanderung
Schwabing—Zentrum—Schlachthofviertel und zu-
rück wohl wert.

Am nächsten Tage Anmeldung im Polizeirevier.
Endgültige Ausfüllung der drei Kennkarten so-
wie zweier Anmeldeformulare erfolgte erst nach

einer Woche, da der Heimkehrer sechsmal beim
Wohnungsamt um eine Behausung vorsprechen
mußte. Durch Zwangseinweisung erhielt er ein
Zimmer ohne Bett. Dafür wurden je fünf Mark
für Zimmerzuweisung und Rückkehrbewilligung
entrichtet. Einem Münchner Bürger, der durch
Gestellungsbefehl seine Vaterstadt verlassen
mußte, kostet also das Wiederbetreten des Hei-
matbodens amtliche Gebühren. Bei Nichtbefol-
gung drohte damals Füsilierung.
Zur Feststellung des Versehrtengrades war drei-
maliger Besuch in der Schwabing so nahe ge-
legenen Lazarettstraße nötig. Erster Tag: An-
meldung. Zweiter Tag: Untersuchung. Dritter
Tag: Aushändigung der Bescheinigung über sieb-
zigprozentige Erwerbsminderung. Gelegentlich
ein Marsch zum Arbeitsamt und Ortskranken-
kasse. Dort Abgabe der Rentenantragsformulare.
Schwabing-Lehel-Schlachthofviertel der nächste
Weg. Zur Abwechslung auch dreimal ins Zen-
trum. Im Polizeigebäude, Zimmer 103, Meldung
wegen der amerikanischen Entlassungspapiere.
Erster Tag: Abgabe eines Formulares. Zweiter
Tag: Ausfüllung von vier Formblättern. Dritter
Tag: Aushändigung des ersehnten Scheines.
Anmeldung bei der zuständigen Verteilungsstelle.
Dazwischen diverse Bittgänge zu verschiedenen

karitativen Verbänden in drei Stadtteilen. Hero-
ischer Nahkampf um die Bezugsscheine. Prak-
tische Antragstellung für Geschirr im Hochhaus,
für Möbel in der Theresienstraße und für Be-
kleidung in der Türkenstraße. Nicht zu verges-
sen wiederholte Visiten beim Wohlfahrtsamt. Der
ehemalige Landser macht seinem neuen Taug-
lTchkeitsgrad d.u. alle Ehre. Er ist wirklich auf
Wochen dauernd unterwegs.

Wie großartig konnten aber die Behörden bei der
Musterung organisieren. Einträchtig saßen die
Herren vom WBK, Arbeitsamt und Polizei an
einem Tische. G.-Buch, Stammrolle und Wehr-
paß wurden in Windeseile angelegt. Wie rührend
die Besorgnis um den splitternackt dastehenden
kerngesunden Mann. Neugierig beäugte man die
geheimste Körperfalte. Kinderkrankheiten, sogar
die Todesursache der verstorbenen Großmutter,
erregten höchstes Interesse.

Nun, heute ist dieser Mann ein hilfloses Wrack.
Wer hat da noch große Lust, eine alles in einem
erledigende Betreutenstelle für Heimkehrer zu
errichten? Freiwillige Christlichsoziale vor!

Adalbert Zech

Sil MFL-MtUMEFliASTEl*

Ein mitfühlendes Herz. Sehr wahr — auch wir waren
zutiefst gerührt über die zu Herzen gehenden Worte
des Bedauerns, die Dr. Aloys Schlögl als Sprecher des
Bauernverbandes am Rundfunk für die städtischen
Normalverbraucher wegen der Zuteilung so kleiner
Kartoffeln fand! Bat er doch geradezu um Verzeihung
für die winzigen Knöllchen, die er, wie er sagte, den
Städtern nie zugemutet hätte zu essen, da sie für den
menschlichen Verzehr geradezu ungeeignet seien.
Aber was kann er machen, wenn stärkere Kräfte un-
einsichtig auf der Ablieferung einer bestimmten Kar-
toffelmenge bestehen? Sicher wäre es auch Ihnen,
wie uns allen, lieber gewesen, nur einen halben Zent-
ner Einkellerungskartoffeln zu bekommen, und dafür
die ungeeigneten kleinen Kartöffelchen dem notlei-
denden Kleinvieh auf den Dörfern zu überlassen.
Aber wann werden wir — oder Dr. Schlögl — je ge-
fragt?

Was versteht man unter Berufsbenzin? Berufsbenzin
ist Jenes seitens einzelner Berufsorganisationen in
kleinsten Mengen zugeteilte Benzin, das Aerzte zur
Wundreinigung, Maler zum Pinselwaschen, Laboran-
ten zur Herstellung von Fleckenwasser, Schmutz-
arbeiter zur Sauberhaltung der Arbeitskleidung usw.
bekommen und das sämtliche Berufsgruppen-Angehö-
rigen zur Füllung ihr' r Feuerzeuge benützen.
Kältesorgen. Sie können doch gegen die naturgegebene
Farbe der Kohlen nicht ankämpfen: Es wird Ihnen
einfach nichts anderes übrigbleiben, als schwarze
Kohle zu kaufen!

Häßlicher Neid! ja, mar. versteht wirklich nicht,
warum die Menschen heute einander so wenig gön-
nen. Schließlich hat doch Jeder selber genug! Aber
vielleicht sollten Sie beim Essen in der Eisenbahn dar-
auf achten, die Oelsardinen möglichst so in der dick-
gestrichenen Butter zu befestigen, daß sie nicht vom
Brot herunterrutschen und das dünne Mäntelchen der
Nachbarin beschmutzen. Dies nämlich könnte Unmut
erwecken. Was die Leute aber sonst an Ihrem Appe-
tit und den Ihnen zustehenden Weißbrotwecken, But-
terballen, Fleischbüchsen und Käsedosen auszusetzen
haben, ist unerklärlich. Es wird sich halt um von
Natur aus blasse Neider handeln, um recht blasse.
Warum so scharfe Töne? Aber liebe Hausfrau, bei der
heutigen Ernährung dürfen Sie einem Ernährungs-
minister nicht übelnehmen, wenn er schnell übel-
nimmt und statt Erklärungen auf sachliche Fragen
per Radio geich gereizte Antworten gibt. Er ist eben
nervös, da er nicht alle Mißstände, sondern nur die
meisten mit der Dürre des heurigen Sommers er-
klären kann. Das Vieh hat diese Dürre ja sogar schon
im vorigen Sommer gespürt und damals schon vor-
sorglich begonnen, weniger Milch zu geben.
Ist das Leben nur traurig? Ja, in Hollywood wird
gern und viel geweint. Aber trösten Sie sich: auch die
meisten deutschen Filme, die man sieht, sind zum
Heulen. Hoffen wir, daß bald die österreichische
Filmproduktion, die unermüdlich an Grinzing und
dem Wiener Walzer festhält, zeitgemäßen Optimismus
in unser Kulturleben bringt.

Verwahrloste Schulen Nein, die Schulen können nicht
saubergehalten werden, da weder Arbeitskräfte noch
Scheuerlappen vorhanden sind. Streunende Mädchen
lassen sich aber nicht in Arbeitskräfte und Lumpen
nicht in Putzlumpen verwandeln. Da die Scheuer-
lappen nicht bewirtschaftet sind, werden sie seitens
der mit reichen Rohstoffmengen bedachten Hersteller-
firmen zweckmäßigerweise zum größten Teil verkom-
pensiert.

Ländliche Vorratsioirtschaft. Doch, Sie handeln sehr
klug, wenn Sie sich und Ihre Familie für etwa
30 Jahre mit Möbeln, Hausrat, Wäsche, Kleidung,
Leder und Dauerwaren aller Art Vorsorgen. Man weiß
ja wirklich nicht, wie lange die Misere noch dauern
soll. Es ist Ihnen schwer zu raten, was Sie sich noch
anschaffen könnten: als geeignet erscheinen uns noch
Gebisse in verschiedenen Ausführungen, da Sie bei
der von Ihnen vorgesehenen Konserven- und Mehl-
speisennahrung mit einem gewissen Zahnschwund
werden rechnen müssen.

Wie entkomme ich unerkannt? Wozu diese Sorgen?
Wenn Sie nach neun Uhr Abends einen nicht über
mittelgroßen Spaziergänger treffen, so genügt es
doch, ihn möglichst lautlos niederzuschlagen und ihn
in aller Ruhe auszuziehen. Polizeiliche Störung ist
um diese Zeit nicht mehr zu befürchten. Von Schuß-
waffen ist abzuraten, da deren Knall immerhin Ohren-
zeugen schafft. Zu Augenzeugen werden diese aber
niemals, da der Lärm eines Schusses im Gegenteil ein
Signal ist, sich der Kampfstelle fernzuhalten.
Was können wir dafür? Fragen Sie nicht so dumm:
Sie sind zumindest kollektivschuldig! Wenn die
Bauern zu wenig Fett abliefern, so daß die Normal-
verbrauchersätze immer geringer werden, so werden
die Normalverbraucher bestraft durch Sperrung der
Fettimporte. Es ist dies nur die zeitgemäße Abwand-
lung des bekannten Grundsatzes: Ganz recht gschieht s
mein'm Vater, wenn's mich in d'Finger friert, warum
kauft er mir keine Handschuh!

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aus dem Kochbuch unserer Zeit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 24, S. 294.

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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