Erlauschtes im Sitzungssaal des Amtsgerichts Nürnberg
. . . Und so hat meine Frau sozusagen unter den Augen des Gerichts ihr dunkles
Geschlechtsverkehrswerk mit dem Zeugen Meier fortgesetzt.
(Aussage eines betrogenen Ehemannes.)
... Ich lasse mich vom Arbeitsamt nicht als arbeitsscheu hinstellen, wo ich doch
dem Staat zwei Kinder und drei Abgänge geschenkt habe.
1 (Verteidigung einer Arbeitsverweigerln.)
. . . Das waren keine unzüchtigen Handlungen, die wir mit unseren Negerbimbos im
Bett getrieben haben, das waren nur harmlose Gesellschaftsspiele.
(Gemeinsame Erklärung dreier wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung
angeklagter Damen.)
... Ich habe mit der Ingrid von der 4. Klasse und der Roswitha von der 5. Klasse
im Luitpoldhain „Amiles" gespielt. Meine Freundinnen waren die „Fräuleins" und
haben sich unter eine Decke gelegt. Ich war der „Ami" und habe mich zu ihnen
auch unter die Decke gelegt. Da ist der Angeklagte auf einmal gekommen und hat
auch den „Ami" spielen wollen, so ein Schwein!
(Zeugenaussagen der 9jährigen Sigrid in einem Verfahren wegen Unzucht mit
Kindern.)
.. . Die Angeklagten deshalb als Diebe zu bezeichnen, weil sie aus den Kesselwagen
amerikanisches Benzin abgelassen haben, finde ich unerhört. Leute, die so etwas tun,
sind keine Diebe. Leute, die so etwas tun, sind Schatzgräber des 20. Jahrhunderts.
(Plädoyer eines Verteidigers.)
.. . Was geht mich die bayerische Verfassung an. Ich bin kein Staatsbürger. Ich bin
Ermittler bei der Spruchkammer.
(Verteidigungsrede eines wegen Meineidsverleitung, fahrlässigen Falscheids,
Verletzung des Briefgeheimnisses, Amtsanmaßung und Nötigung angeklagten
Spruchkammerermittlers.)
...Herr Amtsrichter! Wenn ich Ihren Schwollkopf ansehe, dann merke ich auch,
daß Sie auf Marken leben.
(Schlußwort eines zu l Vi Jahren Zuchthaus verurteilten Schwarzschlächters.)
.. . Die Schokolade hat meine Mutti nicht schwarzgehandelt, die habe ich von meinem
Onkel Neger geschenkt bekommen. (Zeugenaussage der 6jährigen Helga.)
Kuwi
DIE WILDEN
Jetzt kennt man sich wirklich nicht mehr aus. Seit 1945 erklären deutsche Gewerk-
schaftsführer, mit Streiks bezwecke man nichts. Die internationalen Kollegen waren
zwar seit je anderer Ansicht, aber in Deutschland brät man immer schon Extra-
Würste. Hier glaubt die hohe Gewerkschaftsbürokratie in Interzonenausschüssen,
Parlamenten und Wirtschaftsrat mit zeitraubenden Palavern das zu erreichen, was,
o Wunder, einigen wilden Streikern in wenigen Stunden gelang, den Brotkorb nicht
mehr höher zu hängen. Diese Wilden hätten aber viel lieber gestreikt, wenn sie
seitens der Herren Hagen und Reuter die gewerkschaftliche Sanktion empfangen
hätten. Der Streik richtete sich nämlich nicht gegen die Besatzungsbehörde — dies
sei zur Beruhigung der beiden Herren mitgeteilt, sondern gegen die ungerechte Um-
stufung und Verteilung der Lebcnsmittelzulagen seitens des Frankfurter Wirtscharts-
rats. Hier gehen die Interessen sogar mit der Militärregierung konform. Aber wer
selbst wie Herr Reuter — im Wirtschaftsrat — oder Herr Hagen im Landtag sitzt,
kann nicht mit Streiks dagegen angehen. Adalbert Zech
H. R. Göppev: STUDIE
WENN ES DEN DEUTSCHEN ZU GUT GEHT..
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, fühlen sie sich stark und
wollen Bäume ausreißen;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, nennen sie sich Brüder und
rufen gemeinsam „Hosianna";
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, kennen sie nur sich, sonst
nichts auf der Welt;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, erwacht in den ausgewander-
ten Deutschen das Heimatgefühl,
sie erinnern sich an ihr Mutter-
haus und kehren zurück;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, sie eine gewisse hohe Stufe
der Kunst und Wissenschaft, der
öffentlichen Anerkennung erreicht
haben, schließen sie sich herme-
tisch ab von der Welt, beuten
ihren Erfolg aus und begnügen
sich im übrigen damit, dort stehen-
zubleiben und unaufhörlich immer
wieder dasselbe zu schaffen;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, werden die gefallenen Söhne
geehrt;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, schreien sie nach waffenklir-
renden Verbündeten;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, haben sie das Bedürfnis, sich
kommandieren zu lassen, sie brau-
chen jemand, der die Last der
eigenen Verantwortung von ihren
Schultern nimmt und der ihnen
Befehl gibt, wie die Löwen zu
brüllen;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, wächst die Jugend heran im
Schatten der „großen Alten";
K. Staudinger: KONZENTRATION
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, machen sie Geschichte, in-
dem sie die für sie gutsprechenden
Geschichtszahlen der Vergangen-
heit in den Himmel heben;
geht es ihnen aber schlecht, dann
haben sie nicht einmal mehr die
Kraft und den Mut, Bäumchen zu
pflanzen.
geht es ihnen aber schlecht, dann
entfremden und kreuzigen sie sich
gegenseitig.
geht es ihnen aber schlecht, dann
vergessen sie sehr schnell, daß sie
Deutsche sind.
geht es ihnen aber schlecht, dann
wandern sie hinaus in alle Winde,
akklimatisieren sich von allen Ein-
wohnern am schnellsten und sind
immer die ersten, die ihr Vater-
land verleugnen.
geht es ihnen aber schlecht, dann
saugen sie mit blähenden Lungen-
flügeln auf, was nur irgendwie den
Anschein von einem Hauch Fort-
schritt ausatmet, auch wenn es un-
verkennbare Gaukeleien und Pla-
giate sind, oder tapsen in den Spu-
ren ausländischer Vorbilder.
geht es ihnen aber schlecht, dann
werden diese schamvoll ver-
schwiegen.
geht es ihnen aber schlecht, dann
nennen sie es nur noch hilfreiche
Freunde.
geht es ihnen aber schlecht, dann
sind sie nur noch wie die jungen
Hunde, jammern schwanzwedelnd
nach Freiheit und Gerechtigkeit.
geht es ihnen aber schlecht, sind
diese froh, die Last der Verant-
wortung auf die Jugend abwälzen
zu können und in ihnen Hoffnung
und Zukunft zu sehen.
geht es ihnen aber schlecht, dann
beginnen sie nach den Ursachen
der Niederlagen zu forschen und
sehen manchmal ihr Unrecht sogar
ein, bis ... ja, bis es ihnen dann
wieder zu gut geht. Michael Rene
. . . Und so hat meine Frau sozusagen unter den Augen des Gerichts ihr dunkles
Geschlechtsverkehrswerk mit dem Zeugen Meier fortgesetzt.
(Aussage eines betrogenen Ehemannes.)
... Ich lasse mich vom Arbeitsamt nicht als arbeitsscheu hinstellen, wo ich doch
dem Staat zwei Kinder und drei Abgänge geschenkt habe.
1 (Verteidigung einer Arbeitsverweigerln.)
. . . Das waren keine unzüchtigen Handlungen, die wir mit unseren Negerbimbos im
Bett getrieben haben, das waren nur harmlose Gesellschaftsspiele.
(Gemeinsame Erklärung dreier wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung
angeklagter Damen.)
... Ich habe mit der Ingrid von der 4. Klasse und der Roswitha von der 5. Klasse
im Luitpoldhain „Amiles" gespielt. Meine Freundinnen waren die „Fräuleins" und
haben sich unter eine Decke gelegt. Ich war der „Ami" und habe mich zu ihnen
auch unter die Decke gelegt. Da ist der Angeklagte auf einmal gekommen und hat
auch den „Ami" spielen wollen, so ein Schwein!
(Zeugenaussagen der 9jährigen Sigrid in einem Verfahren wegen Unzucht mit
Kindern.)
.. . Die Angeklagten deshalb als Diebe zu bezeichnen, weil sie aus den Kesselwagen
amerikanisches Benzin abgelassen haben, finde ich unerhört. Leute, die so etwas tun,
sind keine Diebe. Leute, die so etwas tun, sind Schatzgräber des 20. Jahrhunderts.
(Plädoyer eines Verteidigers.)
.. . Was geht mich die bayerische Verfassung an. Ich bin kein Staatsbürger. Ich bin
Ermittler bei der Spruchkammer.
(Verteidigungsrede eines wegen Meineidsverleitung, fahrlässigen Falscheids,
Verletzung des Briefgeheimnisses, Amtsanmaßung und Nötigung angeklagten
Spruchkammerermittlers.)
...Herr Amtsrichter! Wenn ich Ihren Schwollkopf ansehe, dann merke ich auch,
daß Sie auf Marken leben.
(Schlußwort eines zu l Vi Jahren Zuchthaus verurteilten Schwarzschlächters.)
.. . Die Schokolade hat meine Mutti nicht schwarzgehandelt, die habe ich von meinem
Onkel Neger geschenkt bekommen. (Zeugenaussage der 6jährigen Helga.)
Kuwi
DIE WILDEN
Jetzt kennt man sich wirklich nicht mehr aus. Seit 1945 erklären deutsche Gewerk-
schaftsführer, mit Streiks bezwecke man nichts. Die internationalen Kollegen waren
zwar seit je anderer Ansicht, aber in Deutschland brät man immer schon Extra-
Würste. Hier glaubt die hohe Gewerkschaftsbürokratie in Interzonenausschüssen,
Parlamenten und Wirtschaftsrat mit zeitraubenden Palavern das zu erreichen, was,
o Wunder, einigen wilden Streikern in wenigen Stunden gelang, den Brotkorb nicht
mehr höher zu hängen. Diese Wilden hätten aber viel lieber gestreikt, wenn sie
seitens der Herren Hagen und Reuter die gewerkschaftliche Sanktion empfangen
hätten. Der Streik richtete sich nämlich nicht gegen die Besatzungsbehörde — dies
sei zur Beruhigung der beiden Herren mitgeteilt, sondern gegen die ungerechte Um-
stufung und Verteilung der Lebcnsmittelzulagen seitens des Frankfurter Wirtscharts-
rats. Hier gehen die Interessen sogar mit der Militärregierung konform. Aber wer
selbst wie Herr Reuter — im Wirtschaftsrat — oder Herr Hagen im Landtag sitzt,
kann nicht mit Streiks dagegen angehen. Adalbert Zech
H. R. Göppev: STUDIE
WENN ES DEN DEUTSCHEN ZU GUT GEHT..
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, fühlen sie sich stark und
wollen Bäume ausreißen;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, nennen sie sich Brüder und
rufen gemeinsam „Hosianna";
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, kennen sie nur sich, sonst
nichts auf der Welt;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, erwacht in den ausgewander-
ten Deutschen das Heimatgefühl,
sie erinnern sich an ihr Mutter-
haus und kehren zurück;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, sie eine gewisse hohe Stufe
der Kunst und Wissenschaft, der
öffentlichen Anerkennung erreicht
haben, schließen sie sich herme-
tisch ab von der Welt, beuten
ihren Erfolg aus und begnügen
sich im übrigen damit, dort stehen-
zubleiben und unaufhörlich immer
wieder dasselbe zu schaffen;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, werden die gefallenen Söhne
geehrt;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, schreien sie nach waffenklir-
renden Verbündeten;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, haben sie das Bedürfnis, sich
kommandieren zu lassen, sie brau-
chen jemand, der die Last der
eigenen Verantwortung von ihren
Schultern nimmt und der ihnen
Befehl gibt, wie die Löwen zu
brüllen;
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, wächst die Jugend heran im
Schatten der „großen Alten";
K. Staudinger: KONZENTRATION
Wenn es den Deutschen zu gut
geht, machen sie Geschichte, in-
dem sie die für sie gutsprechenden
Geschichtszahlen der Vergangen-
heit in den Himmel heben;
geht es ihnen aber schlecht, dann
haben sie nicht einmal mehr die
Kraft und den Mut, Bäumchen zu
pflanzen.
geht es ihnen aber schlecht, dann
entfremden und kreuzigen sie sich
gegenseitig.
geht es ihnen aber schlecht, dann
vergessen sie sehr schnell, daß sie
Deutsche sind.
geht es ihnen aber schlecht, dann
wandern sie hinaus in alle Winde,
akklimatisieren sich von allen Ein-
wohnern am schnellsten und sind
immer die ersten, die ihr Vater-
land verleugnen.
geht es ihnen aber schlecht, dann
saugen sie mit blähenden Lungen-
flügeln auf, was nur irgendwie den
Anschein von einem Hauch Fort-
schritt ausatmet, auch wenn es un-
verkennbare Gaukeleien und Pla-
giate sind, oder tapsen in den Spu-
ren ausländischer Vorbilder.
geht es ihnen aber schlecht, dann
werden diese schamvoll ver-
schwiegen.
geht es ihnen aber schlecht, dann
nennen sie es nur noch hilfreiche
Freunde.
geht es ihnen aber schlecht, dann
sind sie nur noch wie die jungen
Hunde, jammern schwanzwedelnd
nach Freiheit und Gerechtigkeit.
geht es ihnen aber schlecht, sind
diese froh, die Last der Verant-
wortung auf die Jugend abwälzen
zu können und in ihnen Hoffnung
und Zukunft zu sehen.
geht es ihnen aber schlecht, dann
beginnen sie nach den Ursachen
der Niederlagen zu forschen und
sehen manchmal ihr Unrecht sogar
ein, bis ... ja, bis es ihnen dann
wieder zu gut geht. Michael Rene
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Konzentration" "Studie"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
Signatur: H. R. Göpper
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 1, S. 6.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg