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SEEMANNS LATEIN

„Als ich mich mit vierzehn Jahren auf eine
Hamburger Barke vermietete, geriet ich zum
erstenmal im Vorderkastell unter die rohen Ma-
trosen." — Hier unterbrach mich der Regisseur:
„Sehr gut, besonders das Vorderkastell — außer-
ordentlich packend und wirkungsvoll — aber,
bitte, fahren Sie fort!" Ich holte tief Atem und
erzählte geballt weiter: „Schon nach wenigen
Tagen stachen wir in See, nachdem wir den
Anker über Bord geworfen hatten!" Schon wie-
der winkte der Filmgewaltige mit erhobener
Hand ab: „Stop, ganz verkehrt, mein Lieber;
glauben Sie nicht, daß wir vom Film keine Ah-
nung von der Seefahrt hätten. Sie müssen im
Bilde bleiben." Er war von seinem Sessel auf-
gesprungen und dicht vor mich hingetreten, wohl
um es mir leise zu sagen, damit ich mich nicht
vor der eifrig mitstenographierenden Sekretärin
blamiere: „Man wirft doch keinen Anker über
Bord, wenn man in See sticht, mein Lieber!" —
Ich errötete, blickte verlegen nach der hübschen
Dame und las um einen Brustton tiefer weiter:
„Auf dem Meere zogen wir das große Segel auf
und braßten die Mastbäume kreuzweise." —
„Herrlich!" fiel der Filmherr ein, „aber das große
Focksegel und, na, wie heißt das Dings noch,
ach ja, die Besansegelstangen klängen noch bes-
ser!" — „Jawohl", stotterte ich, obgleich ich das
große Segel und Mastbäume auch ganz wirkungs-
voll fand. — „Mal weiter", diktierte er einfach
und lehnte sich mit geschlossenen Augen erwar-
tungsvoll in seinem bequemen Klubsessel zu-
rück. — „Eine berghohe Woge stürzte auf Deck,
die Maaten schrien laut auf, und der Kapitän
wirbelte das Steuerrad bald nach Luv, bald nach
Backbord, um die Barke zu retten." — Hier
unterbrach ich mich, um eine Erklärung abzu-
geben: „Man könnte auch Steuerbord statt Luv
sagen, aber um die Wiederholung nach Steuer-
rad zu vermeiden ..." — „Richtig", stimmte er
zu, „außerdem beleben die Fachausdrücke un-
gemein, je mehr davon um so besser", fügte er
freundlich hinzu, und ich fuhr ermutigt fort:
„Eigentlich hätte der Steuermann am Rad drehen
müssen, um das Schiff zu retten, jedoch er lag
wieder einmal betrunken, wie es Seeleute mei-
stens sind, in seiner Kabine." — Nach diesem
gewagten Satz hielt ich es für ratsam, eine kurze
Pause einzulegen und peilte den Chef verstoh-
len an. Das selige Lächeln seines befriedigten
Gesichtsausdruckes bestärkte meine Auffassung
über diesen Steuermann und Seeleute im all-
gemeinen, daß ich beschloß, die Szenen über das
Seelenleben der Seefahrer nicht auszulassen. „Es
war jetzt an der Zeit, die Segel mit dem üblichen

Seemannsgesang einzuziehen. Kaum war das
traurige Lied ,La Paloma' verklungen, da stürz-
ten sich die Matrosen mit wilden Ahoi-Rufen in
die Boote und versuchten auf einer gerade an
der Schiffswand hochgehenden Welle rudernd zu
entkommen. Sie waren schon über zwei riesige
Wellenberge hinweg, als einer der Maaten be-
merkte, daß die einzige Jungfrau des Schiffes an
Bord der sinkenden Barke geblieben war. Sofort
wurde der Schiffsrat einberufen, in dem einstim-
mig beschlossen wurde, die Jungfrau zu retten.
Das Boot wurde gewendet und, o Wunder, aus
dem einzigen Ochsenauge, das noch nicht über-
schwemmt war, winkte die junge Dame den Ret-
tern huldvoll zu." —

„In Ordnung", schrie der Regisseur aufsprin-
gend. „Ist alles dran! Die letzte Szene am Ochsen-
auge wird im Atelier gedreht und natürlich nur
mit Marlene und Albert Hannes." — Ich ver-
neigte mich überglücklich und überreichte seiner
Sekretärin das 200 Seiten starke Manuskript, aus
dem ich einige Proben vorgelesen hatte. Der Titel
lautete: „Der Untergang des letzten Segelschif-
fes". Ich war noch ganz im abwechselnden An-
schauen meines Manuskriptes und der hübschen
Sekretärin vertieft, als der Regisseur mit meh-
reren Herren, die Pfeife rauchten und wie
Schiffsleute in Hemdsärmel gingen, heftig disku-
tierend zurückkam. „Noch einige Fragen, mein
lieber Seemann", begann er freundlich lächelnd:
„Die Geschichte mit den Uniformen muß noch
geklärt werden; Sie sind wohl so liebenswürdig
und geben uns einige Tips, obgleich wir, wie
gesagt, auch in dieser Hinsicht durchaus im Bilde
sind." — „Jawohl, meine Herren!" Ich murmelte
etwas von großer Ehre und beschrieb sofort aufs
genaueste die Uniformen der Handelsmarine,
wie ich sie täglich an Bord, auf dem Jungfern-
stieg und vor dem Hotel Atlantik gesehen hatte.
Ich versäumte auch nicht, auf ältere Filme hin-
zuweisen, die meine Schilderungen anschaulich
und genauestens wiedergäben. Man notierte eifrig
und stellte Zwischenfragen: Die Zeiten hätten
sich doch geändert; ob die vielen Goldstreifen
am Aermel und auf den Schultern, sowie die
goldbetreßte Mütze ohne Sondergenehmigung der
Militärregierung tragbar wären? Ich mußte zu-
geben, daß diesen Bedenken in nichtfilmischer
Hinsicht einige Bedeutung zukäme; aber mit den
Orden wußte ich wieder genau Bescheid: „See-
leute tragen immer Rettungsmedaillen!" — Hier-
auf bedankte ich mich wieder aufs herzlichste,
denn die Herren schienen sich oder mich ver-
abschieden zu wollen, während sie, ganz so wie
meine Berufskollegen auf See, angestrengt an

ihren Tabakspfeifen sogen. Schließlich verließen
sie, ohne mich weiter zu beachten, das Zimmer,
womit sie auch in dieser Abschiedsszene ihre
Kenntnis von den seemännischen Gepflogenhei-
ten anschaulich bekundeten.
Nur der Chef saß immer noch tief in mein
Manuskript versunken an seinem Schreibtisch.
Seine Sekretärin gähnte und blickte nach der
Uhr. Mir wurde himmelangst, daß ich die Frage
nach dem Honorar nicht mehr anbringen könnte.
Aber auch diese Klippe wurde glücklich um-
schifft. Als ich am Abend „Rolling home" singend
in meinem Heimatshafen einlief, wußte meine
Frau, ehe sie meiner ansichtig wurde, daß die
Sache geklappt hatte. „Das habe ich geahnt",
sagte sie, „aber wie soll es nun weitergehen?
Du wolltest ja nicht hören, als ich dich mahnte,
das Schiff nicht gleich im ersten Manuskript
untergehen zu lassen und dazu noch das letzte
Segelschiff!' — „Macht nichts, mein Schatz", er-
widerte ich mit einem unsicheren Lächeln, wäh-
rend mein geschwächter Geist fieberhaft nach
einer passenden Fortsetzung suchte. „Schließlich
gibt es doch noch Bergungsgesellschaften, die
untergegangene Schiffe wieder heben", fiel mir
endlich laut denkend ein. Und in Geberlaune
fügte ich gönnerhaft hinzu: „Die müssen auch
leben; laß sie daher getrost an dem Untergang des
letzten Segelschiffes auch etwas verdienen!" W.

DER IAJDABZT (I)

Sein Auto ist mit Fett geschmiert,

mit Gänsefedern reich verziert

und unter den Motoren

riecht es nach Schweineohren.

Phenvldimethyl

PYrazolonmethyl.

Er kommt gefahren leicht geölt
und schwer geht es bergunter.
Wenn einem Bauernsohn was fehlt,
leidet die Viehzucht drunter.
PhenYldimethyl
PYrazoIonmethyl.

Wenn es so weiter geht, Malheur,
das war nicht auszudenkenl
Die Bauern hätten bald nichts mehr
dem Doktorhut zu schenken.
PhenyldimethYl.
Da will ich lieber sterben.
Pyrazolonmethyl. Walter Schnabel

Simpl Nr 22 Seite 269

A. Fövg: AUF DEM TRANSPORT

DER LANDARZT (II)

Erwiderung auf das Gedicht von Walter Schnabel

Ob des Gedichtes war ich platt,

So platt wie meine Reifen!

Daß man für uns nichts übrig hat,

Man kann es kaum begreifen.

Seit Monden schon mein Auto „steht",

Dieweil sein Herr zu Fuße geht.

Kompensation — Kompensation!

Dann kriegt' ich neue Reifen schon.

Heut lief ich wohl drei Stunden weit
Durch Schnee und Dreck 'ne Ewigkeit.
„Daßt endli kimmst, no des is fein!
Da hast a glei an Krankenschein."
Da heißt es nicht: Kompensation!
Die 4 Mark 20 hab ich schon.

Wenn das so weitergeht, Malheur,

Das ist nicht auszudenken,

Dann kann ich wirklich bald nicht mehr

Den Bauern Hilfe schenken.

Pyrazolon — Sulfonamid —

Da will ich lieber sterben —

Bin ohnedies so müd. Dr. Ferus

1. Eine immer größer werdende Anzahl von Land-
ärzten muSte den Kraftwagen wegen Reifenmangel
stillegen.

2. Ein großer Teil der Bauern and der größte Teil
der Söhne und Töchter ist heute Mitglied der Orts-
krankenkasse.

3. Für die Behandlung eines Patienten bekommt der
Kassenarzt zur Zeit einen Betrag von RM 4.20 (in
Worten: Vier Mark, zwanzig Pfennige) pro Vierteljahr.

2 2
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Auf dem Transport"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Förg, Alfred
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Kälte
Holzschnitt
Karikatur
Transport
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 2, S. 22.

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