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DAS GLÜCK UND DER POET

Durch die Presse ging in diesen Tagen eine inter-
essante Meldung. Ein Dichter hat erklärt, daß
er im Jahre 39, als Kriegshetzer und Militaristen
zum Kriege rüsteten und die Welt des Friedens
in den letzten Zügen lag, während der entschei-
denden Tage in der Schweiz einzig damit be-
schäftigt war, einem kleinen Gedicht eine etwas
bessere Fassung zu geben.

Als man diese Zeitungsnotiz las, fragte man sich
zuerst: „Was soll das?" Da fehlte doch irgend-
wie eine Pointe. Sollte man sie „wegen Platz-
mangels" weggelassen haben? Doch bei längerem
Nachdenken hörte man die „Trutznachtigall"
trapsen — und es stieß einem sauer auf.
Nicht nur, weil man heutzutage in Deutschland
allgemein sauer auf Moralpredigten reagiert, die
aus vollem Magen von wohlgedeckten Tischen

zu unseren demontierten Gehirnen herüberklin-
gen. Mancher Nobelpreisträger hat sich mit sei-
nem ideellen Kapital derart in Mißkredit begeben
Hochverehrter Meister, der Sie das unvergleich-
liche Glück hatten, in der Schweiz in Ruhe und
Frieden, in einem Paradies des Wohlstandes,
schaffen zu dürfen, verwechseln Sie bitte nicht
Glück mit Verdienst. Die deutschen Schriftsteller
hätten auch lieber liebevoll an ihren Manuskrip-
ten gefeilt und gedrechselt und hätten eine Welt
der Grausamkeit, des Hasses und der Unmensch-
lichkeit herzlich gern weit von sich gewußt.
Allein sie robbten im Dreckrock unter dem Be-
fehl ihrer mißmutigen Unteroffiziere über die
Kasernenhöfe, während Herr von Ribbentrop als
lieber Gast in Moskau weilte.
Gewiß gab es Blut- und Boden-Söldlinge. Die gab

es in allen Ländern. In anderen Ländern gibt es
sie noch. Ich denke vor allem an eins.
Aber durch nichts kann man die zarte Blume
der Demokratie leichter töten als durch den Frost
snobistischen Dünkels

Und die bei uns noch so weit vom Schuß saßen,
waren nachts doch in ihren Luftschutzbunkern
und haben das Pfeifen der Bomben gehört. Das
aber macht hellhörig.

Wir haben den zu früh dahingegangenen Franz
Werfel aus sicherem Port nach Kriegsende den
Stab über uns brechen lassen mit seiner „Rettung
der Seelen". Wir haben einen Dichter uns ver-
fluchen hören, dessen Name uns trotzdem so
teuer ist, daß wir ihn in diesem Zusammenhang
nicht einmal erwähnen wollen.
Aber nun muß es einmal „genug sein des grau-
samen Spiels". Dichter sind doch schlechtere
Diplomaten. Laßt uns euch weiter anbeten, aber
schweigt, wenn ihr uns nichts zu sagen habt.
Schlaraffenland hat schlechte Resonanz, das
machen die Reisberge und die gebratenen Hüh-
ner an den Bäumen. Wir haben manchem ver-
ziehen, der sich die Dornenkrone eines Märtyrers
aufsetzte und noch einen Zylinderhut dazu aufs
Haupt stülpte — weil er mit uns und im Lande
war. Wir werden anscheinend noch vielen ver-
zeihen müssen — und verzeihen.
Aber leise darf man schon daran erinnern, daß
keine Demokratie möglich ist ohne zwei Kardinal-
fügenden: Takt und Bescheidenheit. G. W. Borth

BONNER KATHEDERBLÜTEN

„Zu Lebzeiten Hegels konnte ohne dessen Zustimmung
kein philosophischer Lehrstuhl besetzt werden. Es blieb
auch noch lange nach Hegels Tode so."

Prof. Dr. Aloys Müller

„Pythagoras hat von Kroton aus ein großes Reich ge-
gründet und es über hundert Jahre beherrscht." ,

Prof. Dr. Barion

„Die Emanation kann ich jetzt nicht besprechen. Ich
komme im Mittelalter darauf zurück." Prof. Dr. Barion

„Auch der Blinddarm stammt nicht aus dem Indogerma-
nischen, obgleich er älter ist, als er aussieht."

Dozent Dt. Betz

WIR LEBEN IN DEUTSCHLAND

In Dirnenkaschemmen saufen die Stromer

Flasche auf Flasche leer;
Am Abend haut dich einer mit einem Faustschlat

vom Fahrrad herunter;
Wir leben in Deutschland!

In den Kellern werden Kartoffeln. Kohlen

und Holz gestohlen:
Und kilometerweit brennen die Wälder nieder;
Wir leben in Deutschland!

Hinter den Schuttbergen aber gehen jeden Abend

die großen Vorhänge auseinander;
Du siehst nur mehr in den Theatern, wie das

Leben einmal war;
Wir leben In Deutschland!

Einer hat einen neuen Anzug an, der Ist sicher

ein Schieber;
Auf der Straße wirst da nach der Zeit gefragt

und ohne Uhr gehst du weiter;
Wir leben In Deutschland!

Die Kinder fragen niemehr, was eine Banane ist;

sie wissen gar nicht, daß es 30 etwas gibt;
Spielzeug sind Konservenbüchsen; was darin war.

ißt man nur im Schlaraffenland;
Wir leben in Deutschland!

Und es gibt noch Menschen, die schreiben Bücher;
Der andere war einmal Graphiker; jetzt fälscht

er Zuteilungskarten;
Wir leben in Deutschland!

Wenn dir alles zum Halse heraushängt, dann

nimm dein letztes, was du hast,
Und kauf dir eine Flasche Kognak; hoffentlich

ist's nicht Methylalkohol;
Wir leben in Deutschland! Johann Schöll

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Über den Dächern von Wilna"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Huth, Helmuth
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Vilnius
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 4, S. 46.

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