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WARUM?

Sohn (etwa zehn Jahre alt, liest eine Illu-
strierte): Vati, hast du schon das große Bild
gesehen?

Vater (mürrisch): Was für ein großes Bild?
Sohn: Da ist ein großer Acker und ein Bub
läuft, was er kann, und ein Polizist saust hinter
ihm her mit 'einem Gewehr in der Hand. «
Vater (nachdenklich): Was sagst du? Mit einem
Gewehr in der Hand?

Sohn: Ja, mit einem Gewehr in der Hand — in
der rechten Hand. Vati, könntest du auch mit
einem Gewehr in der Hand —
Vater (rasch): Red' nicht so dumm daher!
Sohn (unnachgiebig): Aber der Polizist ist doch
viel dicker und stärker als der Bub — warum
braucht er denn dann ein Gewehr? Könntest
du auch auf einen Buben schießen, Vati?
Vater (ungeduldig): Lies jetzt endlich mal vor,
was los ist.

Sohn (buchstabierend): Jugendliche Schmugg-
ler —
Vater: Aha!

Sohn: — gehen über die Grenze, um zu betteln,
zu handeln oder zu stehlen.

Vater (auftrumpfend): Siehst du, so etwas tut
man auch nicht.

Sohn (bohrend): Aber warum gehen sie denn
betteln?

,Vater (unbedacht): Vielleicht brauchen sie was
zum Essen. Sehr wahrscheinlich sogar.
Sohn: Aber du sagst doch immer, daß wir zu
wenig Kalorien bekommen! Du sagst doch im-
mer, davon kann kein Mensch leben!
Vater: Können wir auch nicht.
Sohn (weiterbohrend): Aber wenn sie auf der
anderen Seite von der Grenze genug zum Essen
haben, warum darf man denn dann nicht hin-
gehen?

Vater (nervös): Weil das verboten ist.,
Sohn: Wer hat denn das verboten, Vati?
Vater (noch nervöser): Die Polizei. Die Regie-
rung. Was weiß ich!

Sohn: Wir kriegen, doch ganz weit aus Amerika
was zum Essen. Warum dürfen denn die da
neben uns nichts schicken?

Vater (mit beginnenden Kopfschmerzen): Weil
wir das nicht bezahlen können.
Sohn: Wovon bezahlen wir denn das Essen aus
Amerika? Du sagst doch immer, unser Geld ist
nichts wert?!

Vater (will zu Ende kommen): Was die uns
schicken, ist sozusagen ein Vorschuß, verstehst
du? Weil die Not so groß ist. Das müssen wir
alle einmal zurückzahlen — mit Exportwaren
undsoweiter. Durch unserer Hände Arbeit. Ist
nicht mehr als recht und billig.
Sohn (ist nicht aufzuhalten): Wenn die Leute
an der Grenze uns aber was schenken, das
dürfen wir doch mitnehmen?
Vater: Das ist doch logisch. (Verbessert sich,
hat Zeitungen gelesen.) Das heißt, nein — so
ohne weiteres dürfen wir nichts mitnehmen.
Sohn: Aber wenn die uns vwas schenken wol-
len? Ganze Lastwagen voller Sachen? Viel-
leicht, weil die viel zu viel davon haben?
Vater (gequält): So viel gibt es ja gar nicht.
Sohn (unbarmherzig): Vati, gehen nur die Kin-
der von den armen Leuten über die Grenze
oder auch reiche Kinder?

Wir hatten hunderttausend Mann!
Genügt das nicht zum Spielen?
Genügt das nicht, um dann und wann
mal auf ein Herz zu zielen?

Genügt das nicht zum Wachesteh'n

und für ein paar Paraden?

Genügt's nicht, wenn im Gleichschritt geh'n

zweihunderttausend Waden.

Sind denn, um alles in der Welt,
dies nicht genügend Knechte?
Wird nicht genug von unserm Geld
verpulvert durch Gefechte?

Vater (überzeugt): Nur arme.

Sohn: Dürfen arme Kinder sich nicht sattessen?

Vater: Doch. Natürlich. Aber —

Sohn (gnadenlos): Wenn die Kinder satt zu

essen bekommen, glaubst du, daß sie dann auch

zum Schmuggeln gehen?

Vater (mit verzweifelter Akzentuierung): Nein,
das glaub' ich nicht.

Sohn: Wer ist denn dran schuld, daß die Kin-
der nicht satt zu essen kriegen?
Vater: Ein größenwahnsinniger Rattenfänger,
dem wir alle nachgelaufen sind.
Sohn: Aber wenn ihr ihm nachgelaufen seid,
warum müssen die armen Kinder —
Vater (hilflos): Hör' endlich auf mit deiner
Fragerei. Ich hab' jetzt was anderes zu tun.
(Geht zum Radioapparat. Dreht dran herum.)
Rundfunksprecher: Wir bringen jetzt Nachrich-
ten aus Deutschland. — Aachen: Seitdem deut-
sche Polizei an der deutsch-belgischen Grenze
die Besatzungspolizei abgelöst hat, ist die Zahl
der Todesopfer unter den illegalen Grenzgän-
gern gestiegen. Ende der Nachrichten.
Der Vater verläßt eilig das Zimmer. — k—

Wir hatten hunderttausend Mann
mit Säbeln und Kanonen!
Als ob das nicht genug sein kann:
Sie wollten Millionen!

Ein ganzes Volk im Sklavenkleid,
den Nachbarn zu erschrecken.
Ein ganzes Volk zum Krieg bereit,
Zum Töten — zum Verrecken...

Mit Hunderttausend fing es an,
gedrillt im alten Stile. — —
ES WAREN, Deutsche denkt daran,
NOCH IMMER VIEL ZU VIELE!

, H. Hartwig

m| yy ^ 0^ Am 16. März 1935 wurde die allgemeine

Wehrpflicht wiedereingeführt.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Schuttabladestelle"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kößlinger, Ernst
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 7, S. 77.

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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