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Solang der alte Pe —--

J Erber

SIMPELEIEN

4000 Exemplare einer von der Landwirtschafts-
abteilung der Militärregierung veranlaßten Bro-
schüre wurden an alle Pfarrer in Bayern ver-
teilt. Nach amerikanischer Ansicht ist eine Ver-
wendung dieser Broschüre in den Predigten
geeignet, die bäuerliche Ablieferungsquote zu
steigern und den Schwarzen Markt zu bekämp-
fen. — Also sozusagen ein Aufruf zum Kampfe:
Schwarz gegen Schwarz.

In Nürnberg wollte ein Amerikaner in einem
Laden, angelockt durch den Schmuck der Aus-
lage, Blumen kaufen, erfuhr aber zu seiner

Verblüffung, daß er in eine Metzgerei geraten
war. — Er weiß nicht, wie geehrt ein Metzger
heutzutage ist.

Für die italienischen Wahlen sind insgesamt
344 politische Parteien registriert worden. —
Und dabei dreht sich alles um eine einzige Partei.

Von vierzig Autos, die in Bayern zur Verteilung
freigegeben wurden, sind dreizehn an Abgeord-
nete des Bayerischen Landtags abgegeben wor-
den. — Ganz im Sinne des bayerischen Volkes.

In Paderborn haben die Lebensmittelhändler
Lebensmittelzulagen gefordert. Grund: Sie müß-
ten1 nachts Lebensmittelkartenabschnitte kleben.
— Da es sich nicht um geistige Arbeit handelt,
werden die Zulagen ohne Zweifel genehmigt
werden.

Die Ereignisse in der Tschechoslowakei werden,
wie das Prager Gewerkschaftsblatt „Prace" be-
richtet, das Thema einer Oper des kommunisti-
schen Komponisten F. Burian sein. — Er erhofft
sich schon jetzt einen besonderen Erfolg seiner
„Fenstersturzarie".

Der erste Kriegsverbrecherprozeß in Nürnberg
hat nach Pressemeldungen 16 Millionen Mark,
20 000 Bleistifte und elf Tote gekostet. — Kein
Vergleich zu den Kosten, welche die elf Toten
verursacht haben.

In Berlin werden die
Drehorgel - Eckensteher
registriert und einem
öffentlichen Prüfungs-
verfahren unterzogen,
von dessen Ausgang die
weitere Berufsausübung
abhängig gemacht wird.
— Vorschlag: Wer nichts
vom Parteiprogramm
der SED und von Bachs
wohltemperiertem Kla-
vier weiß, fällt durch
und darf fürder nicht
drehorgeln.

Der Verleger Kurt Desch erklärte in einer Un-
terhaltung, daß er zwölf jüngeren Schaffenden
die Gelegenheit bot, sich anderthalb Jahre lang
ohne finanzielle Sorgen ganz ihrer Arbeit wid-
men zu können. — Desch ist also doch besser
als sein Ruf.

In Königsberg, Verzeihung, Kaliningrad, soll,
wie eine schwedische Zeitung berichtet, im
vorigen Jahr nur noch eines der alten deutschen
Denkmäler gestanden haben, nämlich das von,
Immanuel Kant. — „Das metaphysische Hinder-
nis aller Moral ist die Verleugnung der Frei-
heit", sagte selbiger.

Bei einem Kolonial-
warenhändler in Lands-
hut fand die Polizei im
Verlaufe einer Durch-
suchung Teigwaren im
Klosett versteckt. —
Woraufhin anzunehmen
ist, daß diese Beute mit
Sicherheit einem Kran-
kenhaus zugewiesenwird.

Weil Aschaffenburg ge-
genüber anderen baye-
rischen Städten hin-
sichtlich der Material-
zuwendurigen stark be-
nachteiligt worden sei,
sagte der Leiter der
Abteilung Aschaffenburg der Handwerkskammer
Unterfranken: „Wir sind das letzte Haar am
Schwanz des bayerischen Löwen." Und dieses
eine Haar will sich dagegen sträuben.

SI PL-IS II I i J Ii A & TEJ%

Als einziger im ganzen Ort! Es ist wirklich völlig un-
verständlich, daß Sie immer noch nicht entnazifiziert
sind. Während man erst den Kreis der „Belasteten"
nicht groß genug ziehen konnte, gibt man doch jetzt
gerade den wackeren-,alten Nazis Gelegenheit genug,
wesentlich ungeschorener als die zuerst drängenden
„Nominellen" durchzurutschen. Sie schwören sich
gegenseitig weg, wie der Volksmund das früher bei
Alimentationsklagen nannte. Also gehen Sie getrost
zu Ihrem Obersturmführer, lassen Sie sich von ihm
eidesstattlich versichern, daß Sie nur ein pro-forma-
Sturmführer waren — und Sie werden sehen: wer
Nazi war, hat mehr vom Leben! (Natürlich nur, wenn
er ein richtiger Nazi war!)

Bombengeschädigte Hausbesitzerin. Menscherfskind,
wenn Ihnen ein gütiges Schicksal einen „Beauf-
tragten für die Baustoffbeschaffung" als Kaffeehaus-
Verehrer geschenkt hat, so heißt es: hinweg mit klein-
lichen weiblichen Bedenken, heran an den Kalk, der
aus den Knochen unserer Bürokratie rieselt! Ein
Zement-Bevollmächtigter in der Hand ist mehr wert
als ein Bezugschein auf dem (kaputten) Dach!

Geburtstagskind in AI. Nein, alte Dichter sind Ger-
hard Hauptmann, Hermann Hesse und demnächst
Thomas Mann. Die „Jungen Dichter" sind die zwischen
40 und 60. Ernst Wiechert, der die obere Grenze bil-
dete, wird nach seiner Uebersiedlung in die Schweiz
vermutlich rascher in die Generation der alten Dich-
ter hineinwachsen, denn nur in Deutschland bleiben
die Dichter bekanntlich länger jung. Mit 65 Jahren
gehören Sie hier allenfalls der reiferen Literatur an.

Alle kriegen Prämien! Ihnen als geistigem Arbeiter
wäre doch nicht gedient mit Zucker, Rauchwaren oder
Textilien! Nein, Sie tragen die Prämien Ihres Schaf-
fens in sich selber. Sorte es Ihnen aber gar
gelingen, Ihre geistigen Erzeugnisse zu exportieren,
so werden auch Sie beteiligt sein am großen Prämien-
system unserer sinnvollen Planwirtschaft: denn sicher
findet sich für Ihre Auslands-Einkünfte ein Sperr-
konto, aus dem dann die für wichtigere Berutsgruppen
notwendigen Prämien an Nahrungsmitteln und Klei-
dung geschafft werden können.

Flüchtling aus T Ja, Ausweisungsbefehle und Bom-
ben haben die „Enthortung" Ihres Eigentums und das
vieler Hunderttausender rascher durchgeführt als die
Wirtschaftslenkung der verantwortlichen Stellen das
mit den gehüteten Lagern der Industrie tut. Tröst-
licherweise wurde ja von Dr. Erhard schon erklärt,
es eile mit der Enthortung gar nicht, da es besser
wäre, die Bestände über die Währungsreform hin-
überzuretten. Das haben Sie von Ihren paar Besitz-
tümern sicher auch gedacht, als Sie sie gegen die
notwendigsten Kleider vertauschen mußten, nicht
wahr Aber während Ihre jetzt ehrlich verdienten
Groschen ihre Kaufkraft verlieren sollen, dürfen Sie
dafür von Ihrem nach der Währungsrefom mühsam
neu verdienten Geld „als erste an die gehorteten Be-
stände" unserer vorsorglichen Industrie heran und
damit die Wirtschaft ankurbeln helfen. Sie sehen, es
gilt immer noch das alte Wort: Sei im Besitze, und
du bist im Recht! Dem Recht aber zum Siege zu ver-
helfen, ist ja bekanntlich eine der vornehmsten Auf-
gaben der Demokratie.

Hilferuj aus der Lehmkruste heraus. Wieso haben Sie
und Ihre Kinder eine Dreckkruste? Es ist ein lächer-
liches Vorurteil überzüchteter Nationen, den Gebrauch
von Seife, gar schäumender Seife, als Maßstab des all-
gemeinen Kulturstandes anzusehen. Waschen Sie sich
mit Kastanien, Sand oder Holzasche, dickere Schichten
sind mit Bimsstein abzukratzen (an der Nasenspitze
ist dabei etwas Vorsicht geboten). Bei der immer
naturnäheren Lebensweise des deutschen Volkes wer-
den Verweichlichungen, wie Sie aus dem Verlangen
nach Waschmitteln spricht, mehr und mehr von selber
aufhören.

Private Fleischlenkung. Sehr richtig, liebe Trude aus
Recklinghausen. Wenn Sie für sich und Ihre Lands-
leute auf all Ihre Marken in Bayern einkaufen, hin-
dern Sie dieses üppige Land dadurch am besten,
seinen Lieferpflichten nachzukommen. Es wird dann
durch Kürzungen bestraft, wie es nur recht ist. Eine
Rücklieferung der eingelösten Marken statt der Ware
ist keinesfalls vorgesehen. — Die Reisezeit gibt Ihnen
ja bald Gelegenheit, Ihre Einkäufe in größerem Um-
fang und auf weitere Sicht zu tätigen. Nur: Achtung
vor Zugkontrollen — Sie kennen die bayerische Un-
freundlichkeit gegen Fremde.

Verhinderter Fischer. Nein, die Wale sind nicht für
alle Menscheil da, sondern nur für jene, deren zu-
gestandene Tonnage durch eine Walfangflotte nicht
überschritten wird. .Wenn Sie nach dem italienischen
Sprichwort von den Nüssen sagen: „Gott gibt die
Wale", so müssen Sie auch den Zusatz machen: „Aber
knacken bzw. fangen muß sie jeder selber". Und da
liegt der Wal im Pfeffer. Würden die Deutschen mit-
fangen, so würden, da für sie kein Kontingent vor-
gesehen ist, die Wale ausgerottet. Wenn aber die
Menschen durch „Schonungslosigkeit" sich vermindern
und die Wale durch Schonung sich vermehren, wer-
den sie in späteren Jahrhunderten vielleicht wieder
mal für alle langen.

Verzicht auf Kinderseyen? Warum gar vernunftgemäße
Ueberlegungen in dieser Frage des Gemütes? Je mehr
Kinder, desto mehr Glück in der Familie, desto mehr
Hoffnung auf ein versorgtes Alter, desto mehr Aus-
sicht auf einen Kinderschuh-Bezugschein, auf eine
Anderthalb-Zimmer-Wohnung und auf ein Nachttöpf-
lein. Auch brauchen wir KinderT um später wieder
Soldaten — nein, Menschen zu haben, die beim näch-
sten Krieg von ihrem demokratischen Recht der
Kriegsdienstverweigerung' Gebrauch machen ^können!

DIE MITARBEITER DES HEFTES

soweit sie in den bisherigen Heften nicht verzeichnet
waren: Ludwig Neusser,-24 3. 1889 in Nürnberg; Wer-
ner Finck, Daten folgen; Manfred Sitte, 29. 12. 1919
in Breslau.

„DER SIMPL" erscheint im Monat zweimal

Bezugspreis im Vierteljahr RM 6.— zuzügl. 25 Pfg. Zustellgebühr.
Verlag „Der SIMPL" (Freitag-Verlag), München 23, Wcrncckstr. 15a,
Fernruf 362072. Postscheckkonto: Der SIMPL. München Nr. 91999.—
Herausgeber: Willi Ernst Freitag. — Red. M. Schrimpf. — Sprech-
stunden: Dienstag und Donnerstag von 9 bis 12 Uhr. — Für
unverlangt eingesandte Manuskripte und Zeichnungen wird keine
Gewähr übernommen. Frciumschlag ist beizulegen. — Klischees:
Brcnd'amour,. Simhart & Co., Graphische Kunstanstalt, Mün-
chen. — Druck: Süddeutscher Verlag GmbH., München 2, Scnd-
linger Straße 80. — Auflage: 50000, — Copyright by Freitag-
Verlag 1946. — Published under Military Government Information
Control License No. US-E-148.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Solange der alte Pe---" "Simpeleien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Erber, Josef
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 7, S. 80.

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