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AUF EINER WÜSTEN INSEL - von rupert croft-cooke

Wenn nicht gerade durch literarische Rücksichten geboten, werden heut-
zutage die ^Leute eigentlich recht selten auf wüste Inseln verschlagen.
Und doch war dies das Los, welches das Geschick Mr. und Mrs. Jenkins
auf ihrer Reise nach einem Hafen Britisch Guayanas vorbehalten hatte,
wo Mr. Jenkins eine Filiale der Bank übernehmen sollte, bei der er in
England angestellt war.

Aus Sparsamkeitsgründen hatte das Ehepaar Plätze auf einem kleinen
Frachtdampfer gebucht. Unglücklicherweise jedoch war es Mr. Jenkins
nicht eingefallen, sich nach der Solvenz der Schiffsgesellschaft zu er-
kundigen, welcher dieser Dampfer gehörte. Er wußte also nicht, daß die
alte Kiste zum . vollen Preis versichert, aber nicht mehr zu gebrauchen
war. Er sah sich daher aufs höchste überrascht, als ihn der Kapitän,
den er als vergnügten Tischgenossen schätzen gelernt hatte, eines Abends
beiseite nahm und auf ein kleines Eiland wies, das vor ihnen aus dem
Meer auftauchte. „Sehen Sie es?" fragte der Kapitän.
„Was denn?" erwiderte Mr. Jenkins ahnungslos.
„Das Eiland dort", sägte der Kapitän.

„Nettes Fleckchen", meinte Mr. Jenkins, dem die Reise bis dahin aus-
gezeichnet gefallen hatte und der die Tropen äußerst angenehm fand.
„Freut mich, daß es Ihnen gefällt", grunzte der Kapitän. „Dorthin wer-
den Sie nämlich gebracht."

„Ich?" staunte Mr. Jenkins und lächelte freundlich. „Wir wollen aber
nach R...", und er nannte den Ort, an den ihn seine Behörde ver-
setzt hatte.

„Dort werden Sie ausgesetzt." Der Kapitän wies mit dem quadratischen
Kinn unmißverständlich nach der Insel, „und Sie dürfen Gott danken,
daß ich Sie nicht samt dem Kahn auf den Grund schicke. — Können
Sie rudern?"

„Paddeln", sagte Mr. Jenkins verschämt. „Immerhin, ich würde es
schon schaffen. — Gibt es eigentlich auch dort eine Filiale meiner
Bank?"

Ohne ein Wort zu sagen, schlenderte der Kapitän seines Wegs. Am
Abend wurden Mr. und" Mrs. Jenkins in ein winziges Boot gesetzt und
angewiesen, das öde Gestade anzusteuern.

Mr. Jenkins, der zu Hause Mitglied eines Tennisklubs gewesen war, tat
sich etwas darauf zugute, nicht pimpelig zu sein. Er fand sich rasch in
seine neue Aufgabe und ruderte rüstig der Insel zu.
„Du machst deine Sache gut", nickte Mrs. Jenkins beifällig. Sie war
eine ausgezeichnete Gattin und hervorragende Köchin. „Aber warum
hat man uns eigentlich in dieses elende Schiffchen gesetzt?"
Mr. Jenkins lächelte ihr Mut zu. „Das ist so in diesen exotischen Län-
dern. Die Mannschaft unseres Dampfers will den Kahn versenken und
ihre volle Versicherungssumme herausbezahlt kriegen. Dabei kann man
natürlich keine Zeugen brauchen."

Mrs. Jenkins zog ihre Strickerei aus dem Handtäschchen.
„I see", sagte sie beruhigt. „Werden wir uns dadurch sehr verspäten?"
„Das wird sich zeigen", sagte Mr. Jenkins. „Wenn die Insel bewohnt
ist, können wir ja schnell das Festland anrufen. Ist sie aber unbewohnt,

J. Wisbeck

PARTEIGRUNDUNG

dann werden wir eben ein Feuer anzünden und vorüberfahrenden
Dampfern ein Notsignal geben."

Mrs. Jenkins gab sich zufrieden. „Hochinteressant", sagte sie zwischen
einer rechten und zwei linken Maschen.

„Ach", meinte Mr. Jenkins, der schon einiges gelesen hatte, „es gibt
noch viel aufregendere Abenteuer. Aber für einen Bankrnenschen ist es
immerhin eine kleine Abwechslung." —
; Sie zogen das Boot an den sandigen Strand und Mrs. Jenkins, die eine
kräftigere Stimme hatte als ihr Gatte, sandte ein lautes „Hallo!" in die
Lüfte. Aber es kam keine Antwort.

„Morgen werden wir unsere Forschungen weiter ausdehnen", sagte
Mr. Jenkins. „Inzwischen wollen wir unsere Mundvorräte besichtigen."
Diese Inspektion war tief enttäuschend, denn im Boot fand sich nichts
als eine ziemliche Quantität Schiffszwieback.

„Well, well", sagte Jenkins zum erstenmal etwas gereizt. „Bis morgen
wird es ja wohl reichen." Und sie aßen bis sie satt waren.
Mrs. Jenkins hatte fürsorglich eine Reisedecke mitgenommen. Sie brei-
teten sie auf dem trockenen Sand aus und richteten sich für die Nacht
ein. — Am folgenden Morgen hielten sie sich wieder an den Zwieback
und gingen dann auf ihre Entdeckungsreise aus. Es zeigte sich jedoch
rasch, daß die Insel aus zwei Hügeln und sonst nicht viel mehr bestand.
„Ein ruhiger Ort", sagte Mrs. Jenkins enttäuscht, denn In Kngland hatte
sie immer die belebten Badeorte bevorzugt.

Die Insel war in der Tat unbewohnt, nicht einmal Vögel gab es. Aber
sie fanden einen Süßwasserbach und waren schon darüber überglücklich.
„Ich bin gern auf dem Land", sagte Mrs. Jenkins, „nur darf es nicht
zu lange dauern. Wenigstens gibt es hier keine Wilden und keine rei-
ßenden Tiere. Von dieser Seite haben wir also nichts zu befürchten."
„Nein.. ." Es kam etwas gedehnt aus Mr. Jenkins Munde. „Anderer-
seits beschäftigt uns die Lebensmittelfrage. Die Lage wird "peinlich,
wenn der Zwieback zu Ende geht."

„Daran habe ich noch gar nicht gedacht", gestand Mrs. Jenkins, als sie
sich' zu ihrem Zwieback-Eintopf niederließen.

Es verging eine Woche. Sie brachte manche Veränderung, denn Mrs.
Jenkins ging die Wolle für ihren Jumper aus, und Mr. Jenkins konnte den
Schiffszwieback einfach nicht mehr sehen. Es bestand jedoch nicht die
geringste Möglichkeit, den Speisezettel etwas zu bereichern. Jeden
Abend erklommen sie einen der beiden Hügel und Mr. Jenkins
schwenkte den rosa Schlüpfer seiner Gattin an einer Ruderstange als
Notsignal. Mrs. Jenkins protestierte anfangs gegen diese Exhibition
ihres intimsten Wäschestückes, aber Mr. Jenkins ließ sich darin nicht
irremachen. Kein Schiff kam.

Am Morgen des elften Tages bemerkte Mrs. Jenkins im Benehmen ihres
Gatten eine beunruhigende Veränderung.
„Hast du schlecht geschlafen, Edgar?"

„Nein", sagte er kurz. Seine Blicke hefteten sich jedoch mit einem

durchaus neuen Interesse auf ihre sanften Rundungen.

„Was hast du denn? Du machst mich ängstlich!"

„Der Zwieback!" stöhnte Mr. Jenkins. v

„Ich weiß, es ist schwer für dich, mein Herz..."

Er schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: „Meine Liebe, es tut mir
leid, aber es gibt nur ein Mittel. Auf dieser Insel findet sich nichts Eß-
bares, ich .weiß. Aber ich muß unbedingt eine Abwechslung haben. Und
du mußt dafür sorgen."

„Mit tausend Freuden, Darling. Aber du siehst ^selbst, es ist nichts da.
Soll ich dir ^mit meiner Stricknadel einen Fisch fangen?"
„Ich spreche" nicht von Fischen. Ich will Fleisch."
« „Fleisch?"" fragte Mrs. Jenkins zum erstenmal etwas nervös.
.„Auf dieser Insel gibt es nur eine Sorte", sagte Mr. Jenkins mit trocke-
ner Sachlichkeit.

„Edgar, du wirst.." doch nicht..."

Mr. Jenkins trat unbehaglich von einem Fuß auf den andern. '

„Es ist arg, ich gebe es zu. Der Kapitän hätte uns eben nicht nur

Zwieback..."

Mrs. Jenkins schluchzte leise. Ihr Gatte sagte mit leisem Vorwurf: „Ich
finde es recht rücksichtslos von dir, mir die Sache durch deine Tränen
so zu erschweren. Es ist hart genug für mich. — Sei doch froh, wenn
du es überstanden hast.'4

„Ich weine ja auch nicht deshalb." Mrs. Jenkins schneuzte sich in ihr
winziges Taschentüchlein.
„Warum dann?"

„Du hättest doch warten können, bis der Zwieback alle ist." —
Am dreizehnten Tag war es mit Mr. Jenkins Beherrschung endgültig
zu Ende. Unmutig legte er seinen Zwieback nieder, i
„Ich kann nicht mehr!"

„Wie willst du denn aber allein zurechtkommen, Liebling?"
Jenkins zuckte resigniert die Achseln. „Ich will dir einen Vorschlag
machen. Da wir wahrscheinlich doch ehestens befreit werden, wäre allzu
große Voreiligkeit nicht ratsam. Ich sehe das selber ein. Wir könnten
also zunächst beim Bein anfangen. Du würdest dann selber noch mit-
profitieren ..."

Mrs. Jenkins fühlte eine leichte Gänsehaut. Trotzdem sagte sie heroisch:
„Nein, Edgar. Wenn schon, denn schon."

„Wie du. willst", fügte sich Mr. Jenkins mit dankbarem Händedruck.
Bei Mr. Jenkins ausgeprägtem Taktgefühl versteht es sich von selbst,
daß er bis zum entscheidenden Moment das heikle Thema vermied. Im
letzten Augenblick schien ihn jedoch ein Zagen zu befallen-. Ein letzter
Zweifel war in seiner Seele aufgetaucht und um ihn zu beseitigen, mußte
er wohl oder übel noch einmal auf den Punkt zurückkommen, den er
so zartfühlend zu umgehen trachtete.

„Mein Herzchen", sagte er zögernd, „noch eins ... Wie lange Kochzeit?"
In Mrs. Jenkins tapferem Busen regte sich die sachverständige Haus-
frau. „Zwanzig Minuten pro Pfund, Darling."
Und das waren ihre letzten Worte. — —

Mr. Jenkins wurde bald darauf von einem Dampfer aufgelesen und in
die Heimat zurückgebracht. Er hat sich wieder vermählt und ist recht
glücklich. Nur von der Vergangenheit spricht er wenig und wenn ihn
jemand fragt, an was seine erste Gattin gestorben sei, pflegt er weh-r
mütig zu sagen: „An einem zehrenden Übel."
Was in gewissem Sinn ja auch stimmt.

Aus „Daily Mail" vom 4. März 1948 Deutsch von Helma Flessa

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Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wisbeck, Jörg
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Der Simpl, 3.1948, Nr. 7, 82.

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