Zum Geleit!
DAS IST DOCH
Die Welt, mein Freund, das ist mal so,
gleicht heute einem Riesen-Zoo.
Ein Raubtier-Haus im schlimmsten Fall,
im besten noch: ein Affenstall.
Der Mensch, das große Sau-Getier,
bevölkert dieses Schutz-Revier.
Teils bös und wild, teils gut und zahm,
mal Bestie und mal Opferlamm.
Die Freiheit haben sie verlorn,
sind hinter Gittern schon geborn.
Die Füttrung ist ihr Lebenszweck.
Der liebe Gott spielt Hagenbeck!
Und was für Arten es so gibt,
zeigt euch ein Rundgang — wenn's beliebt.
Sogar ein Führer ist dabei!
Der große Tierpark! Eintritt frei!
/KLIPP-KLAPP
Es klappern die Störche am laufenden Band, /
klipp-klapp.
Die Geburtenziffer geht aufwärts im Land,
klipp-klapp.
Nachdem wir so klein und so arm sind gewor'n,
. da klippt es, da klappt es, da wird was gebor'n,
klipp-klapp, klipp-klapp, klipp-klapp.
Es klappern die Störche in Berg und in Tal,
klipp-klapp.
Im Osten, im Westen und auch bizonal,
klipp-klapp.
Und wenn wir auch ganz demokratisch jetzt sind,
eins blieb wie bei Nazis groß: Mutter und Kind,
klipp-klapp, klipp-klapp, klipp-klapp.
Und wenn auch das Alter so langsam krepiert,
klipp-klapp.
Die Jugend wächst ran und der Nachwuchs marschiert,
klipp-klapp.
Und wenn sie uns trennen in noch so viel Zonen,
es hilft alles nischt, wir bleib'n 70 Millionen!
klipp-klapp, klipp-klapp, klipp-klapp.
DIE WÜHLMAUS
Die Wühlmaus, wie der Name sagt,
sie wühlt und maust und tanzt und nagt
und unterhöhlt den größten Bau.
Sie ist zwar klein, doch sie ist schlau.
Sie hat sich in der letzten Zeit
vermehrt im Lande weit und breit
und knabbert an den Fundamenten
des Staats und an den Kontingenten.
Muß an dem kargen Vorrat naschen,
schlüpft frech durch des Gesetzes Maschen,
wühlt im Vergang'nen ungeniert
und denunziert und kolportiert.
Die Wühlmaus beiderlei Geschlechts
ist die Verächterin des Rechts.
Wir müssen fest zusammenstehn
und diesem Tier zu Leibe gehn.
Die Mausefalle dient dem Zweck,
nur fehlt es leider uns an Speck.
Doch rotten wir sie nicht bald aus,
gehn unter wir' mit Mann ... und Maus!
MIT O
Wir kommen nun zu den Wölfen, meine Damen und
Herren. Nicht zu jenen Weifen, die jetzt in Hannover
eine eigene Partei gründen wollen, sondern zu den Wöl-
fen mit „ö".
Von den vielen ursprünglichen Arten ist völlig aus-
gestorben: der Fleischwolf. Aus Nahrungsmangel. Umso-
mehr hat sich der Akten- oder Reiß-Wolf vermehrt. Er
zerkleinert Papier, insbesondere alte Akten, nachdem
vorher davon Abschriften gemacht worden sind. Er kann
auch'Lumpen zerreißen. Jedoch sind diese schwer zu fan-
gen. Eine bekannte Abart ist der Wolf im Schafspelz.
Neuerdings macht der Werwolf von sich reden. Eine von
Hermann Löns erfundene bräunliche Spielart, die in ver-
sinzelten, unausgewachsenen Arten allerlei Unfug anrichtet.
Am verbreitetsten ist der Wolf, den man sich bei
Gängen nach Bezugscheinen läuft.
Mit diesen Wölfen kann man heulen!
DIE UNKEN
Die Unken sehen immer schwarz,
Aie jungen wie die alten.
Und haben ja in dieser Welt
auch meistens recht behalten.
Wann kommt denn mal ein schöner Tag?
War't ihr je freudetrunken?
Das Leben ist doch nur ... Quak, quak ...
Drum hört nur auf uns Unken!
Wir sitzen in der Zeiten Schlamm
und dösen, quaken, glotzen;
seh'n uns die Welt von unten an
und finden sie zum Kotzen.
Wir Unken — ja, wir unken nur
zu allen euren Nöten.
Wir sind die schiere Un-Natür,
verdammt-verdummte Kröten!
DIE RIESENSCHLANGE
Und nun, meine Herrschaften, zeige ich Ihnen
auf unserem Rundgang durch den Zoo der Zeit
die Riesenschlange, lateinisch: Boa Kaloria. Ge-
boren wurde sie im Dschungel der Paragraphen,
im Urwald der Rationierung, im Dickicht der
Planwirtschaft.
Heute ist sie über ganz Europa verbreitet, wo
man sie — wie alles Ungeziefer — vorwiegend
in Großstädten antrifft. Sie schlängelt sich von
Hunger getrieben vor den Geschäften der Flei-
scher und Gemüsehändler, vor den Türen der.
-Milch- und Zeitungsmänner, vor den Zigaretten-
Kiosken und den Kaufmannsläden. Ein nimmer-
sattes Ungeheuer, das selbst vor Theaterkassen
nicht halt macht, aber mit ein paar Brosamen
schnell zu vertreiben ist.
Die größten Exemplare findet man unbegreif-
licherweise vor den Amtsschaltern, obwohl ge-
rade hier keinerlei Aussicht auf Befriedigung
ihrer Wünsche besteht. Daher ist sie dort auch
immer in gereiztem Zustand, wobei ihr Schwanz
gefährlicher ist als der Kopf.
D i e s e Schlange aber ist nicht Ursache, son-,
dern Folge unserer Vertreibung aus dem Para-
diese. Erst wenn der üppige Busen der Planung,
an dem sie genährt wird, erschlafft, ist mit ihrem
Aussterben zu rechnen^ Dann wird sie selber zu
dem werden, was sie (und uns !) heute erhält:
ein Schlangen-Fraß!
90
DAS IST DOCH
Die Welt, mein Freund, das ist mal so,
gleicht heute einem Riesen-Zoo.
Ein Raubtier-Haus im schlimmsten Fall,
im besten noch: ein Affenstall.
Der Mensch, das große Sau-Getier,
bevölkert dieses Schutz-Revier.
Teils bös und wild, teils gut und zahm,
mal Bestie und mal Opferlamm.
Die Freiheit haben sie verlorn,
sind hinter Gittern schon geborn.
Die Füttrung ist ihr Lebenszweck.
Der liebe Gott spielt Hagenbeck!
Und was für Arten es so gibt,
zeigt euch ein Rundgang — wenn's beliebt.
Sogar ein Führer ist dabei!
Der große Tierpark! Eintritt frei!
/KLIPP-KLAPP
Es klappern die Störche am laufenden Band, /
klipp-klapp.
Die Geburtenziffer geht aufwärts im Land,
klipp-klapp.
Nachdem wir so klein und so arm sind gewor'n,
. da klippt es, da klappt es, da wird was gebor'n,
klipp-klapp, klipp-klapp, klipp-klapp.
Es klappern die Störche in Berg und in Tal,
klipp-klapp.
Im Osten, im Westen und auch bizonal,
klipp-klapp.
Und wenn wir auch ganz demokratisch jetzt sind,
eins blieb wie bei Nazis groß: Mutter und Kind,
klipp-klapp, klipp-klapp, klipp-klapp.
Und wenn auch das Alter so langsam krepiert,
klipp-klapp.
Die Jugend wächst ran und der Nachwuchs marschiert,
klipp-klapp.
Und wenn sie uns trennen in noch so viel Zonen,
es hilft alles nischt, wir bleib'n 70 Millionen!
klipp-klapp, klipp-klapp, klipp-klapp.
DIE WÜHLMAUS
Die Wühlmaus, wie der Name sagt,
sie wühlt und maust und tanzt und nagt
und unterhöhlt den größten Bau.
Sie ist zwar klein, doch sie ist schlau.
Sie hat sich in der letzten Zeit
vermehrt im Lande weit und breit
und knabbert an den Fundamenten
des Staats und an den Kontingenten.
Muß an dem kargen Vorrat naschen,
schlüpft frech durch des Gesetzes Maschen,
wühlt im Vergang'nen ungeniert
und denunziert und kolportiert.
Die Wühlmaus beiderlei Geschlechts
ist die Verächterin des Rechts.
Wir müssen fest zusammenstehn
und diesem Tier zu Leibe gehn.
Die Mausefalle dient dem Zweck,
nur fehlt es leider uns an Speck.
Doch rotten wir sie nicht bald aus,
gehn unter wir' mit Mann ... und Maus!
MIT O
Wir kommen nun zu den Wölfen, meine Damen und
Herren. Nicht zu jenen Weifen, die jetzt in Hannover
eine eigene Partei gründen wollen, sondern zu den Wöl-
fen mit „ö".
Von den vielen ursprünglichen Arten ist völlig aus-
gestorben: der Fleischwolf. Aus Nahrungsmangel. Umso-
mehr hat sich der Akten- oder Reiß-Wolf vermehrt. Er
zerkleinert Papier, insbesondere alte Akten, nachdem
vorher davon Abschriften gemacht worden sind. Er kann
auch'Lumpen zerreißen. Jedoch sind diese schwer zu fan-
gen. Eine bekannte Abart ist der Wolf im Schafspelz.
Neuerdings macht der Werwolf von sich reden. Eine von
Hermann Löns erfundene bräunliche Spielart, die in ver-
sinzelten, unausgewachsenen Arten allerlei Unfug anrichtet.
Am verbreitetsten ist der Wolf, den man sich bei
Gängen nach Bezugscheinen läuft.
Mit diesen Wölfen kann man heulen!
DIE UNKEN
Die Unken sehen immer schwarz,
Aie jungen wie die alten.
Und haben ja in dieser Welt
auch meistens recht behalten.
Wann kommt denn mal ein schöner Tag?
War't ihr je freudetrunken?
Das Leben ist doch nur ... Quak, quak ...
Drum hört nur auf uns Unken!
Wir sitzen in der Zeiten Schlamm
und dösen, quaken, glotzen;
seh'n uns die Welt von unten an
und finden sie zum Kotzen.
Wir Unken — ja, wir unken nur
zu allen euren Nöten.
Wir sind die schiere Un-Natür,
verdammt-verdummte Kröten!
DIE RIESENSCHLANGE
Und nun, meine Herrschaften, zeige ich Ihnen
auf unserem Rundgang durch den Zoo der Zeit
die Riesenschlange, lateinisch: Boa Kaloria. Ge-
boren wurde sie im Dschungel der Paragraphen,
im Urwald der Rationierung, im Dickicht der
Planwirtschaft.
Heute ist sie über ganz Europa verbreitet, wo
man sie — wie alles Ungeziefer — vorwiegend
in Großstädten antrifft. Sie schlängelt sich von
Hunger getrieben vor den Geschäften der Flei-
scher und Gemüsehändler, vor den Türen der.
-Milch- und Zeitungsmänner, vor den Zigaretten-
Kiosken und den Kaufmannsläden. Ein nimmer-
sattes Ungeheuer, das selbst vor Theaterkassen
nicht halt macht, aber mit ein paar Brosamen
schnell zu vertreiben ist.
Die größten Exemplare findet man unbegreif-
licherweise vor den Amtsschaltern, obwohl ge-
rade hier keinerlei Aussicht auf Befriedigung
ihrer Wünsche besteht. Daher ist sie dort auch
immer in gereiztem Zustand, wobei ihr Schwanz
gefährlicher ist als der Kopf.
D i e s e Schlange aber ist nicht Ursache, son-,
dern Folge unserer Vertreibung aus dem Para-
diese. Erst wenn der üppige Busen der Planung,
an dem sie genährt wird, erschlafft, ist mit ihrem
Aussterben zu rechnen^ Dann wird sie selber zu
dem werden, was sie (und uns !) heute erhält:
ein Schlangen-Fraß!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Das ist doch Zoo-Logisch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 8, S. 90.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg