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DREI SÄTZE ZUR LAGE

ERSTER SATZ: FURIOSO
Oh, diese Musik, diese verfluchte Musik! Wenn
man sie nur nicht so genau kennen würde. Hört
ihr denn nicht? Das ist doch wieder dieselbe
Melodie, die alte Leier! Keine Improvisationen.
O nein. Es geht alles nach Noten. Man redet
nach Noten, man beschimpft sich nach Noten,
man sendet sich Noten. Protest-Noten! So „takt-
los" fangen diese Konzerte immer an. Zuerst
klingt manches nach einem harmlosen, kleinen
Intermezzo. Aber wehe, wenn man anfängt, auf
den guten Ton zu pfeifen. Dann gibt's Blech-
musik; Musik, die störend meist empfunden,
weil sie mit Kriegsgeräusch verbunden. Hei, wie
das Mut macht, wie das in den Beinen zuckt.
Wehmütige Erinnerungen an Fanfarenklänge,
Herms Niel und Egerländermarsch werden
wach. Ein vaterländischer Schauer rieselt über
Ananch mager gewordene Rippe. Prag! Dieses
Mal mit Trauermusik. Doch laßt euch nicht täu-
schen. Wie gesagt: wir kennen diese Klänge.
Schöne Töne, große Töne. Der diplomatische
Chor singt die „Hymne an den Frieden". Kennen
wir auch — von damals. Hohe Töne. Falsche
Töne! Achtelpause — das Signalhorn wird ge-
ölt. Kartoff elsupp, Kartoff elsupp! Gebt acht!
Tusch mit Pauken und Trompeten: Ein Frei-
staat will heim ins Reich. Nein, nicht Danzig.
Triest! Kennt ihr die Melodie noch immer
nicht? Wartet ab! Trommelwirbel: Einführung
der allgemeinen Wehrpflicht! Und die Motoren
der modernsten Kampfmaschinen der Welt
jubeln hoch in den Lüften: „Alles für den Frie-
den! Frieden! Frieden!" — Vermutlicher Schluß
des ersten Satzes: Pauken-Solo.

ZWEITER SATZ: SCHERZANDO
Ob es sich denn gar nicht einrichten ließe, die
großen weltpolitischen Differenzen auf musika-
lische „Weise" zu lösen? Wäre das nicht weise?
Ich denke da an eine Art Sänger- oder Orchester-
wettstreit. Welche Möglichkeiten! Man stelle
sich vor: Die Außenminister könnten mit ihrem
CoHegium musicum instrumentale in der
„Deutschland-Halle" zusammentreffen (schade,
daß sie schon beim letzten Konzert am Boden
zerstört wurde) und sich gegenseitig nach Noten
anpfeifen. Vielleicht gelänge es tatsächlich, den
westlichen Dreiklang mit den östlichen Disso-
nanzen zu vereinen und ein Werk von besonders
schöner Harmonie zu schaffen. Für ernstliche
Meinungsverschiedenheiten gäbe es Spielregeln,
die es gestatten, den Gegner mit Geschicklich-
keit von den höchsten Stufen der Tonleiter auf
den Resonanzboden der Wirklichkeit zu zwin-
gen. Bei nicht zu überbrückenden Gegensätzen
dürfte in einer entsprechenden Note lediglich
der Abbruch der musikalischen Beziehungen der
betreffenden Staaten bekanntgegeben werden.
Hierzu könnte es kommen, wenn ein amerika-
nischer Jäger allzu stark ins Englisch-Horn stöUt
und eine Bauchlandung auf der Stalin-Orgel fabri-
ziert, wodurch dem Balg die Luft ausgeht. —
Und wir selbst? Wir blasen in Ermangelung
richtiger Instrumente auf dem Kamm der schö-
nen Lorelei: „Ich weiß nicht, was soll es be-
deuten ...."

DRITTER SATZ: ADAGIO
Erfahrungsgemäß enden die großen Konzerte
dieser Art in der ganzen Welt meist mit Varia-
tionen über die Melodie des bekannten Liedes
„Ich hatt' einen Kameraden .."
Dies ist der (leider) letzte Satz.

DA CAPO. Hans Job

DAS INTERVIEW

Ort der Handlung: Eine Anlagenbank. Personen;
Ein bedeutend aussehender langhaariger junger Mann.
Ein forsch aussehender halblang-haariger junger Mann.
Der langhaarige junge Mann sitzt auf der Anlagen-
bank, heftig murmelnd und von Zeit zu Zeit mit
den Händen nach vorübersegelnden Wolken grei-
fend. Der halblanghaarige junge Mann kommt vor-
bei, wirft einen prüfenden Blick auf den Sitzenden.
Der Langhaarige (plötzlich ziemlich laut): Mutter,
gib mir die Sonne!

Den Halblanghaarigen reißt es. Er wendet sich der

Bank zu, zieht einen Drehbleistift aus der Tasche

und beginnt kühn den Dialog.

Der halblanghaarige junge Mann: Verzeihen Sie,

Sie kommen mir so bekannt vor — wo kann ich

Sie schon einmal gesehen haben?

Der langhaarige junge Mann (bedeutend): Ich bin

Schauspieler!

Der Halblanghaarige: — Ah, welch ein Glück —
bitte, geben Sie mir ein Interview.
Der Langhaarige (macht eine gewährende Bewegung):
Es sei!

Der Halblanghaarige: Wie kamen Sie zum Theater?
Der Langhaarige^ Durch innere Berufung — und
einen Schauspielkurs ...

Der Halblanghaarige: Sehr gut —■. und welche Rollen
liegen Ihnen besonders?

Der Langhaarige: Ich möchte mich nicht zu eng
festlegen — meine Spannweite reicht von Mackie
Messer bis Hamlet, vom G'wissenswurm bis zu Sartres
Orest, von Romeo bis zum alten Mohr — mit einem
Wort möchte ich sagen: von Faust bis Gretchen!
Der Halblanghaarige (eifrig schreibend): Herrlich —
und an welcher Bühne— verzeihen Sie meine Unkennt-
nis — an welcher Bühne darf man Sie bewundern?
Der Langhaarige (räuspert sich): Ich sagte es schon:
ich bin Schauspieler durch innere Berufung und
Schaus.pielkurs — nicht durch Engagement.
Der Halblanghaarige (enttäuscht): Und das sagen
Sie erst jetzt? Ich dachte, ich kennte Sie von der
Bühne her ■— verschreib' ich meinen letzten Notiz-
block —■ na sowas — (Ab).
Der Langhaarige (blickt ihm gedankenverloren nach,
ruft): Für welche Zeitung war das Interview?
Der Halblanghaarige (aus der Ferne): Für keine!
Ich bin Journalist vorerst nur durch innere Berufung
— und einen Journalistenkurs! Effi Horn

HEILIGER BRAHMAPUTRA!

Bei einer Gedenkfeier für Gandhi sagte der indische
Ministerpräsident Nehru daß die Regierung entschlos-
sen sei, die Atmosphäre des Hasses und der Gewalt-
tätigkeit zu beenden und daß sie die Verschwörung
Infolgedessen ,,ohne Gnade zerschmettern" werde.

Mit Gewalt ist endlich Schluß
und mit allem Haß auf Erden!
Wer nicht lieben will, der muß
„gnadenlos zerschmettert" werden!

Wer nicht friedlich leben möchte
und an Krieg und Rache denkt,
wird von wahren Menschenfreunden
durchgesägt und aufgehängt!

Willst Du nicht mein Bruder sein
und mein Freund zu jeder Stunde,
schlag ich Dir den Schädel ein
und die Zähne aus dem Munde!

Lieben sollst Du, Hund verfluchter,
oder Du wirst hart bestraft.
Denn nur mit Gewalt wird heute
die GEWALT ganz abgeschafft. H.H.

DIE MITARBEITER DES HEFTES,

soweit sie in den bisherigen Heften nicht verzeichnet
waren: K. Maertens, 8. 12. 1915, Braunschweig; Karl
Kuba, 1. 2. 1911, Frankenberg/Eder; Rudolf Hummel,
1. 8. 1889, Barmen; Max Koerner, 18. 9. 1887. Reutlin-
gen. Daten von M. Wagner und E. Troje folgen.

„DER SIMPI." erscheint im Monat zweimal
Bezugspreis im Vierteljahr RM 6.— zuzügl. 25 Pfg. Zustellgebühr.
Verlag ,,Der SIMPL" (Freitag-Verlag), München 23, Werneckstr. 15a,

Femruf 362072. Postscheckkonto: Der SIMPL, München Nr. 91999._

Herausgeber: Willi Ernst Freitag. — Red. M. Schrimpf. — Sprech-
stunden: Dienstag und Donnerstag von 9 bis 12 Uhr. — Für
-unverlangt eingesandte Manuskripte und Zeichnungen wird keine
Gewähr übernommen. Freiumschlag ist beizulegen. — Klischees:
Brend'amour, Simhart 81 Co., Graphische Kunstanstalt, Mün-
chen. — Druck: Süddeutscher Verlag GmbH., München 2. Send-
linger Straße 80. — Genehmigte Auflage: 100 0O0. — Auflage
dieser Nummer infolge Papiermangels: 55 000. — Copyright by
Freitag-Verlag 1946. — Published under MHitary-Government

Information Control License No. US-E-148.

94

s
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Nachdem sich höheren Orts die Tendenz neuerdings durchgesetzt hat, die Entnazifizeirung einem schnellen Ende zuzuführen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Nachdem sich höheren Orts die Tendenz neuerdings durchgesetzt hat, die Entnazifizeirung einem schnellen Ende zuzuführen, glaube ich der hohen Kammer entgegenzukommen, wenn ich hiermit Antrag stelle, meinen Mandanten ungehört als "vom Befreiungsgesetz nicht betroffen" einzustufen.

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Körner, Max
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 8, S. 94.

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