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G.Schrimpf: OSTERSEEN (Lithographie)

g w Borth DAS HOHE LIED

Denn was, ist der Staat anderes als unser aller
Feinde Götzen sind sie alle, dieser Staat, der ver-
gangene, alle Systeme von Ost nach West: Opfer
fordern sie auf ihren Altären, und dann,wachen sie
eifersüchtig, auf daß niemand abtrünnig werde der
„wahren" Lehre. Der Staat, in dem du geboren, ist
der Gipfel der Kultur, Liebling Gottes und nichts
kommt ihm gleich. Bayern, Bayern über alles —■
oder Liberia — oder Costa Rica!
.Weh dir, daß du Staatsbürger bist! Es verpflichtet
dich, zu lieben und zu hassen, wie das Gesetz es
befiehlt. Du hast zu zahlen, wo, wann und wieviel
man dir befiehlt, zu- schießen, auf wen man dir
befiehlt, und wenn du's nicht tust, dann wird an-
deren befohlen, auf dich zu schießen. Auch ist be-
fohlen, den Feiertag zu heiligen — oder auch nicht
zu heiligen (je nach Lust und Laune), dies und jenes
zu essen oder nicht'zu essen, dies zu glauben, jenes
zu verwerfen — ja,. als einzige Freiheit verbleibt
dir nur die Wahl, wievielmal täglich du aufs Klosett
zu gehen beabsichtigst.

Befehle, Befehle ,— ja, wer befiehlt da eigentlich?
Kein ER, ein anonymes KS — die Inkarnation der
Staatsautorität, welche Dummheit befiehlt, damit
man über sie nicht nachdenkt. Denn sonst —.
Aber welche Interessen hast d u eigentlich? Du
möchtest in Ruhe gelassen werden, in Frieden
deiner Arbeit nachgehen, hin und wieder mit dem
Nachbarn ein vernünftiges Wort wechseln — und
dann die Früchte deiner Arbeit mit den Deinen
verzehren. Du siehst ein, daß die Straßen gereinigt
sein müssen, und bist bereit, dich an der Bezahlung
der Straßenkehrer in vernünftigen Grenzen zu be-
teiligen. Aber mehr ist eigentlich nicht von Nöten.
Daß du mit drei deinesgleichen einen ganzen
stattlichen Beamten ernähren mußt, der seine Zeit
damit verbringt, daß er auf Papier schreibt ■— du

siehst es nicht ein — nur der Beamte sieht es ein,
ganz natürlicherweise. Denn der Beamte ist der
Staat.

Du aber bist ein Stück Dreck. Man quält dich in
Ämtern und Behörden, mit Gesetzen und Papieren
von morgens bis abends und wehe, wenn du etwa
abstreitest, daß dieser Staat dein Staat sei! Du
— du hast zu jubeln! Willst du gleich jubeln, du
Schwein, du verdammtes! Steh auf und nimm den
Hut ab, wenn man deine Nationalhymne spielt. Ja,,
steh schon auf. Es ist der Todesmarsch deiner Frei-
heit — also sei feierlich.

Und- sprich nur im Freundeskreis, wenn kein un-
berufener Lauscher droht, wie schön es wäre, wenn
die verfluchten Staaten vom Erdball verschwänden.
Solange es Staaten gibt, wird es Kriege geben. Klar.

Ordnung muß sein. Schön. Aber welcher Staat ist
schon ein Staat der Ordnung? Nicht das Nichts ist
ein Chaas, sondern die Staaten mit ihren Büro-
kratien, ihren Gesetzen des Irrsinns und der Gewalt.
Ein Sokrates, ein Gandhi sind mehr wert als alle
Staatsmänner der Welt von Anbeginn bis zum
Weltende. Dem Staat muß man erst das Maul
stopfen, wfinn man die Stimme der Moral in sich
hören will. Die Existenz von Staaten hat der
Menschheit bislang keine Katastrophe, kein Elend
erspart. Im Gegenteil, es sind die Staaten, an denen
wir kranken; die-alles verschulden, das Leid —.
Friede auf Erden! Weltstaat oder nichts — also
nichts. Freiheit, die wir meinen!
ODER DIE STAATEN MÜSSEN GANZ ANDERS
WERDEN.

DAS VOLKSBEGEHREN

Der Volksrat ruft zum Volksentscheid:

Der Tag der Freiheit ist nicht weit,

Entschließet euch zu Taten!

Der deutsche Frieden winkt uns nur

Vereint mit Asiens Kultur,

Befreit von Plutokraten.

O kommt zu uns in eine Welt,

In der man lebt auch ohne Geld,

— Ein Schmarr'n, was wir besessen! —

Kommt, werdet Arbeitspionier,

Den Titel bieten wir dafür

Und warmes Mittagessen!

Verschenkt wird auch der Junker Land,

Die Grundbuchakten sind verbrannt,

Wir lassen's uns was kosten:

Wert hat für uns die Saar und Ruhn

Das übrige ist Ballast nur:

Fort mit dem deutschen Osten!

Zu Opfern sind wir gern bereit.
Was schert uns eine Handvoll Leid
Von ein paar Tausend Söhnen,
Die zum Kazet, Uran, verschleppt,
Noch in Sibirien versteppt,
Um Recht und Freiheit stöhnen!

Brutal zu sein fällt uns nicht schwer.
Wir können's noch von Hitler her,
Wir brauchen kein Gewissen!
Die Einheit ist Parole nur,
Doch unser Ziel die Diktatur:
Wir werben, weil wir müssen.

Drum, Brüder, auf zum Volksentscheid!

Zum Handeln haltet euch bereit

Für Lenin und Genossen!

Der freie Mensch ist kein Gewinn,

Zum Teufel mit dem Eigensinn,

Wer meutert, wird erschossen!

9J-

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Osterseen (Lithographie)"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schrimpf, Georg
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 11, S. 122.

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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