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H.T.Bauer: STRALSUNDER HAFEN

Herrn

PLACIDUS HIRNHUBER, SCHULRAT a. D.

ISARSTETTEN,
Ludwigätraße 22

München, den 22. Juni 1948.

Liebet Freund und Parteibruderl

Mit viel Freude habe ich den Brief von meinem alten
Gesinnungsfreund aus Isarstetten erhalten. Natürlich
erinnere ich mich noch recht lebhaft meines alten frei-
singer Kurskollegen Placidus Hirnhuber. Gewähren wir
uns doch wieder das gegenseitige D u, das altbewährt,
und durch keine Währungsreform abänderlich ist.
Ich danke Dir für Deine Hinweise bezüglich der Lehre-
rinnenfrage. Sei versichert, daß wir genau wissen, wo
die Frau hingehört, damit sie uns nicht über den Kopf
wächst. Sei ohne Sorgel Es wird keine Fvau Schulrätin,
solange wir in der Regierung sitzen.
Politisch, mein lieber Placidus, weht für uns in der
Union augenblicklich kein günstiger Wind. Durch die
letzten Wahlen wird vielleicht sogar ein Sozi Oberhaupt
unserer lieben Landeshauptstadt. Wir müssen im Augen-
blick sehr sanft und christ-katholisch auftreten, damit
uns das Volk die Treue hält. Viele Leute in Stadt und
Land schimpfen leider heute auf uns Parlamentarier und
wollen von uns nichts mehr wissen. Das kommt, weil
kein Glaube mehr im Volke herrscht und die Ehemänner
schon seit langem verabsäumen, von Frau und Kind die
Beichtzeitel abzuverlangen. Aber Gottes Mühlen mahlen
oftmals schneller als die Sünder in ihrer irdischen Ver-
blendung denken.

Wer hätte das gedacht, daßf nach Gottes heiligem Wil-
len, diesen Dteckbären gewisser Zeitungen durch die
Währungsreform so schnell der verleumderische Feder-
halter aus der Pratzen gehauen worden wäre! Das ge-
sunde Volk hat von diesen Haderlumpen noch nie nichts
wissen wollen. Dieser Geist des Aufruhrs ist durch die
Preußen in der Person Voltaires nach Deutschland einge-
schleppt worden. Französische Weiber und Philosophen

sind uns ebenso zuwider, wie Protestanten und Dünn-
bier. Wir sind ein gesundes Volk und wollen es bleiben.
Jetzt, nach der Währungsreform, kannst Du es in
München ganz schön sehen, was das Volk will und was
das Volk nicht will. Theater und Kabaretts haben schon
schließen müssen. Die Kinos sind schlecht besucht. Das
Volk meidet die Stätten der Unzucht, wo das Geheimste
offenbarig gemacht und alles, was uns heilig ist, in den
Dreck gezogen wird. Aber das Pontifikalamt und die ver-
schiedenen Andachten, wo unsere hochwürdigen Herrn zu
sehen sind, wo sie predigen, und wo auch wir hingehen,
da ist trotz der Währungsreform ein Nachlassen des Be-
suches nicht festzustellen. Im Gegenteil, die Leute geben
freudig und- gerne in den Opferstock, weil sie wissen,
daß dieses selbstlose Opfer im Himmel tausendfach
Zinsen trägt.

In den Zeitungshäusln sind die Blätter, wo sich so gerne
in übler Weise mit uns befassen, fast unverkäuflich.
Viele von diesen unchristlichen Druckerzeugnissen haben
ihre Preise senken müssen. Aber wir haben das nicht
nötig. Unsere heiligen Schriften und Erbauungsbüchlein
brauchen nicht billiger verkauft zu werden. Das Volk
kauft diese wundertätigen Kalender und himmlischen
Tornisterschriften freudigen Herzens zu den alten Prei-
sen, denn es weiß, daß es mit diesem kostbaren Gut
freier und glücklicher den schweren Lebensweg- wandeln
kann. Wir brauchen keine Zeitungshäusln, um unsere
Schriften zu verkaufen. Das besorgen in uneigennütziger
Weise unsere Herrn Kapläne und Pfarrersköchinnen.
Denn sie wissen, daß wieder ein Glaube im Volk herr-
schen muß.

So arbeiten wir für die Kultur, und was Kultur ist, be-
stimmt mit uns einzig und allein die Regierung und
nicht ein hergelaufener Hanswurst.- Kleinkunstbühnen,
wo sie uns dabiecken, brauchen wir überhaupt nicht.
Die Theater dürfen nur solche Stücke spielen, die unsern
Moralanschauungen entsprechen. Tun sie das nicht, dann
werden sie geschlossen. Punktuml Die Kultur sitzt immer
noch im Geldbeutel und auf den werden unsere Minister
feste den Daumen halten.

Zur Hebung der Kultur und aus Sparsamkeitsgründen
wäre es sehr gut, wenn Ihr draußen im Lande die Theater-

•abteilungen der katholischen Burschen- und Jungfrauen-
vereine tatkräftig unterstützen würdet. Denke nur an
die großen künstlerischen Erfolge, die wir seinerzeit in
Freising in Zusammenarbeit mit jem Jungfrauenverein
durch die wahrhaft künstlerischen Aufführungen von
Werken wie: „Die hl. Genoveva", „Das vierte Gebot",
„Unschuldig perfolgt", „Wilderers letzte Beichte" und
„Der Müller und sein Kind" erzielten.
Den Film müßt Ihr gesondert im Auge behalten. Hier,
mein lieber Placidus, mußt Du ejctta Obacht geben, da-
mit dieses moderne Gift des Unglaubens und der Un-
moral nicht unsere Jugend und unsere zukünftigen Wäh-
ler an Leib und Seele verderbt. Die Sauereien auf der
Leinwand lernen die Burschen und Madeln noch früh
genug kennen. In München machen sie zur Zeit sogar
einen Film, wo ein nackter Adam mit einer nackten
Eva drin vorkommt. Wenn es so weit ist, daß der Film
fertig ist, werde ich Dir genaueres mitteilen, denn ich
bin im moralischen Üeberwachungsausschuß unserer Par-
tei und bekomme alles Unsittliche aus erster Hand.
Lieber Placidus, Gottes Weisheit hat uns zur Unter-
stützung im Kampf gegen Schmutz und Schund die Wäh-
rungsreform im rechten Augenblick geschickt. Durch
nichts werden die entsittlichenden Kräfte von Film, Ka-
barett, Theater und freisinnigen Druckschriften besser
immunisiert, als durch einen leeren Geldbeutel. Not lehrt
beten — und nicht tanzen! Legt uns die Währungsreform
auch gewisse Opfer auf, die Sittlichkeit wird durch sie
bestimmt gehoben. Für uns brauchen wir nichts fürchten,
denn der Staat, dem wir in Treue und christlicher Er-
gebenheit so lange dienen, dieser Staat wird uns nicht
untergehen lassen. Sei guten Mutes, und bleib der Partei

■ treu, es hängt nicht immer auf eine Seiten.
Mit den besten Wünschen für Dein und Deiner lieben
Frau Gemahlin Wohlergehen bin ich

Dein

Xaver Faltermaiet, M.D.L.

- » •- t •

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Stralsunder Hafen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Signatur: H. T. Bauer

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Hafen <Motiv>
Stralsund
Karikatur
Schiff <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 13, S. 146.

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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