ZEITGEMÄSSE GEDANKENMONTAGE
Zeitungsmeldung (August 1948)......geht hervor,
daß die Verhältnisse im Flüchtlingslager Illing als
menschenunwürdig bezeichnet werden müssen.
Besonders ist auf die moralbedrohende Entwick-
lung als Folge der geschilderten Behandlung der
Flüchtlinge hinzuweisen . . ."
Pressekonferenz des Flüchtlingskommissars. ,,. . . ge-
nau überprüfen und die Verantwortlichen zur
Rechenschaft ziehen werde. Die Ausgewiesenen
sollen wissen, daß alles getan wird, um ihnen
möglichst bald eine bescheidene Wohnung zu
geben, die für sie die Voraussetzung zum Be-
ginn eines Wiederaufbaues ihrer Existenz ist . . ."
Rundschreiben des Flüchtlingskommissariats. ,,... La-
gerinsassen immer wieder darauf hinzuweisen,
daß ihrer Privatinitiative keine Grenzen gesetzt
sind, die ihnen zugewiesenen Räume wohnlich
auszugestalten. Im übrigen muß natürlich über
derartige überraschende Besichtigungen an die
übergeordnete Dienststelle und — unter Um-
gehung des Dienstweges — sofort an das Flücht-
lingskommissariat berichtet werden. . ."
Appellation der Opposition im Landtag (Fe-
bruar 1949). ,,. . . zu tun gedenkt, diesen unwür-
digen Zuständen schnellstens ein Ende zu be-
reiten. Wir lassen keinen Zweifel daran, daß wir
eine rasche und vor allem praktische Hilfe für die
Aermsten der Armen für die vornehmste Aufgabe
aller politisch verantwortlichen Persönlichkeiten
betrachten. . ."
Landtagsbericht (August 1950). ,,. . . einstimmig
beschlossen, die Untersuchung über die Zustände
im Flüchtlingslager Illing einem Unterausschuß
zu überweisen, dessen Mitglieder in Kürze ge-
wählt werden sollen. . ."
Leserbrief. ,,. . . die dauernden Angriffe der Presse
gegen die Regierung nichts mehr mit Pressefrei-
heit zu tun haben. Oder zweifeln etwa die Her-
ren Zeitungsschreiber an den Worten der Regie-
rung? Auch unser Hochwürden Herr Pfarrer hat
kürzlich auf der Kanzel betont, daß der Lärm,
der von den Zeitungen um angebliche Mißstände
in der Flüchtlingsbehandlung gemacht wird, weiter
nichts ist, als der Versuch, Unruhe in die Be-
völkerung zu tragen. . ."
DER BOSE GEIST
von Karl K i n n d t
Zum ersten Male veröffentlicht schon im Juni 1931
Was tut sich wieder an der Ruhr,
die Herrn sind seltsam rührig —?
Und kennt man ihre Kraftnatur,
weiß man, der Fall ist schwierig.
Sie, die die Schwerter schmieden,
sind meistens gegen Frieden!
Und sind wir wieder auf dem Hund,
hat mancher den Verdacht:
im Hintergrund — im Hintergrund —
im Hintergrund steht Schacht!
Wo man zu straff den Bogen biegt,
ist Hjalmar meist nicht ferne —
wo es nach Katastrophen riecht,
da strahlen seine Sterne!
Wie alle „Nationalen"
denkt er zumeist in Zahlen —
Und wo sich Kapital gesuad
auf andrer Kosten macht:
im Hintergrund —■ im Hintergrund —
im Hintergrund steht Schacht!
Was Volkes Not — Was Volkes Glück:
hier dreht sich's um Geschäfte!
Die deutsche Wirtschafts-Politik
braucht die „besondren Säfte"!
Mit menschlichen Doktrinen
läßt sich kein Geld verdienen.
Drum ducke dich und halt den Mund,
wenn Deutschland nun erwacht:
im Hintergrund — im Hintergrund —
steht immer ein Herr Schacht!
Und gibt es endlich wieder Krieg,
so kannst du ruhig sterben —:
cb Niederlage oder Sieg,
Herr Schacht wird nicht verderben!
Drum: bis dich die Trompete
ruft, schufte, hungre, Jiete!
Und wenn an Leib und Seele wund
das Deutsche Reich verkracht —:
im Hintergrund — im Hintergrund —
verdrückt sich still Herr Schacht!
Bayerischer Staatsanzeiger (September 1951).
,,. . . schärfstens zurückgewiesen werden, wonach
der Herr Landwirtschaftsminister mit der Bildung
einer Untersuchungs-Unterkommission beauftragt
worden ist. Wahr ist, daß ein aus Vertretern des
bayerischen Bauernbundes und des bayerischen
Hausbesitzervereins gebildetes Komitee gebeten
wurde, einen vorläufigen Bericht über die Ver-
hältnisse im Lager Illing und über die Möglich-
keiten einer Uebersiedlung der Lagerinsassen in
evtl. zu beschlagnahmende Wohnräume der Um-
gebung einzureichen. . ."
Erlaß des Kultusministeriums (Juli 1953). „. . . Mi-
nister berichtet worden, daß unter den Studenten
eine heftige polemische Diskussion über die
Aeußerungen und Taten von Regierungsstellen ge-
pflogen wird. Ebenfalls wurde dem Herrn Minister
von Gewährsleuten berichtet, daß eine Studenten-
demonstration anläßlich des fünften Jahrestages
der Besichtigung des Flüchtlingslagers Illing durch
die Studenten geplant ist.. Vor derartigen unüber-
legten politischen Kundgebungen kann nicht ein-
dringlich genug gewarnt werden, besonders aber
vor den Folgen, die u. U. für die Rädelsführer er-
wachsen können."
Zwei Jahre Pause.
Ansprache des Flüchtlingskommissars. ,,. . . noch
nicht alle Ihre Wünsche erfüllt werden konnten, so
wissen Sie ja, daß daran die widrigen Umstände
und Gegebenheiten allein die Schuld tragen. Sie
verlassen nun heute das Lager Illing und siedeln
in eines der wenigen Flüchtlingslager über, die
aufrechtzuerhalten uns die Verhältnisse noch
zwingen. Das Lager Illing gehört damit der Ver-
gangenheit an. . ."
Rundschreiben des Flüchtlingskommissariats.,,... La-
ger übergeführt. Damit sind alle Vorgänge betreff
Illing hinfällig geworden. Die Herren Referenten
werden deshalb gebeten, die Bearbeitung aller
Akten betreff Illing einzustellen und der Registra-
tur zugehen zu lassen. Sie werden dort gemäß
Hauserlaß Nr. 1087/12 — R 884 vom 12. 3. 1946 ge-
lagert, bis über ihre endgültige Verwendung ent-
schieden wird." cl
DEM REINEN IST ALLES REIN
Auszug aus dem Amtsblatt für Stadt- und Landkreis
Neuburg a. d. Donau vom 13. August 1948:
„. . . Die Gast- und Schankwirte, welche weibliche Per-
sonen zur Bedienung oder Unterhaltung der Gäste in
der Weise, daß ein unmittelbarer Verkehr mit den Gä-
sten stattfindet, erstmalig oder neuerdings wieder ver-
wenden, haben dies, auch wenn diese Personen nebenher
noch andere Arbeiten uerrichten, der Kreispohzeibehörde
anzumelden..."
Ob der Herr Landrat zur, Durchführung dieser Bestim-
mung auch entsprechende ,,Verk;hrsschutzleutc" an der
Hand hat?
„Erinnern Sie sich nicht? Ich war doch der Spruchkammervorsitzende, der Sie damals als Mitläufer ein-
gestuft hat!"
„Na schön, da wollen wir nicht so sein und Sie in unserem Kundendienst als Beifahrer einstufen!"
209
Zeitungsmeldung (August 1948)......geht hervor,
daß die Verhältnisse im Flüchtlingslager Illing als
menschenunwürdig bezeichnet werden müssen.
Besonders ist auf die moralbedrohende Entwick-
lung als Folge der geschilderten Behandlung der
Flüchtlinge hinzuweisen . . ."
Pressekonferenz des Flüchtlingskommissars. ,,. . . ge-
nau überprüfen und die Verantwortlichen zur
Rechenschaft ziehen werde. Die Ausgewiesenen
sollen wissen, daß alles getan wird, um ihnen
möglichst bald eine bescheidene Wohnung zu
geben, die für sie die Voraussetzung zum Be-
ginn eines Wiederaufbaues ihrer Existenz ist . . ."
Rundschreiben des Flüchtlingskommissariats. ,,... La-
gerinsassen immer wieder darauf hinzuweisen,
daß ihrer Privatinitiative keine Grenzen gesetzt
sind, die ihnen zugewiesenen Räume wohnlich
auszugestalten. Im übrigen muß natürlich über
derartige überraschende Besichtigungen an die
übergeordnete Dienststelle und — unter Um-
gehung des Dienstweges — sofort an das Flücht-
lingskommissariat berichtet werden. . ."
Appellation der Opposition im Landtag (Fe-
bruar 1949). ,,. . . zu tun gedenkt, diesen unwür-
digen Zuständen schnellstens ein Ende zu be-
reiten. Wir lassen keinen Zweifel daran, daß wir
eine rasche und vor allem praktische Hilfe für die
Aermsten der Armen für die vornehmste Aufgabe
aller politisch verantwortlichen Persönlichkeiten
betrachten. . ."
Landtagsbericht (August 1950). ,,. . . einstimmig
beschlossen, die Untersuchung über die Zustände
im Flüchtlingslager Illing einem Unterausschuß
zu überweisen, dessen Mitglieder in Kürze ge-
wählt werden sollen. . ."
Leserbrief. ,,. . . die dauernden Angriffe der Presse
gegen die Regierung nichts mehr mit Pressefrei-
heit zu tun haben. Oder zweifeln etwa die Her-
ren Zeitungsschreiber an den Worten der Regie-
rung? Auch unser Hochwürden Herr Pfarrer hat
kürzlich auf der Kanzel betont, daß der Lärm,
der von den Zeitungen um angebliche Mißstände
in der Flüchtlingsbehandlung gemacht wird, weiter
nichts ist, als der Versuch, Unruhe in die Be-
völkerung zu tragen. . ."
DER BOSE GEIST
von Karl K i n n d t
Zum ersten Male veröffentlicht schon im Juni 1931
Was tut sich wieder an der Ruhr,
die Herrn sind seltsam rührig —?
Und kennt man ihre Kraftnatur,
weiß man, der Fall ist schwierig.
Sie, die die Schwerter schmieden,
sind meistens gegen Frieden!
Und sind wir wieder auf dem Hund,
hat mancher den Verdacht:
im Hintergrund — im Hintergrund —
im Hintergrund steht Schacht!
Wo man zu straff den Bogen biegt,
ist Hjalmar meist nicht ferne —
wo es nach Katastrophen riecht,
da strahlen seine Sterne!
Wie alle „Nationalen"
denkt er zumeist in Zahlen —
Und wo sich Kapital gesuad
auf andrer Kosten macht:
im Hintergrund —■ im Hintergrund —
im Hintergrund steht Schacht!
Was Volkes Not — Was Volkes Glück:
hier dreht sich's um Geschäfte!
Die deutsche Wirtschafts-Politik
braucht die „besondren Säfte"!
Mit menschlichen Doktrinen
läßt sich kein Geld verdienen.
Drum ducke dich und halt den Mund,
wenn Deutschland nun erwacht:
im Hintergrund — im Hintergrund —
steht immer ein Herr Schacht!
Und gibt es endlich wieder Krieg,
so kannst du ruhig sterben —:
cb Niederlage oder Sieg,
Herr Schacht wird nicht verderben!
Drum: bis dich die Trompete
ruft, schufte, hungre, Jiete!
Und wenn an Leib und Seele wund
das Deutsche Reich verkracht —:
im Hintergrund — im Hintergrund —
verdrückt sich still Herr Schacht!
Bayerischer Staatsanzeiger (September 1951).
,,. . . schärfstens zurückgewiesen werden, wonach
der Herr Landwirtschaftsminister mit der Bildung
einer Untersuchungs-Unterkommission beauftragt
worden ist. Wahr ist, daß ein aus Vertretern des
bayerischen Bauernbundes und des bayerischen
Hausbesitzervereins gebildetes Komitee gebeten
wurde, einen vorläufigen Bericht über die Ver-
hältnisse im Lager Illing und über die Möglich-
keiten einer Uebersiedlung der Lagerinsassen in
evtl. zu beschlagnahmende Wohnräume der Um-
gebung einzureichen. . ."
Erlaß des Kultusministeriums (Juli 1953). „. . . Mi-
nister berichtet worden, daß unter den Studenten
eine heftige polemische Diskussion über die
Aeußerungen und Taten von Regierungsstellen ge-
pflogen wird. Ebenfalls wurde dem Herrn Minister
von Gewährsleuten berichtet, daß eine Studenten-
demonstration anläßlich des fünften Jahrestages
der Besichtigung des Flüchtlingslagers Illing durch
die Studenten geplant ist.. Vor derartigen unüber-
legten politischen Kundgebungen kann nicht ein-
dringlich genug gewarnt werden, besonders aber
vor den Folgen, die u. U. für die Rädelsführer er-
wachsen können."
Zwei Jahre Pause.
Ansprache des Flüchtlingskommissars. ,,. . . noch
nicht alle Ihre Wünsche erfüllt werden konnten, so
wissen Sie ja, daß daran die widrigen Umstände
und Gegebenheiten allein die Schuld tragen. Sie
verlassen nun heute das Lager Illing und siedeln
in eines der wenigen Flüchtlingslager über, die
aufrechtzuerhalten uns die Verhältnisse noch
zwingen. Das Lager Illing gehört damit der Ver-
gangenheit an. . ."
Rundschreiben des Flüchtlingskommissariats.,,... La-
ger übergeführt. Damit sind alle Vorgänge betreff
Illing hinfällig geworden. Die Herren Referenten
werden deshalb gebeten, die Bearbeitung aller
Akten betreff Illing einzustellen und der Registra-
tur zugehen zu lassen. Sie werden dort gemäß
Hauserlaß Nr. 1087/12 — R 884 vom 12. 3. 1946 ge-
lagert, bis über ihre endgültige Verwendung ent-
schieden wird." cl
DEM REINEN IST ALLES REIN
Auszug aus dem Amtsblatt für Stadt- und Landkreis
Neuburg a. d. Donau vom 13. August 1948:
„. . . Die Gast- und Schankwirte, welche weibliche Per-
sonen zur Bedienung oder Unterhaltung der Gäste in
der Weise, daß ein unmittelbarer Verkehr mit den Gä-
sten stattfindet, erstmalig oder neuerdings wieder ver-
wenden, haben dies, auch wenn diese Personen nebenher
noch andere Arbeiten uerrichten, der Kreispohzeibehörde
anzumelden..."
Ob der Herr Landrat zur, Durchführung dieser Bestim-
mung auch entsprechende ,,Verk;hrsschutzleutc" an der
Hand hat?
„Erinnern Sie sich nicht? Ich war doch der Spruchkammervorsitzende, der Sie damals als Mitläufer ein-
gestuft hat!"
„Na schön, da wollen wir nicht so sein und Sie in unserem Kundendienst als Beifahrer einstufen!"
209
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Erinnern Sie sich nicht?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Erinnern Sie sich nicht? Ich war doch der Spruchkammervorsitzende, der Sie damals als Mitläufer eingestuft hat!" / "Na schön, da wollen wir nicht so sein und Sie in unserem Kundendienst als Beifahrer einstufen!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 18, S. 209.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg